Herr Sheff, Ihr Institut hat in einer Studie syrische Schulbücher auf UNESCO-Standards hin untersucht. Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?
Das Curriculum geht mit den Inhalten der Baath-Partei konform. Es wird langfristig nach einem arabischen Staat gestrebt, der sich über Syrien, den Libanon, Jordanien, Israel und die palästinensischen Gebiete erstreckt.
Welches Israelbild wird in den Unterrichtsmaterialien vermittelt?
Das Land wird dämonisiert. Eigentlich ist nicht einmal von Israel die Rede, sondern vom »zionistischen Gebilde«. Die Schoa wird gar nicht erwähnt. Schockierend, wenn auch nicht unbedingt überraschend, ist die Häufigkeit von Antisemitismus in den Schulbüchern. Wir haben eigentlich nicht erwartet, die Figur des Shylock aus William Shakespeares »Der Kaufmann von Venedig« zu sehen oder Thesen wie »Juden kontrollieren die Medien« zu lesen. Es ist heutzutage sehr einfach, Antisemitismus mit Antizionismus zu verschmelzen. In syrischen Schulbüchern wird das gar nicht erst versucht – dieser Judenhass ist offen.
Welchen Einfluss haben Schulbücher?
In Syrien einen sehr großen. Sie müssen sich vor Augen halten, dass Schulbücher meistens die einzigen Bücher sind, die einige Kinder haben. Dessen ist sich der Staat natürlich bewusst. Die Syrer haben ein Curriculum erstellt, das die Überzeugungen der Baath-Partei aufrechterhält. Kinder sollen radikalisiert werden. Ihnen wird die Wahrheit des Bürgerkriegs verschwiegen.
Viele Kinder mussten mit ihren Familien vor dem Krieg fliehen. Welche Spuren hinterlässt das in Bezug auf ihre Bildung?
Das, was die Kinder lernen, ist sehr mächtig. Schulbücher prägen die Kinder nun einmal, und sie nehmen die Bildung mit sich. So kommt es, dass Kinder, die aus Syrien fliehen mussten, gelernt haben, dass Israel keine Existenzberechtigung hat, dass es ein fremdartiges Gebiet ist, dass man Juden nicht trauen kann, dass sie boshaft sind und für all das Grauen auf der Welt verantwortlich sind. Diese Kinder müssen unbedingt entradikalisiert werden. Und die Staaten, die Flüchtlinge aufnehmen, müssen sich diesem Thema widmen.
Wie soll das geschehen?
Antisemitismus ist eine sehr spezielle Form des Rassismus und des Hasses. Man muss also anfangen, die Kinder nach UNESCO-Standards zu unterrichten. Das heißt, dass man dem anderen, dem Fremden Respekt entgegenbringt, dass Unterschiede einen, dass Konflikte friedlich gelöst werden. Von diesen ganz allgemeinen Dingen kann man dann in die Details gehen und fragen, wer genau ist der andere, wer ist mein Nachbar, und wie sieht seine Welt aus? Das nicht zu tun, endet immer damit, dass sich Stereotype festsetzen.
Mit dem Geschäftsführer des »Institute for Monitoring Peace and Cultural Tolerance in School Education« in Jerusalem sprach Katrin Richter.