Herr Adams, Sie gelten als selbst ernannter Botschafter des Staates Israel. Was meinen Sie damit?
Als ich 2016 nach Tel Aviv zog, habe ich diesen Titel auf meine Visitenkarten geschrieben, denn die Projekte, die ich organisiere, sollen einem breiten Publikum auf der ganzen Welt ein positives Image Israels vermitteln.
Wie erfolgreich sind Sie damit?
Sehr. Weltweit erhielt ich von vielen Menschen ein großartiges Feedback. Die meisten sagen, dass sie die Schönheit Israels nicht kannten, und beabsichtigen sogar, das Land zu besuchen.
Ihre Projekte drehen sich meistens um den Sport.
Großveranstaltungen wie Olympia, die Fußball-WM oder die Tour de France sind die meistgesehenen Ereignisse in unserer Gesellschaft. Milliarden Menschen verfolgen sie vor dem Fernseher oder live vor Ort. Daher ist der Sport eine großartige Plattform, um unser Land, das so tolerant, vielfältig und demokratisch ist, jenen Menschen zu zeigen, die es noch nicht kennen.
Wie 2018, als der Giro d’Italia in Jerusalem startete.
Ja, die Rundfahrt führte auch über Haifa und Tel Aviv nach Eilat. Mehrere Millionen Israelis kamen auf die Straße, um dieses Event, von dem sie wahrscheinlich vorher noch nie gehört hatten, live zu erleben. Weltweit konnte man ihren Enthusiasmus und dazu noch wunderbare Bilder des Landes sehen.
Das ist auch eine kluge Werbung für den israelischen Tourismus …
Es war sehr hilfreich, ja. Zwischen Mai 2018 und Sommer 2019 verzeichnete Israel den weltweit größten Anstieg im Tourismus. Das Fernsehen übertrug die Veranstaltung direkt in die Wohnzimmer vieler Sportfans. Meistens sind das apolitische Menschen, die ich »die schweigende Mehrheit« nenne. Sie kennen den jüdischen Staat nicht wirklich.
Überlegen Sie, den Giro d’Italia noch einmal nach Israel zu bringen oder sogar die Tour de France hier starten zu lassen?
Ich bin in meiner selbst erschaffenen Position ständig damit beschäftigt, verschiedene Arten von Veranstaltungen nach Israel zu bringen, wie zum Beispiel den »Half Ironman« in Tiberias oder auch Madonna als Gaststar beim Eurovision Song Contest 2019 in Tel Aviv.
Sie sind selbst passionierter Radsportler. Wie sind Sie dazu gekommen?
Zum aktiven Radrennen kam ich erst spät, mit 41 Jahren. In meinen kühnsten Träumen hätte ich nicht gedacht, dass ich als Amateur in meiner Altersklasse zahlreiche Titel gewinnen werde. Nach meiner Ankunft in Tel Aviv wurde ich schnell zum Paten des Radsports in Israel und konnte meine neue Heimat in diesem Bereich professionell unterstützen, vor allem durch die »Cycling Academy« und das Team »Israel Start-up Nation«, das an der Tour de France, dem Giro d’Italia oder der Vuelta a España teilnimmt.
Sie haben in Tel Aviv »Sylvan Adams Cycling Network« gegründet. Was genau ist das?
Am Anfang stand die Idee, in den Vororten von Tel Aviv – wie Bat Yam oder Holon – vermehrt Radwege anzulegen, um die Städte mit dem Fahrradnetz der Metropole zu verbinden. Ich habe in diese Infrastruktur investiert, damit die Menschen eine Alternative haben, zur Arbeit zu pendeln. Dies könnte den Autoverkehr reduzieren, was auch gut für die Umwelt ist.
Ging mit all den Fahrradprojekten ein Traum für Sie in Erfüllung?
Um Träume zu erfüllen, braucht man Glück. Ich setze mir Ziele und arbeite hart, um sie zu erreichen.
Kann Ihr Team mit insgesamt vier Israelis, das aus einer »konfliktreichen Region« kommt, vermeiden, in eine politische Diskussion hineingezogen zu werden?
Am Anfang waren keine Israelis dabei. Wir haben aus dem Nichts etwas aufgebaut und den Menschen hier verschiedene Möglichkeiten gegeben, wie zum Beispiel die richtige Ausbildung. Mittlerweile sind vier Israelis im Team von »Israel Start-up Nation« sowie acht in unserem »Continental-Team«, der »Cycling Academy«. Das Start-up-Team vertritt unser Land bei internationalen Wettbewerben. Ich sehe kein Problem darin, den Namen Israel stolz auf der Brust zu tragen oder ihn in unserem Teamnamen zu haben. Ich bin kein Politiker, sondern nutze den Sport, um diplomatische Kontakte zu knüpfen, Brücken zu bauen, Freundschaften zu schließen und den wahren Charakter Israels zu zeigen.
Ist Sport, der so stark geprägt ist von Werten wie Frieden und Gleichberechtigung aller Menschen wirklich unpolitisch?
Allgemein sollte der Sport unpolitisch bleiben. Aber jedes Land sollte die Möglichkeit nutzen, durch seine Athleten »diplomatische Brücken« zu bauen.
Sollten Staaten wie Katar oder China große Sportwettkämpfe veranstalten dürfen?
Das ist natürlich eine legitime Frage. Doch ich glaube nicht, dass man mit der Teilnahme an einem Sportereignis das »Regime« des zu veranstaltenden Landes in irgendeiner Weise unterstützt, wie zum Beispiel bei den nächsten Olympischen Winterspielen in Peking. Natürlich ist China ein Unruhestifter, der die Rechte seiner Bürger mit Füßen tritt, eine aggressive Außenpolitik verfolgt und die westliche Diplomatie zu untergraben versucht. Mit der Austragung der Spiele wird sich diese Politik nicht ändern, aber unter einem Boykott der Spiele würden vor allem die teilnehmenden Athleten leiden.
Welche große Veranstaltung planen Sie als Nächstes?
Ich hatte die Ehre, FIFA-Präsident Gianni Infantino zu treffen, und habe ihm die Idee einer »Nahost-Weltmeisterschaft« im Jahr 2030 vorgeschlagen.
Was meinen Sie damit?
Staaten, mit denen Israel Frieden geschlossen hat, wie Ägypten oder die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Hier haben wir die Möglichkeit, den Sport zu nutzen, um freundschaftliche Beziehungen zwischen den Ländern aufzubauen. Infantino gefiel die Idee, und er möchte die Bewerbung unterstützen. Es ist für alle eine Win-win-Situation, denn es geht schließlich um die Fußball-WM.
Und das Finale dann in Jerusalem, der Stadt der drei Weltreligionen?
Erst müssen wir für eine Nominierung hart arbeiten und dann auf den Zuschlag hoffen. Würde man mir heute sagen, dass wir die WM bekommen, dann wäre ich bereit, jemand anderem die Austragung des letzten Spiels zu überlassen.
Wäre auch Tel Aviv als Austragungsort von Olympischen Sommerspielen denkbar? Vielleicht im Jahr 2036, also 100 Jahre nach den Spielen in Berlin?
So etwas wäre zu teuer. Wir haben gesehen, was nach 2004 mit Griechenland passiert ist. Sie haben immer noch Schulden. Ein finanziell vernünftiger Weg könnte eine »Regionale Olympiade« sein: Israel und freundlich gesinnte Nahost-Staaten. Tel Aviv müsste dann nicht alle Stadien dafür bauen, ähnlich wie bei der WM 2002 in Japan und Südkorea.
Israelische Erfolge bei Olympia halten sich in Grenzen. Könnten Sie daran etwas ändern?
Auf jeden Fall! In Tokio haben wir 2020 vier Medaillen gewonnen. Israelis sind Sieger, und ich denke, wir können bei jeden Olympischen Spielen zehn bis zwölf Medaillen gewinnen. Ich habe die Formel dafür.
Wie sieht sie aus?
So wie ich den israelischen Radrennsport unterstütze, braucht es weitere erfolgreiche und wohlhabende Menschen aus der jüdischen Welt, die einen bestimmten Sport lieben und bereit wären, seine Finanzierung sicherzustellen und diesen in Israel erfolgreich aufzubauen, also mit der besten Infrastruktur, Ausstattung und Trainerteam.
Sollte nicht auch die Regierung mehr in den Sport investieren?
Die Regierung investiert in den Sport, doch sie hat viele Prioritäten. Vielleicht ist dies eine Möglichkeit, der Politik einen Teil dieser Verantwortung abzunehmen und sie dem privaten Sektor zu übertragen, um seine Techniken zum Erfolg zu nutzen.
Wie schaffen Sie es, all diese Ereignisse nach Israel zu bringen, und warum tun Sie das?
Ich bin nicht nur Jude, sondern auch Zionist, der den Staat Israel liebt und sein wahres Gesicht zeigen möchte. Ich versuche, die Botschaft von Tikkun Olam, der Verbesserung der Welt, durch Sport und kulturelle Veranstaltungen im Ausland einem großen Publikum zu präsentieren.
Wie kommt es, dass Sie auch eine Notaufnahme im Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv finanziert und ein Kinderkrankenhaus in Holon eingerichtet haben?
Dies ist mein Beitrag, Israel und seine Gesellschaft von innen zu stärken: durch eine nachhaltige Gesundheitsversorgung und durch Bildungsmöglichkeiten, aber auch mit der richtigen Infrastruktur und besten Einrichtungen.
Sie haben auch 167 afghanische Radfahrer gerettet. Wie kamen Sie dazu?
Auch das ist ein Teil von Tikkun Olam. Als mir dieser Fall von einem Journalisten vorgelegt wurde, der einen weiteren Journalisten kannte, der eng mit den afghanischen Radfahrerinnen zusammenarbeitete, war mir klar, in welcher Gefahr sie sich befanden. Ich erkundigte mich nach Unterstützung und kam in Kontakt mit der Hilfsorganisation IsraAID. Sie fanden einen Weg, wie man nach Afghanistan kommen kann, und gemeinsam schafften wir es, 167 Menschen vor diesem grausamen und sadistischen Regime in Sicherheit zu bringen.
Haben Sie diese Menschen auch persönlich kennengelernt?
Ja, und es war wunderbar! Eine Gruppe kam nach Abu Dhabi, und eine weitere landete in Albanien, wo ich hinflog, um mich persönlich beim Premierminister für seine Zustimmung zur Aufnahme unserer Flüchtlinge zu bedanken. Ich verbrachte einen Nachmittag mit ihnen. Sie erzählten mir, dass sie wussten, dass wir aus Israel kamen, um sie zu retten. Und auch, wenn sie vorher den jüdischen Staat nicht kannten, würden sie ihn jetzt lieben.
Haben Sie Pläne, in die Politik zu gehen?
Das kann ich ganz einfach mit Nein beantworten. Vom Gefühl her kann ich viel mehr von außen bewegen als von innen. Politik ist ein zu schmutziges Spiel für mich. Da bleibe ich lieber bei meinen nachhaltigen Projekten.
Ihr Vater war ein in Rumänien geborener Holocaust-Überlebender.
Er entkam einem Zwangsarbeitslager und gelangte 1944 nach Palästina, wo er ein paar Jahre später im israelischen Unabhängigkeitskrieg kämpfte. Auch meine Mutter kam aus Rumänien und hat die Schoa überlebt. Sie kam 1947 nach Palästina, wurde aber zunächst von den Briten abgewiesen und für sechs Monate in ein Internierungslager auf Zypern geschickt. Erst mit der Gründung des Staates Israel konnte sie ins Land kommen.
Wie kamen Ihre Eltern nach Kanada?
Mein Vater sprach auch Französisch, deswegen wurde er als Schaliach für die Jewish Agency nach Nordafrika geschickt, um den Juden dort bei der Alija zu helfen. So gelangte er nach Frankreich. Mit einem Freund sprang er auf ein Boot: zwei junge Männer, die Abenteuer suchten und dabei in Kanada landeten. Den Eltern meiner Mutter war der israelische Sommer zu heiß. Daher verließen sie das Land und erreichten schließlich Kanada. Ich schließe nun den Kreis, indem ich Alija gemacht habe. Meine Frau, eine geborene Britin, habe ich in Israel kennengelernt, als wir beide als junge Volontäre im Kibbuz Chazor arbeiteten. Als ich ihr vor einigen Jahren von der Idee erzählte, nach Israel zu ziehen, war sie sofort mit dabei.
Fühlen Sie sich bereits als Israeli?
Ich werde langsam zum Israeli, was zum Beispiel das Autofahren angeht. Ich besuche Kanada sehr oft und bin dort auch gerne. Aber es fühlt sich nicht mehr wie zu Hause an. Zwar ist mein Hebräisch noch nicht perfekt, doch Israel ist meine neue Heimat.
Mit dem Philanthropen und Sportler sprach Tal Leder.