Millionen von Menschen in Israel gedenken an diesem Tag ihrer gefallenen Söhne, Töchter, Väter, Brüder, Freunde sowie den Terroropfern der vergangenen 65 Jahre. Mit der Sirene am Sonntagabend begannen die offiziellen Zeremonien des nationalen Gedenktages. Montag schrillte der Ton zwei Minuten lang durch das ganze Land und ließ alles stillstehen. Am Jom Hasikaron heften sich die Israelis das Trauerflor ans Revers und ehren ihre 23.085 seit dem Unabhängigkeitskrieg von 1947 bis 1948 getöteten Landsleute.
Zeremonien für die Gefallenen finden in fast jeder Stadt, jedem Dorf und Kibbuz statt. Keine Gemeinde, die an diesem Tag nicht trauert. In Ramat Hascharon, einer Stadt nördlich von Tel Aviv, trafen sich am Abend Hunderte an der zentralen Gedenkstätte Jad Lebanim und lasen die Namen ihrer Angehörigen vor. Es dauerte Stunden. Der letzte Name war erst vor wenigen Wochen hinzugefügt worden: Noam Ron. Der Familienvater war im März bei einem Trainingsflug der Armee mit seinem Helikopter abgestürzt.
Netanjahu Am Sonntag hatte sich Premierminister Benjamin Netanjahu an die Hinterbliebenen gewandt: »Wir erinnern uns, wir weinen, und es schmerzt. Jede Familie hat ihre eigene Trauer, und diese Trauer schweißt unsere ganze Nation zusammen. Der Schmerz sitzt tief. Darüber, dass das Leben zu früh beendet wude und dass alles, was wir nun noch haben, dieser Gedenktag ist.«
Netanjahus Familie selbst kennt den Schmerz des Verlustes genau. Der Bruder des Premierministers, Joni Netanjahu, wurde 1976 bei der Befreiungsaktion der israelischen Geiseln in Entebbe getötet. »Es gibt keine echte Erleichterung«, so der Regierungschef weiter, »doch etwas macht die Trauer erträglicher: Dass dank unserer Gefallenen der Staat Israel gegründet wurde und wir hier leben. Für immer.«
Peres Staatspräsident Schimon Peres fand an der Klagemauer sehr persönliche Worte, in denen er sich mit den Angehörigen der Opfer identifizierte: »In ein, zwei Tagen werden die Flaggen wieder gefaltet und weggeräumt. Die Trompeten werden ihr gewöhnliches Spiel aufnehmen und Israel zur gewohnten Routine zurückkehren. Doch eure Routine ist nicht wie die unsere. Ihr wacht am Morgen auf, und von einem Moment auf den nächsten ist das Lächeln, dass euch all die Jahre begleitet hat, verschwunden. Ihr setzt euch zum Frühstück, doch der Stuhl daneben bleibt leer. Es ist der Sohn, der nicht mehr aufwacht, die Tochter, die nie mehr kommt.«
»Wir werden nicht für einen Moment vergessen«, betonte Peres. »Und für immer an jene denken, denen wir das Überleben Israels verdanken.« Die Zeremonien für die Gefallenen dauern noch bis zum Sonnenuntergang an.
Dann weicht die Trauer der Freude. Seit Tagen bereits sind im ganzen Land die Flaggen gehisst, Straßen, Balkone und Haustüren mit blau-weißen Wimpeln und Davidsternen geschmückt. Die Israelis feiern den 65. Geburtstag ihres Staates. Passend dazu gab das Zentrale Statistikbüro am Sonntag bekannt, dass die Einwohnerzahl die Acht-Millionen-Grenze überschritten hat. 8.018.000 Menschen leben an diesem Tag in Israel. Ein Grund mehr zum Feiern. Zum Jom Haazmaut, dem Unabhängigkeitstag, legen die Menschen die Trauerflore in die Ecke und freuen sich des Lebens.