Israel will sich auch durch wachsenden Druck seines engsten Verbündeten USA nicht von seinem Kriegskurs im Gazastreifen abbringen lassen. »Wenn wir für uns alleine stehen müssen, dann werden wir für uns alleine stehen«, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in einer Videobotschaft.
Armeesprecher Daniel Hagari sagte, man verfüge über genügend Waffen und Munition, um den Einsatz in der Stadt Rafah fortzusetzen. Die US-Regierung hatte gedroht, Waffenlieferungen im Falle einer großangelegten Invasion in der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt einzuschränken.
Nun appellierte sie erneut an Israel, von einer umfassenden Bodenoffensive in der an Ägypten grenzenden Stadt im Süden Gazas abzusehen und so auch eine Beschränkung amerikanischer Waffenlieferungen abzuwenden.
Palästina bei der UNO
Seit den Massakern vom 7. Oktober, bei denen palästinensische Terroristen 1200 Menschen in Israel ermordete, 250 verschleppten und viele vergewaltigten, verbrannten oder anderweitig folterten, kämpft Israel erneut gegen die Hamas. Es geht um die Sicherheit der israelischen Bevölkerung. Die Terroristen haben bereits weitere Massaker angekündigt.
Die Vollversammlung der Vereinten Nationen soll unterdessen heute über eine Stärkung der Rechte der Palästinenser innerhalb des größten UN-Gremiums abstimmen. Der Resolutionsentwurf räumt dem bisherigen Beobachterstaat Palästina eine aktive Teilnahme an den Sitzungen der Vollversammlung ein, gibt ihm aber kein reguläres Stimmrecht.
Die Palästinenser wollen sich mit der Beschlussvorlage gleichzeitig weltweiten Rückhalt für eine UN-Vollmitgliedschaft sichern. Vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges handelt es sich bei dem Vorstoß in der UN-Vollversammlung mit ihren 193 Mitgliedstaaten in New York auch um ein internationales Stimmungsbild zum Nahostkonflikt.
Schlag gegen Hisbollah
Diplomaten gehen davon aus, dass die Resolution die notwendige Mehrheit von zwei Dritteln aller abgegebenen Stimmen locker erreicht - und das Ergebnis auch internationale Rückendeckung für die Palästinenser angesichts der jüngsten Eskalation im Nahostkonflikt widerspiegeln dürfte.
Derweil hat das israelische Militär nach wiederholten Drohnenangriffen auf den Norden Israels nach eigenen Angaben Stellungen der proiranischen Terrororganisation Hisbollah im Süden des Libanon attackiert. Wie die israelische Armee in der Nacht zum Freitag mitteilte, griffen Kampfflugzeuge dort militärische Gebäude und die terroristische Infrastruktur an.
Währenddessen dauert Israels Einsatz in Rafah an. Seit Beginn des Vormarsches im östlichen Teil der Stadt in der Nacht zum Dienstag seien etwa 50 bewaffnete Männer von Israels Truppen getötet worden, berichtete die »Times of Israel«. Das Militär bestätigte den Bericht.
Wütende Reaktionen
Nach Armee-Schätzungen wurden etwa 150.000 Menschen aus dem Ostteil Rafahs evakuiert. Der Einsatz in Rafah zielt nach Angaben Netanjahus darauf ab, die verbliebenen Geiseln zu befreien und die letzten Bataillone der Hamas in der Stadt zu zerschlagen.
In Rafah sollen sich noch mehr als eine Million Binnenflüchtlinge aufhalten. Israelische Zeitungen berichteten indessen, dass die Armee angesichts der laufenden Geisel-Verhandlungen derzeit nicht vorhabe, den Aufruf zur Evakuierung auf andere Gebiete von Rafah auszuweiten.
Die in Kairo laufenden indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und eine Freilassung von Geiseln wurden am Donnerstag unterbrochen. Die Zeitung »New York Times« sprach von einem Rückschlag, nachdem es zuletzt Anzeichen für eine mögliche baldige Einigung gegeben habe. Nach Aussagen eines Beamten soll es unter Teilnehmern der Gespräche wütende Reaktionen auf den Vorstoß der israelischen Armee in Rafah gegeben haben.
Temporärer Hafen
Gleichwohl gingen die Unterhändler davon aus, dass weder die islamistische Hamas noch Israel die über die Vermittler Ägypten, Katar und die USA laufenden Verhandlungen abbrechen werden. Auch nach Angaben der US-Regierung gehen die Gespräche weiter. Der Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, William Burns, sei zwar abgereist. Das sei jedoch so geplant gewesen. Auch das Team der Hamas verließ Kairo nach eigenen Angaben Richtung Katar.
Derweil hat das US-Militär den Bau eines temporären Hafens zur Lieferung von Hilfsgütern vor der Küste des Gazastreifens nach eigenen Angaben fast abgeschlossen. Eine schwimmende Anlegestelle und ein weiterer Damm seien fertiggestellt worden, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder, am Donnerstag. Beide Teile würden »in naher Zukunft« in Stellung gebracht, sofern die Sicherheitslage und das Wetter es zuließen.
Ein US-Frachter mit Hunderten Tonnen Hilfsgütern war zuvor aus dem Hafen von Larnaka auf Zypern ausgelaufen. Laut Ryder soll die Fracht nahe der israelischen Hafenstadt Aschdod auf ein anderes Schiff verladen und mit diesem zum schwimmenden Pier gebracht werden, sobald der in Betrieb sei.
Anschlag auf UNRWA-Gelände?
Derweil sollen israelische Bewohner von Ost-Jerusalem am Donnerstagabend nach UN-Angaben zweimal Feuer auf dem Gelände des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) gelegt haben. Diese Angaben konnten nicht unabhängig bestätigt werden.
»Angesichts dieses zweiten entsetzlichen Vorfalls in weniger als einer Woche habe ich beschlossen, unser Gelände zu schließen, bis die Sicherheit wiederhergestellt ist«, schrieb der Chef des UN-Hilfswerks, Philippe Lazzarini, auf der Online-Plattform X.
Es sei niemand verletzt worden, das Feuer habe aber erhebliche Schäden im Außenbereich verursacht. Es habe eine Weile gedauert, bis die israelische Feuerwehr eingetroffen sei. Lazzarini bezeichnete den Vorfall als »ungeheuerliche Entwicklung«.
Terroristen bei UNRWA
Die israelische Regierung kritisiert das UN-Palästinenserhilfswerk seit geraumer Zeit scharf und wirft ihm vor, im Gazastreifen von der Hamas unterwandert zu sein. Im Januar geriet UNRWA in die Schlagzeilen, weil laut Israel mehr als 30 Mitarbeiter direkt an den Massakern der Hamas vom 7. Oktober beteiligt waren.
Ein Untersuchungsbericht unabhängiger Experten kam kürzlich zum Schluss, das Hilfswerk habe eine Reihe »robuster« Mechanismen etabliert, um die Wahrung des Neutralitätsgrundsatzes zu gewährleisten. Allerdings gebe es Verbesserungsbedarf. dpa/ja