Jerusalem

Warum Gideon Sa’ar die Regierung verlässt

Der Vorsitzende der israelischen Partei »Neue Hoffnung«: Gideon Sa’ar Foto: Flash90

Es knirscht in der nach dem Ausbruch des Krieges am 7. Oktober erweiterten Koalition in Jerusalem. Am Montag gab der Abgeordnete der Oppositionspartei Neue Hoffnung, Gideon Sa’ar, seinen Rücktritt aus der Regierung bekannt. Grund sei die Weigerung von Premierminister Benjamin Netanjahu, ihn in das Kriegskabinett aufzunehmen. Er habe keinen Einfluss darauf, wie der Krieg in Gaza geführt werde, »was uns der Erreichung unserer Ziele nicht näherbringt«, kommentierte er seine Entscheidung.

Sa’ar, der zwar zum Sicherheitskabinett, aber nicht zum Kriegskabinett gehörte, sagte am Abend in einer Pressekonferenz in Tel Aviv, dass er vor einer Verlangsamung des Militäreinsatzes in Gaza gewarnt, jedoch niemand reagiert habe. »Um die militärische Macht der Hamas zu zerstören, war es notwendig, schneller zu handeln«, erläuterte er und fügte hinzu, dass die Verlangsamung der Kampagne Jerusalems Einflussmöglichkeiten, eine Einigung zur Freilassung seiner Geiseln zu erzielen, untergraben habe. Die Art und Weise, wie die Regierung den Krieg führe, stehe »im Widerspruch zum nationalen Interesse«.

Regierung habe es nicht geschafft, Kriegsziele in Gaza zu erreichen

»Dies hat auch Auswirkungen auf die Ausweitung der Zusammenstöße im Norden [Israels] und das anhaltende Leid Zehntausender Menschen, die aus ihren Häusern evakuiert wurden. Um die militärische Macht der Hamas zu zerstören, hätten wir schneller handeln müssen«, führte der ehemalige Justizminister aus. Man sei der Notstandsregierung nach dem 7. Oktober schließlich nicht beigetreten, »um Stühle zu wärmen«.

»Wir sind der Notstandsregierung nicht beigetreten, um Stühle zu wärmen.«

Gideon Sa’ar

Er versprach dennoch, auch außerhalb der Koalition, »jeden Schritt zur Erreichung der Kriegsziele zu unterstützen und in erster Linie das Wohl des Landes im Auge zu behalten.«

Sa‹ar war früher hochrangiges Mitglied des Likud, gründete jedoch nach einem Zerwürfnis mit Netanjahu seine eigene Partei. Der Schritt, die Regierung zu verlassen, kam zwei Wochen nach der Auflösung des Wahlbündnisses zwischen der Neuen Hoffnung und Gantz‹ Nationaler Einheit. Dieses hatte er mit Gantz vor der letzten Parlamentswahl im Jahr 2022 gegründet.

Mit dem Ausscheiden der Neuen Hoffnung, die vier der 120 Sitze zählenden Knesset hat, schrumpft die derzeitige Koalition auf 72 Sitze. Ihr Bestand ist damit nicht unmittelbar gefährdet, doch es könnte sein, dass Sa’ars Rücktritt bei den Kriegsministern Benny Gantz und Gadi Eizenkot weitere Zweifel an der Bedeutung ihrer Zugehörigkeit zu der rechtesten und religiösesten Koalition in Israel aller Zeiten aufkommen lässt.

Auch Benny Gantz droht mit Verlassen der Regierung

Benny Gantz hatte am Sonntag betont, er werde nicht weiter in der Regierung sein können, wenn ein äußerst umstrittener Gesetzesentwurf angenommen wird, der de facto die Befreiung aller ultraorthodoxen Männer vom Wehrdienst besiegelt. Das Kriegskabinett besteht aus Netanjahu, Gantz und Verteidigungsminister Yoav Gallant, die Entscheidungsgewalt haben. Eizenkot und einige andere gehören als Beobachter dazu.

Wiederholt hatte auch der rechtsextreme Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir von der Partei Otzma Jehudit, gefordert, in das Kriegskabinett aufgenommen zu werden, um miteinscheiden zu können. Gantz und Eizenkot hatten jedoch klargemacht, dass sie die Koalition umgehend verlassen würden, wenn das geschehe.

Nahost

Katz fordert Plan für Hamas-Niederlage

Sollten die Geiseln nicht bis zum 20. Januar freigelassen werden, will der israelische Verteidigungsminister eine komplette Zerschlagung der Terrorgruppe

 10.01.2025

Nachruf

Eine unabhängige Beobachterin mit Herzensbildung

WELT-Chefredakteur Jan Philipp Burgard nimmt Abschied von Israel-Korrespondentin Christine Kensche

von Jan Philipp Burgard  10.01.2025

Israel

Armee erklärt Hamas-Geisel Hamza Ziyadna (23) für tot

Erst am Mittwoch wurde die Leiche seines Vaters im Gazastreifen geborgen

 10.01.2025

Nahost

Biden: Hamas steht einer Vereinbarung im Weg

Dennoch glaubt der scheidende US-Präsident daran, dass ein Abkommen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln der Hamas noch vor dem Ende seiner Amtszeit erlangt werden kann

 10.01.2025

Libanon

Ist die Wahl Joseph Aouns ein Zeichen der Hoffnung?

Es hat mehr als zwei Jahre und mehr als ein Dutzend Versuche gebraucht. Nun hat der Libanon endlich wieder einen Präsidenten. Kommt nun der lang erhoffte Neustart?

von Amira Rajab  09.01.2025

Nahost

Iranischer General: »Wir haben schweren Schlag erlitten«

Zum ersten Mal gibt ein hochrangiger Offizieller aus Teheran zu, dass der Fall von Bashar al-Assad das Regime geschwächt hat

von Sabine Brandes  09.01.2025

Polen

Duda würde Netanjahu nicht verhaften lassen

Am 27. Januar jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 80. Mal. Kommt der israelische Ministerpräsident trotz eines Haftbefehls gegen ihn?

 09.01.2025

München

Bayern-Torwart Peretz fällt vor Gladbach-Spiel mit schmerzhafter Nierenquetschung aus

Droht den Bayern beim Gladbach-Spiel ein Torwartproblem? Zuletzt fehlte Manuel Neuer, jetzt ist auch noch dessen Vertreter verletzt

 09.01.2025

Auszeichnung

Israelischer Präsident ehrt SPD-Politikerin Brigitte Zypries

Für ihren Einsatz für die deutsch-israelischen Beziehungen und gegen Antisemitismus ist SPD-Politikerin Brigitte Zypries mit der Ehrenmedaille des israelischen Präsidenten ausgezeichnet worden

 09.01.2025