Nahost

Israel bombardiert Hisbollah, Netanjahu verschiebt Reise zur UNO

In einem Vorort von Beirut werden am Dienstag die Spuren eines israelischen Angriffs gegen den Terror beseitigt. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Am dritten Tag in Folge greifen die israelischen Streitkräfte (IDF) die Hisbollah im Libanon an, um die seit einem Jahr erfolgenden Terrorangriffe aus dem Norden zu unterbinden. 60.000 Bewohner Nord-Israels sollen in ihre Heimat zurückkehren können.

Libanesischen Medienberichten zufolge begann die »Aggression« der IDF um 5 Uhr im Osten und Süden des Landes. Der militärische Druck soll die Hisbollah dazu zwingen, ihre Raketenangriffe auf Israel endlich zu stoppen. Bisher gelang dies nicht.

Mit seinem Abwehrsystem »David’s Sling« fing Israel am Morgen eine in Richtung Tel Aviv abgefeuerte Hisbollah-Rakete ab. Dieser Angriff der Terroristen führte dazu, dass in Tel Aviv und anderen Orten in Zentral-Israel Sirenen ertönten.

Reise verschoben

In Tel Aviv war zuletzt Ende Mai Raketenalarm ausgelöst worden, damals wegen eines Angriffs der Hamas. Es ist auch das erste Mal überhaupt seit dem Massaker vom 7. Oktober vergangenen Jahres und dem dadurch ausgelösten Beginn des Gaza-Kriegs, dass eine Rakete aus dem Libanon bis zum Großraum Tel Aviv vordrang.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte weitere Angriffe auf die Terrororganisation an. Die von der Hisbollah verursachte Gewalteskalation in Nahost ist eines der prägendsten Themen der laufenden UN-Vollversammlung in New York und wird heute im Mittelpunkt einer Sondersitzung des Weltsicherheitsrats stehen.

Aufgrund der jüngsten Angriffe aus dem Libanon und der IDF-Operation, die diese unterbinden soll, verschob Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seinen Flug nach New York. Seine Rede vor der UNO wurde israelischen Zeitungsberichten zufolge auf Donnerstag vorverlegt. So kann er am Freitag nach Israel zurückkehren.

»Rakete im Wohnzimmer«

»Wir werden weiterhin gegen die Hisbollah vorgehen«, sagte Netanjahu. Er betonte erneut, dass sich der Krieg nicht gegen das libanesische Volk richte, sondern allein gegen die Hisbollah - wer aber Waffen für die Terroristen verstecke, gerate ebenfalls ins Visier: »Wer eine Rakete im Wohnzimmer und eine Rakete in der Garage hat, wird kein Zuhause mehr haben.«

Am Abend attackierte Israels Luftwaffe laut Armeeangaben wieder Dutzende militärische Einrichtungen der Hisbollah im Osten und Süden des Libanon, darunter Waffenlager und Raketenabschussrampen. Diese werden oft bewusst in Wohngebieten platziert, was einen Missbrauch von Zivilisten als menschliche Schutzschilde darstellt.

Tausende Privatwohnungen seien auf diese Weise in militärische Stützpunkte der Miliz umgewandelt worden, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Netanjahu forderte die Libanesen dazu auf, sich aus den Fängen der Hisbollah zu befreien, die in dem Küstenland wie ein Staat im Staate agiert.

»Keine Pause«

»Wir dürfen der Hisbollah keine Pause gewähren. Wir müssen mit aller Kraft weitermachen«, sagte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi. Schon jetzt sei die Miliz durch die strategischen Erfolge seiner Armee drastisch geschwächt, sagte Verteidigungsminister Joav Gallant. »Die Hisbollah von heute ist nicht mehr dieselbe Hisbollah, die wir vor einer Woche kannten.«

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Nach Militärangaben hat die schwer bewaffnete Miliz seit Beginn des Kriegs gegen die mit ihr verbündete Hamas im Gazastreifen, also seit Anfang Oktober vergangenen Jahres, rund 9000 Raketen und Drohnen für Angriffe auf Israel eingesetzt. Gallant zufolge wurden bei den jüngsten Angriffen nun Zehntausende ihrer Raketen zerstört. Vor Beginn der Hisbollah-Attacken am 8. Oktober wurde ihr Waffenarsenal auf 150.000 Raketen, Drohnen und Marschflugkörper geschätzt.

Der nun laufende Militäreinsatz im Libanon unter dem Codenamen »Pfeil des Nordens« solle so schnell wie möglich beendet werden, betonte Armeesprecher Hagari. Deshalb greife das Militär mit geballten Kräften an. Allerdings müssten die Israelis auch darauf vorbereitet sein, dass der Einsatz länger dauern könne.

Terrorführer getötet

Schon jetzt sollen etliche Mitglieder der Führungsriege der Hisbollah bei dem Militäreinsatz getötet worden sein. Zuletzt traf es den Leiter der Raketeneinheit, Ibrahim Muhammad Kubaisi - er und zwei weitere Hisbollah-Kommandeure seien bei einem »gezielten Angriff« in einem Vorort der Hauptstadt Beirut ums Leben gekommen, teilte Israels Armee mit.

Auch die Hisbollah bestätigte Kubaisis Tod. Er war laut Armee unter anderem für Raketenangriffe auf Israel und Anschläge auf israelische Zivilisten verantwortlich.

Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums zerstörte der Luftangriff zwei Stockwerke eines Gebäudes, tötete 6 Menschen und verletzte 15 weitere. Im Libanon hieß es, im Zuge der israelischen Angriffe seit Montag seien mehr als 550 Menschen getötet und fast 2000 verletzt worden. Wie die Terrorgruppe Hamas in Gaza unterscheiden die Libanesen nicht zwischen Terroristen und Zivilisten. In beiden Fällen können die Opferzahlen nicht bestätigt werden.

Flüchtlinge aufgenommen

Auch aufgrund der Dominanz der aus Teheran gelenkten Hisbollah-Terroristen war Not der Menschen im Libanon schon vor Beginn der jetzigen Angriffswelle groß. Die Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise, große Teile der Bevölkerung leben in Armut.

Dennoch hat der kleine Mittelmeerstaat gemessen an seiner Einwohnerzahl nach UN-Angaben so viele Flüchtlinge aufgenommen wie kein anderes Land der Welt. Allein aus Syrien wurden seit Beginn des dortigen Bürgerkriegs im Jahr 2011 rund 1,5 Millionen Hilfesuchende aufgenommen.

Nun kommen noch einmal zahlreiche Binnenvertriebene dazu. Infolge des von der Hisbollah vom Zaun gebrochenen Krieges brach bei vielen Libanesen Panik aus. Zehntausende ergriffen die Flucht und versuchten, auf heillos überfüllten Straßen gen Norden zu kommen. Allein 27.000 Menschen flohen nach Behördenangaben aus dem Süden und der Bekaa-Ebene im Osten.

Mehr als 250 Schulen seien deshalb kurzfristig zu Notunterkünften gemacht worden. Selbst ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien, wo die Lage kaum minder prekär ist, sollen hunderte Menschen geflüchtet sein.

Mögliche Evakuierungsaktion

Israel will die Hisbollah mit den Angriffen im Libanon auch dazu bewegen, sich aus dem Grenzgebiet beider Länder zurückzuziehen und damit einer entsprechenden UNO-Resolution zu entsprechen.

Der iranische Präsident Massud Peseschkian sagte in einer Rede vor der UN-Vollversammlung in New York, es sei selbstverständlich, dass die »terroristischen Verbrechen« der israelischen Armee und die »Aggression gegen den Libanon« nicht unbeantwortet bleiben könnten. Überdies sei die Präsenz ausländischer Mächte im Nahen Osten eine »Quelle der Instabilität«.

Ausgerechnet Peseschkian, dessen Regime den Nahen Osten und nicht zuletzt Israel seit Jahren mit Terror überzieht, rief die Länder in der Region zu mehr Zusammenarbeit auf, da ihr Schicksal untrennbar miteinander verbunden sei. Gleichzeitig sei die Islamische Republik Iran »entschlossen, ihre Sicherheit zu gewährleisten, ohne andere zu destabilisieren«.

Die Eskalation der Gewalt wird nicht nur in den direkten Nachbarländern mit Sorge verfolgt. Die britische Regierung wies alle Landsleute an, den Libanon sofort zu verlassen. Außerdem würden »in den nächsten Stunden« 700 Soldaten auf die nahegelegene Mittelmeerinsel Zypern verlegt. Die Mitteilung der Regierung vom Dienstagabend legt nahe, dass dies zum Vorbereiten einer möglichen Evakuierungsaktion geschieht. dpa/ja

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