Politiker aller Couleur in Israel gratulieren dem neu gewählten demokratischen Präsidenten Joe Biden und der angehenden Vizepräsidentin Kamala Harris.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Likud) wartete zwölf Stunden, bis er auf die Nachrichten aus Washington reagierte. Dann betonte er die »warme und persönliche Beziehung« zwischen ihm und Biden und nannte ihn einen »großartigen Freund Israels«.
MEHRHEIT Netanjahu und (noch) US-Präsident Donald Trump gelten als sehr eng verbunden und persönlich befreundet. Der israelische Ministerpräsident bezeichnete den Republikaner stets als »historischen Pro-Israel-US-Präsidenten«. Niemand habe so viel für das Land getan wie er. Auch die Mehrheit der Israelis hatte sich vor der Wahl für Trump ausgesprochen. In Umfragen stellten sich rund 70 Prozent hinter ihn.
Kurz nach seinem Gratulations-Tweet an Biden dankte Netanjahu Trump: »für die Freundschaft, die Sie dem Staat Israel und mir persönlich entgegengebracht haben. Dafür, dass Sie Jerusalem und den Golan anerkannt, sich gegen den Iran gestellt haben und die historischen Friedensabkommen«.
TUMULTE Am Samstag war das Rennen in den USA nach Tagen der Ungewissheit und Anspannung entschieden worden. Damit geht die vierjährige Amtszeit von Trump, die oft von Tumulten und umstrittenen Maßnahmen geprägt war und die US-amerikanische Bevölkerung spaltete, zu Ende. Biden versprach in seiner Rede an die Nation, das Land einen und verstärkt gegen die Corona-Pandemie kämpfen zu wollen.
»Die strategische Allianz zwischen den Ländern und Völkern ist tief in unseren gemeinsamen Werten verwurzelt.«
Präsident Reuven Rivlin
Auch der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin sandte einen Segen an Biden: »als langjähriger Freund Israels sind Sie nun der Anführer der freien Welt und der engste und wichtigste Verbündete unseres Landes«. Die strategische Allianz zwischen den beiden Ländern und Völkern sei stärker als jegliche politische Führung und basiere nicht nur auf Freundschaft allein. »Sie ist tief in unseren gemeinsamen Werten verwurzelt sowie der Verpflichtung für Freiheit und Demokratie als Grundfeste unserer Gesellschaften einzustehen.«
BEITRÄGE Politiker verschiedener israelischer Parteien schickten ebenfalls Glückwünsche. Nir Barkat vom Likud ist überzeugt, dass »unter der mutigen Führung von Joe Biden die positive Beziehung zwischen den beiden Ländern weitergehen wird«. Auch er dankte dem ausgehenden Trump für die »unglaublichen Beiträge zugunsten Israels«.
Der Vorsitzende der Linkspartei Meretz indes hält nichts von Trumps Politik. »Nach vier Jahren des bösen Geistes, der Lügen und Gangsterei ist jetzt die Zeit für eine ehrliche und anständige Führung gekommen«, schrieb Nitzan Horowitz auf Twitter.
Die politische Führung in Ramallah gibt sich derweil nüchtern. Während man keine großen Hoffnungen durch Biden habe, sei der Verlust von Trump eine Möglichkeit für die Palästinensische Autonomiebehörde aufzuatmen. Man müsse abwarten und sehen, wohin diese Entwicklungen führten, wird ein Vertreter von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas in israelischen Medien zitiert.
DEMONSTRATIONEN Die Wahl in den USA war auch ein Thema bei den Anti-Netanjahu-Demonstrationen, die nach dem Ausgang des Schabbats wieder an verschiedenen Orten im ganzen Land stattgefunden haben.
Seit Wochen gehen viele Israelis jede Woche auf die Straßen, um ihrem Unmut gegen die Korruption in der Regierung und den Umgang mit der Pandemie Luft zu machen. In Jerusalem demonstrierten nach Angaben von Sicherheitskräften rund 3000 Menschen.
Vor dem US-Konsulat in Tel Aviv kamen mehrere Hundert Demonstranten zusammen. Viele Netanjahu-Gegner hatten Israel-Flaggen dabei und skandierten: Trump ist weg – und Bibi ist der nächste«.