Frau Klöckner, Israel wird vorgeworfen, die Lieferung humanitärer Hilfsgüter für die Menschen im Gazastreifen zu behindern. Sie haben sich jetzt vor Ort ein eigenes Bild verschafft. Halten Sie die Kritik für berechtigt?
Ich habe anderes erlebt. Täglich treffen rund 250 Lkws mit Lebens-, Genuss- und Hygienemitteln, Medizin, Bekleidung sowie Einrichtungsgegenständen an der Grenze ein, um in den Gazastreifen zu gelangen. Diese Trucks, die aus Ägypten kommen und meist von Palästinensern gefahren werden, werden aus Sicherheitsgründen einzeln von den Israelis gescannt und durchleuchtet, denn immer wieder werden Waffen, Sprengstoff und gefährliche Flüssigkeiten gefunden, die zwischen den Gütern versteckt sind. Israel limitiert die Lkws nicht, das Nadelöhr ist die UN, sie kann täglich maximal 100 Transporte zum Verteilen abfertigen. Das israelische Grenzpersonal selbst könnte wesentlich mehr Lkws abfertigen und über die Grenze lassen, es stehen jedoch zu wenige Fahrer der Palästinenser zur Verfügung. Zur humanitären Lage im Gaza: Jedes Opfer ist eines zu viel, und das Leid der Palästinenser wird auch offen angesprochen – übrigens auch und gerade auf israelischer Seite. Israel kommt seiner völkerrechtlichen Verpflichtung nach und liefert nach Gaza. Das Problem ist die Verteilung vor Ort und nicht die Lieferkapazität.
Nach schweren Vorwürfen gegen die UNRWA fordert Israel die Auflösung des Palästinenserhilfswerkes, die Bundesregierung nimmt hingegen nun wieder die finanzielle Förderung auf. Ist das richtig?
Ich halte das für falsch. Die UN ist nicht satisfaktionsfähig. Neuestes Beispiel: Saudi-Arabien hat jetzt den Vorsitz im Frauen-Ausschuss der UN übernommen. Saudi-Arabien! Nicht erst seit dem barbarischen Massaker vom 7. Oktober ist bekannt, dass in Schulen und Einrichtungen der UN-Organisation in Gaza seit Jahren blinder Hass und die Vernichtung der Juden propagiert werden. Schon Kinder werden dort einer Gehirnwäsche unterzogen, damit sie Juden hassen lernen oder gar töten. UNRWA zeigt sich anti-israelisch und antisemitisch, die Organisation ist eng mit der palästinensischen Terrororganisation Hamas verstrickt. Die Außenministerin muss garantieren, dass keine deutschen Steuergelder an Organisationen fließen, die Hass, Terror und die Vernichtung von Juden propagieren. Hilfe für die Palästinenser muss mit moderaten arabischen Partnern wie Ägypten, Jordanien und anderen neu organisiert werden.
Sie waren in der vergangenen Woche vier Tage lang in Israel. Welchen Eindruck hatten Sie vom Land?
Das Land ist traumatisiert, der 7. Oktober ist kein Datum in der Vergangenheit, sondern jeden Tag präsent. Israel befindet sich im Krieg gegen eine Terrororganisation, die seit über 170 Tagen israelische Geiseln, selbst Babys, gefangen hält. Nach sechs Monaten Krieg feuern die Terroristen immer noch Raketen auf Israel. Und die Gelder, die über all die Jahre seit dem israelischen Rückzug geflossen sind, wurden mehrheitlich zweckentfremdet. Die Hamas kündigt bis heute an, dass sie weitere solcher »7. Oktober« durchführen will. Das Land ist in Alarmbereitschaft, Israelis im Norden sind evakuiert, viele Reservisten sind an der Waffe statt am ursprünglichen Arbeitsplatz. Das hat auch Auswirkungen auf die Wirtschaftslage. Innenpolitisch herrscht nach wie vor Unruhe. Andererseits jedoch besteht gemeinsame Klarheit, dass die Hamas besiegt und die Geiseln befreit werden müssen.
Die Bundesregierung kritisiert zunehmend Israels Maßnahmen im Krieg gegen den Terror. Ist diese »neue Härte«, wie es Medien formulieren, angebracht?
An vielen Fronten muss das Land seine Freiheit und sein Existenzrecht verteidigen. Das Massaker der radikal-islamistischen Terrororganisation auf israelischem Boden war eine Zäsur, an Grausamkeit nicht zu überbieten, das Blutbad und Quälen von Menschen, weil sie Israelis sind, führt natürlich zu einer Reaktion Israels. Denn die Hamas wird mit diesem Grauen nicht aufhören und immer wieder angreifen, sie nimmt selbst die eigene Bevölkerung als Puffer, um abtauchen zu können. Das ist perfide. Klar ist: Nach einem solchen grausamen Morden, dem schlimmsten nach dem Holocaust, hat Israel das Recht, sich zu wehren. Die Täter-Opfer-Umkehr, die jetzt vielfach zu hören ist, blendet die Hamas-Attacke und die Ursache aus. Zugleich ist es wichtig, dass Hilfsgüter in Gaza ankommen, wir haben uns deshalb auch über die Logistik und die regelmäßigen Transporte informiert und mit den Organisatoren gesprochen. Es kann nicht bestritten werden, dass die israelische Regierung Zivilisten in Gaza zu schützen versucht, um möglichst nur die Terroristen zu treffen. Seit Beginn der Angriffe wurden Evakuierungen vorgenommen und im Vorfeld Warnungen an die Bevölkerung ausgesprochen. Umgekehrt ist so etwas vonseiten Gazas nicht bekannt. Im Gegenteil, Menschen wurden in ihren eigenen vier Wänden bestialisch ermordet. Es handelt sich um das größte Massaker an Juden seit dem Holocaust.
Steht die Bundesrepublik weiterhin uneingeschränkt an Israels Seite?
Ich kann nicht für die ganze Bundesrepublik sprechen. Ich habe aber keinen Grund daran zu zweifeln, dass sich die Bundesregierung und wir als Opposition einig sind. Für uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion kann ich sehr klar sagen: Das Existenzrecht Israels und das Recht, dies zu verteidigen, gilt. Deutschland hat aus seiner Geschichte heraus eine besondere Verantwortung für Israel und Menschen jüdischen Glaubens.
Das Interview mit der wirtschaftspolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion führte Detlef David Kauschke