Mit einer erneuten Bodenoffensive im Gazastreifen erhöht Israel den Druck auf die palästinensische Terrororganisation Hamas. Die »umfangreichen Angriffe« gegen Hamas-Mitglieder und Infrastruktur der Terrororganisation würden im gesamten Küstengebiet fortgesetzt, ließen die Streitkräfte (IDF) am Abend verlauten.
Eines der Ziele ist es, die Hamas dazu zu bewegen, die 59 weiterhin von ihr gehaltenen Geiseln zu befreien. Seit dem 7. Oktober 2023 wurden Fortschritte in Verhandlungen nur erreicht, wenn die Terroristen militärisch massiv unter Druck gesetzt wurden. Ein weiteres Kriegsziel ist die komplette Zerschlagung der Terrororganisation, die Israel seit ihrer Machtübernahme in Gaza im Jahr 2007 konstant mit Kriegen und Terrorwellen überzog.
Bei den israelischen Attacken im Gazastreifen wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde zufolge «mindestens 24 Menschen» getötet. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Behörde unterscheidet in ihren Opferzahlen auch nicht zwischen Zivilisten und Terroristen. Die israelische Armee teilte auf Nachfrage mit, bei einem Luftangriff seien etwa zehn Hamas-Terroristen getroffen worden.
Gezielte Bodenangriffe
Seit der Nacht zu Dienstag attackiert Israels Armee bereits mit massiven Luftangriffen Ziele der Hamas und der mit ihr verbündeten Islamisten vom Palästinensischen Islamischen Dschihad. Damit endete de facto die seit dem 19. Januar geltende Waffenruhe, nachdem in indirekten Verhandlungen über die Freilassung der restlichen Geiseln keine Fortschritte hatten verbucht werden können.
Israels Verteidigungsminister Israel Katz forderte ihre Freilassung und ein Ende der Hamas-Präsenz in Gaza. »Die Alternative ist die völlige Verwüstung.« Nach israelischen Informationen werden im Gazastreifen noch 24 lebende Geiseln festgehalten, hinzu kommen die Leichen von 35 Verschleppten.
Mit ihren jüngsten »gezielten Bodenangriffen« will die israelische Armee nach eigenen Angaben auch eine begrenzte Pufferzone zwischen dem Norden und dem Süden des Gazastreifens schaffen. Im Rahmen der Offensive hätten die Truppen auch ihre Kontrolle im sogenannten Netzarim-Korridor ausgeweitet, der den Küstenstreifen in eine nördliche und eine südliche Hälfte teilt. Israelische Soldaten seien bis zur Mitte der strategisch bedeutsamen Zone vorgerückt.
Kritik aus Paris
Die Hamas, die den Krieg begann und 1200 Israelis ermordete, während sie 251 verschleppte, sprach von einem »schweren Verstoß gegen das Waffenruhe-Abkommen«. Im Februar hatte sich Israels Armee als Teil der Vereinbarung aus dem Korridor zurückgezogen – mit Ausnahme eines ein Kilometer breiten Gebiets unmittelbar an der Grenze zu Israel.
Die USA, Katar und Ägypten hatten eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ausgehandelt, die seit Januar und zunächst für sechs Wochen galt. Eine Einigung für eine Verlängerung kam nicht zustande, da die Hamas keine Geiseln mehr freilassen wollte. Israel hatte mit einer Wiederaufnahme des Krieges gedroht, sollte die Hamas keine weiteren Geiseln über das Rote Kreuz an Israel übergeben.
Kritik an der israelischen Offensive im Gazastreifen kam unter anderem aus Frankreich. Nach einem Telefonat mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman schrieb der französische Präsident Emmanuel Macron auf der Plattform X: »Was den Nahen Osten anbelangt, so verurteilen wir die Wiederaufnahme der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen. Eine Rückkehr zum Waffenstillstand ist für die Freilassung aller Geiseln und den Schutz der Zivilbevölkerung unerlässlich.«
Anschuldigung zurückgewiesen
Frankreich werde gemeinsam mit Saudi-Arabien eine Konferenz zu einer Zwei-Staaten-Lösung leiten, schrieb Macron weiter. Sie müsse dazu beitragen, dass es zu einer für Israelis und Palästinenser akzeptablen politischen Lösung komme.
Allerdings haben die Palästinenser Friedensabkommen, die ihnen einen eigenen Staat neben Israel ermöglicht hätten, in den vergangenen 25 Jahren zweimal abgelehnt. Stattdessen griffen sie den jüdischen Staat immer wieder an und haben ihn bis heute nicht einmal offiziell anerkannt.
Bei einem Angriff auf eine UN-Einrichtung in Gaza wurde am Mittwoch nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens einer ihrer Mitarbeiter getötet. Weitere Menschen seien verletzt worden, einige von ihnen schwer. Palästinensische Berichte machten Israel verantwortlich. Israel wies die Anschuldigungen zurück.
Kontroverse um Schin Bet
Seitdem die Hamas den aktuellen Krieg begann, missbrauchten die Terroristen immer wieder Gebäude der UN-Unterorganisation UNRWA als Basis und Waffenlager. Mitarbeiter der UNRWA waren außerdem selbst an den Hamas-Massakern vom 7. Oktober 2023 beteiligt.
In Jerusalem protestierten Zehntausende bis in die Nacht hinein gegen den Neubeginn des Gaza-Kriegs und die geplante Entlassung des Chefs des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Ronen Bar. Mehrere Medien meldeten Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten und mindestens zwölf Festnahmen.
In einer Untersuchung des Inlandsgeheimdienstes über die Fehler, die das Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 ermöglicht haben, kam auch Netanjahu nicht gut weg. Kritiker in Israel befürchten, dass er Bar durch einen ihm ergebenen Nachfolger ersetzen will. dpa/ja