Die Hamas im Gazastreifen hat nach Angaben aus Kreisen der palästinensischen Terrororganisation schriftlich einem Abkommen zugestimmt, das eine Waffenruhe und die Freilassung weiterer Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge vorsieht. Das bestätigen laut »Times of Israel« auch israelische Offizielle.
Die Zustimmung wurde demnach bei den Vermittlern in Katar hinterlegt. Dies sei geschehen, nachdem Israel – wie gefordert – Pläne für den Abzug seiner Truppen vorgelegt habe, hieß es aus Kreisen der Hamas in Katar. Alle palästinensischen Fraktionen haben demnach den Vorschlag akzeptiert.
Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani teilte nach Gesprächen in Doha mit, dass die Waffenruhe am Sonntag in Kraft treten und in einer ersten Phase 42 Tage dauern soll.
Die zwischen Israel und der Hamas vereinbarte Waffenruhe soll nach Darstellung des Vermittlers Katar am Sonntagmittag um 12.15 Uhr (11.15 Uhr MEZ) im Gazastreifen in Kraft treten. Darauf hätten sich die beiden Konfliktparteien geeinigt, sagte der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Madschid al-Ansari, dem Nachrichtensender Al Jazeera.
Auch der künftige US-Präsident Donald Trump bestätigte auf der Plattform »Truth Social« die Einigung zwischen Hamas und Israel. »Wir haben einen Deal für die Geiseln im Nahen Osten. Sie werden in Kürze freigelassen«, schrieb Trump.
Der scheidende US-Präsident Joe Biden führt die Einigung Israels mit der islamistischen Hamas auf eine Waffenruhe maßgeblich auf seinen Einsatz und den seiner Regierung zurück. »Ich möchte anmerken, dass dieses Abkommen unter meiner Regierung ausgearbeitet und ausgehandelt wurde«, sagte Biden in einer kurzfristig anberaumten Rede im Weißen Haus.
Die Bedingungen des Deals würden aber größtenteils von der kommenden Regierung unter dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump umgesetzt, fügte er hinzu. »In den vergangenen Tagen haben wir als ein Team gesprochen«, betonte Biden. Daher habe er seine Mitarbeiter angewiesen, sich eng mit Trumps Team abzustimmen. »Denn das ist es, was amerikanische Präsidenten tun.«
Es ist die erste Vereinbarung dieser Art seit einer Feuerpause vor mehr als einem Jahr. Damit kann auch die Zivilbevölkerung des weiträumig zerstörten Küstenstreifens auf eine Linderung ihrer Not hoffen. »Wir rufen heute zur Ruhe auf bis zur Umsetzung«, sagte Al Thani.
Auch Israels Unterhändler haben dem Plan bereits zugestimmt. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Nachmittag aber zunächst noch mitgeteilt, dass die Hamas bislang keine Antwort gegeben habe.
Laut »Times of Israel« habe das Büro des Premierministers mitgeteilt, dass es noch »eine Reihe von Klauseln« gebe, über die noch endgültig Einigung erzielt werden müsse. Man hoffe aber, dass »die Einzelheiten heute Abend endgültig festgelegt werden«, so das Büro des Premierministers.
Das Abkommen braucht noch die Zustimmung des israelischen Sicherheitskabinetts und der israelischen Regierung. Israelischen Medien zufolge soll es um 11.00 Uhr Ortszeit (10.00 Uhr/MEZ) am Donnerstag zusammentreten, um dem Deal zuzustimmen. Unmittelbar danach soll auch die Regierung zusammenkommen.
Außenminister Gideon Saar brach dafür nach Angaben seines Büros seine Europareise ab, um an den Abstimmungen teilzunehmen. Rechtsextreme Koalitionspartner des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu hatten zuvor gedroht, sie würden im Falle einer Waffenruhe die Regierung verlassen.
Hamas erklärt Deal zum Triumph über Israel
Der Vizechef der Hamas hat unterdessen das Abkommen als Triumph über Israel dargestellt. Es handle sich um einen »historischen Moment«, sagte der stellvertretende Chef des Hamas-Politbüros, Chalil al-Haja nach Verkündung des Abkommens.
»Unser Volk hat die erklärten und verborgenen Ziele der Besatzung vereitelt. Wir beweisen heute, dass die Besatzung unser Volk und seinen Widerstand niemals besiegen wird«, so al-Haja weiter.
Die Massaker an Israelis vom 7. Oktober 2023 bezeichnete er als Wendepunkt in der Geschichte der palästinensischen Sache, bei denen Israel ins Mark getroffen worden sei. Die Hamas werde sich weiterhin daran ausrichten, Jerusalem und die Al-Aksa-Moschee Israel zu entreißen, sagte al-Haja. Er fügte hinzu: »Unser Feind wird von uns niemals einen Moment der Schwäche sehen.«
Reaktionen auf die Einigung zwischen Israel und Hamas
Israels Präsident Isaac Herzog rief das Sicherheitskabinett und die Regierung auf, den Deal anzunehmen. »Für hunderte von Tagen wurden unsere Schwestern und Brüder von niederträchtigen Mördern festgehalten und gequält - nachdem der Staat Israel seine Pflicht verletzt hat«, sagte Herzog. »Er hat sie nicht beschützt und ihre Entführung nicht verhindert.«
Die Waffenruhe-Vereinbarung sei »der richtige Schritt«. Man müsse die israelischen Bürger zurückbringen - »damit sie sich zu Hause erholen können, oder beigesetzt werden«. Gleichzeitig sagte Herzog, der Deal werde »zutiefst schmerzhafte, herausfordernde und erschütternde Momente mit sich bringen«.
Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, brachen die Menschen im Gazastreifen nach der Verkündung der Waffenruhe öffentlich in Jubel aus. AFP-Journalisten beobachteten Menschen, »die sich in Gruppen versammeln, sich umarmen und mit ihren Mobiltelefonen Fotos machen, um die Ankündigung zu verewigen«.
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, die Einigung auf eine Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Hamas im Gazastreifen sei eine Chance auf ein dauerhaftes Kriegsende. »Es ist gut, dass eine Einigung über einen Waffenstillstand und die Freilassung von Geiseln – auch deutschen – in Gaza erreicht scheint! Jetzt muss die Einigung konsequent umgesetzt werden«, schrieb Scholz auf der Plattform X.
Alle Geiseln müssten nun freigelassen werden und die sterblichen Überreste toter Geiseln den Familien für einen würdevollen Abschied übergeben werden. »Der Waffenstillstand bietet die Chance für ein dauerhaftes Kriegsende und die Verbesserung der schlechten humanitären Lage im Gazastreifen. Dafür setzen wir uns weiter ein«, schrieb der SPD-Politiker.
Die EU-Kommissarin für das Mittelmeer, Dubravka Suica, schrieb auf X: »Ich begrüße das Waffenstillstandsabkommen und den Geiseldeal zwischen Israel und der Hamas, die den Opfern des verheerenden Konflikts die dringend benötigte Hilfe bringen werden.«
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Vereinbarung sehr. »Das bringt Hoffnung für eine ganze Region, in der die Menschen schon viel zu lange unermessliches Leid ertragen haben«, schrieb von der Leyen auf der Plattform X. Sie forderte Israel und die Hamas auf, das Abkommen vollständig umsetzen.
Auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte, es sei nun an der Zeit, das Abkommen für alle Geiseln und ihre Familien, die Menschen in Gaza und die Menschen in der Region umzusetzen. Auf der Plattform X schrieb sie von einem »wichtigen, positiven Durchbruch« auf dem Weg zur Beendigung der Gewalt.
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sprach auf X von einem möglichen Wendepunkt für nachhaltigen Frieden. Der Plan könne eine Welle der Hilfe auslösen und ein Katalysator sein, der Verzweiflung in Hoffnung verwandelt.
Der israelische Gesundheitsminister Uriel Busso von der Shas-Partei veröffentlichte auf X eine Fotomontage der Geiseln mit der Botschaft: »Das Gesundheitssystem ist bereit und wartet auf Sie.«
Verhandlungen machten monatelang keinen Fortschritt
Bereits seit Monaten liefen Bemühungen der USA, Ägyptens und Katars, durch indirekte Verhandlungen Israel zu einer Waffenruhe und die Hamas zur Freilassung israelischer Geiseln zu bewegen. Die Gespräche traten aber monatelang auf der Stelle. dpa/ja