Wer an diesem Donnerstag im Zentrum Israels in sein Auto stieg und den Navigationsdienst Waze anschaltete, fand sich im Libanon wieder oder fuhr durch den Sinai – zumindest virtuell. Die Störung der GPS-Dienste kommt wenige Tage nach der Tötung des Spitzengenerals der Quds-Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden in Syrien, Mohammad Reza Zahedi, und anderer, was der Iran Israel zugeschrieben hat. Jerusalem hat keine Verantwortung übernommen, doch Teheran schwört Rache – und das israelische Verteidigungsministerium ist in höchster Alarmbereitschaft.
Zwar kommentierte die israelische Armee IDF die Störung der GPS-Dienste nicht, doch im Norden des Landes sind falsche Angaben in Waze und Co. seit Monaten Alltag wegen des Konflikts zwischen Israel und der Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon. Es scheint, als wurden die Störbemühungen jetzt auch auf den zentralen Teil des Landes ausgeweitet.
Sorge vor Unruhen beim letzten Freitagsgebet im Ramadan
Am späten Mittwoch hielt das Kriegskabinett eine Sitzung ab, um die unmittelbaren Bedrohungen von Israels Sicherheit im In- und Ausland zu besprechen. Die IDF gab an, Reservisten für die Luftabwehr einberufen zu haben. Die israelischen Sicherheitskräfte sind zudem in Sorge, dass es während der letzten Freitagsgebete des muslimischen Fastenmonats Ramadan zu Ausschreitungen in Jerusalem kommen könnte.
Die Drohungen kommen von allen Seiten: Irans oberster Führer Ali Khamenei twitterte auf Hebräisch, die »Zionisten werden ihr aggressives Verbrechen bereuen«. Der Anführer der mit dem Iran verbündeten Hisbollah, Hassan Nasrallah, stimmte ein, und auch die Houthis im Jemen bedrohen Israel. Sogar im Irak tönen schiitische Milizen, dass »der Dschihad der einzige Weg des Widerstandes« sei.
»Wir müssen auf jedes Szenario, jede Bedrohung vorbereitet sein und bereit für nahe Feinde und weit entfernte Feinde.«
Angesichts der Bedrohungen aus dem gesamten Nahen Osten sei »die militärische Bereitschaft erhöht«, sagte Verteidigungsminister Yoav Gallant. Urlaube wurden in allen Kampfeinheiten zeitweilig gestoppt. »Wir müssen auf jedes Szenario und jede Bedrohung vorbereitet sein und bereit für nahe Feinde und weit entfernte Feinde.« Israel wisse, wie man seine Bürger schützen und Feinde angreifen kann. Gallant warnte die Hisbollah eindringlich, dass ein Krieg zwar eine Herausforderung für Israel, aber katastrophal für die Terrororganisation und den gesamten Libanon wäre.
Am Dienstag hatten syrische Staatsmedien berichtet, dass ein Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus stattgefunden habe. Das Gebäude sei völlig eingestürzt, dabei seien sieben Mitglieder der Eliteeinheit »Quds« der Revolutionsgarden getötet worden. Neben Zahedi starben auch sein Stellvertreter Mohammad Hadi Rahimi und der Leiter der Revolutionsgarden im Libanon, Hussein Amir Allah.
Israel jedoch behauptet, berichtet die Tageszeitung Haaretz am Donnerstag, dass der Iran kein Konsulat in Damaskus habe und es somit kein diplomatisches Gebäude gewesen sein könne. Außerdem seien alle Getöteten Angehörige der Revolutionsgarden, Hisbollah oder von syrischen Milizen bekannte Terroristen und keine Diplomaten oder Zivilisten. Die Behauptung Irans über den diplomatischen Status des Gebäudes ziele darauf ab, auf internationaler Ebene den Grundstein zu legen, dass ein Beschuss des Gebäudes einem Angriff auf iranischem Boden gleichkommt.
Sicherheitsmaßnahmen für alle Botschaften erhöht
Für einen Racheangriff des Irans gibt es verschiedene Szenarien: So könnten israelische Botschaften in der ganzen Welt ins Visier genommen werden. Das Außenministerium in Jerusalem hatte am Dienstag erklärt, dass es die Sicherheitsmaßnahmen für alle Vertretungen erhöht. Auch jüdische Einrichtungen könnten angegriffen werden.
Teheran könnte sogar einen direkten Angriff aus dem Iran auf israelische Ziele durch Drohnen oder Langstreckenraketen starten. Dies würde mit Sicherheit eine harsche Vergeltung Israels nach sich ziehen und könnte die gesamte Nahost-Region in Brand stecken. »Doch es würde mich nicht überraschen, wenn der Iran tatsächlich direkt auf Israel feuert«, meint Amos Yadlin, der einstige israelische Chef des Militärgeheimdienstes.
Weiterhin ist es möglich, dass koordinierte Raketenangriffe von iranischen Truppen in Syrien und von der Hisbollah im Libanon gegen Israel durchgeführt werden. Israel und die Hisbollah liefern sich bereits seit dem 8. Oktober andauernde Gefechte, die bislang jedoch nicht zu einem umfassenden Krieg führten. Das aber könnte sich bei erweiterten Angriffen auf israelische Ortschaften oder Einrichtungen schlagartig ändern.