Am Tag vor ihrer Hochzeit hatten Tsahi (26) und Vanessa (25) auf einmal Gewissheit: Der schönste Tag ihres Lebens, wie alle immer gesagt hatten, würde nicht stattfinden – ein Tag, den sie ein Jahr lang geplant, zu dem sie mehr als 400 Gäste eingeladen hatten. Der Krieg kam dazwischen und damit die Auflage, dass sich 40 Kilometer rund um den Gazastreifen nicht mehr als 300 Menschen versammeln dürfen. Der Leiter der Halle nahe Kiriat Malachi, in der die beiden Jerusalemer feiern wollten, sagte ihnen ab.
»Wir hatten schon Tage zuvor die Vermutung, dass es nicht hinhauen würde. Ich hatte das schon mal auf Facebook gepostet«, sagt Tsahi. »Vanessa war natürlich angespannt und hat geweint. Und dann kam einen Tag vorher die Nachricht, dass es tatsächlich nicht klappen wird.«
So wie Tsahi und Vanessa geht es in Israel derzeit vielen Paaren, vor allem denjenigen, die mit besonders vielen Gästen im Süden des Landes heiraten wollen. Vered Ifrah von der Veranstaltungshalle »Nessia« in der Nähe von Aschdod weiß das nur zu gut. »Vergangene Woche haben fünf Paare das Datum verschoben, zwei haben komplett abgesagt. Nur drei Hochzeiten fanden statt«, sagt sie. »Einige entscheiden sich dafür, die Zeremonie in der Synagoge durchzuführen und dann irgendwann später zu feiern.« Die Cousine ihres Mannes etwa habe sich in dieser Woche nicht davon abbringen lassen, »Ja« zu sagen. Aber anstatt der geplanten 700 Gäste konnten nur 300 kommen.
Verschoben Andere Paare sind nicht in Feierlaune. Elior (27) aus Sderot und Noy (23) aus Aschkelon wollen auf ruhigere Zeiten warten und dann mit allen Freunden und Familienmitgliedern feiern. Sie haben die Hochzeit deshalb auf November verschoben, ihren 600 Gästen per Telefon und SMS abgesagt.
»Vor einer Woche waren wir in Paris, um Hochzeitsfotos zu machen. Wir hatten noch gehofft, dass es vorbei ist, wenn wir zurückkommen. Es ist traurig, wir wollten eigentlich im Sommer heiraten«, sagt Elior, der vor Kurzem sein Studium beendet hat. Er ist in Sderot aufgewachsen, kennt die Stimmung und weiß, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist: »30 meiner Freunde wurden eingezogen. So viele Soldaten sind schon gestorben.«
Yossi Guttman von der Veranstaltungshalle »Gadot Gardens« im Hayarkon-Park in Tel Aviv ist derzeit selbst im Reservedienst und seit zwei Wochen im Süden stationiert. »Es ist schlecht für die Gäste, es ist schlecht für das Geschäft. Es ist schlecht für alle«, sagt er. Eine Hochzeit sei vergangene Woche abgesagt worden, eine für die kommende Woche. Zwei sollen diese Woche stattfinden.
Sirenen »Wir geben den Paaren die Möglichkeit, kostenlos abzusagen«, sagt Yaniv Sade von der Hochzeitshalle »Caliph« in Jaffa. »Viele rufen besorgt an, ob wir einen Schutzraum für alle Gäste haben. Bisher hat aber noch niemand storniert.« Dafür reduzieren aber einige Paare die Zahl ihrer Gäste. »Wir haben diese Woche ein Paar, bei dem der Bräutigam aus der Schweiz kommt. Viele Gäste aus dem Ausland reisen nun aufgrund der Lage nicht an. Anstatt 200 werden es jetzt wohl 120, 130 sein. Andererseits hatten wir letzte Woche aber auch ein Paar, das sogar mit mehr Gästen feierte als geplant.«
Die Hochzeitsplanerin Naomi Tabor von »Imagine Events« arbeitet vor allem für Paare aus dem Ausland. »Viele, die Israel kennen, wissen, dass es nicht gefährlich ist, und vertrauen dem Iron Dome. Die meisten meiner Hochzeiten sind aber ohnehin im Norden, weil es dort schönere Orte gibt«, sagt Naomi. Einige hätten den Termin trotzdem verschoben. »Nicht wegen der Gefahr. Aber die Paare wollen eben keine Sirenen an ihrem Hochzeitstag hören.«
Auch im »Caliph« in Jaffa wurde vergangene Woche eine Hochzeitsgesellschaft von einem Alarm überrascht, erinnert sich Yaniv: »Alle sind dann in den Schutzraum, sie haben gesungen, geklatscht und danach noch wilder gefeiert.«
Ortswechsel Israelis lassen sich in der Regel nicht so schnell unterkriegen. Und so wollte auch Tsahi einen Tag vor der Hochzeit noch nicht aufgeben. Da viele auf Facebook von der Situation des Paares gelesen hatten, wollten alle helfen, einen neuen Ort zu finden. »Wow, das war ein schwieriger Tag. Ich habe die Arbeit liegen lassen und bin dann zum ›Pekan Garden‹ in Ramat Hakovesch bei Kfar Saba gefahren. Erst hatte ich befürchtet, dass sie meine missliche Lage ausnutzen könnten. Aber das war nicht so.« Fünf Stunden saß er mit den Veranstaltern zusammen, besprach Details, vereinbarte mit dem Fotografen und dem DJ, dass sie einfach in den Norden kommen sollten.
24 Stunden später heirateten Tsahi und Vanessa. Letztlich kamen doch nur um die 300 Gäste, einige hatten den Ortswechsel nicht mitbekommen und landeten im Süden. Einige Reservisten wurden eingezogen. Die Gäste, die am späten Nachmittag von Jerusalem aufbrachen, wurden kurz von den Sirenen unterbrochen. Doch dann feierten alle bis nachts um zwei Uhr.
Ein paar Tage später postete Tsahi auf Facebook: »Ich werde meine Hochzeit immer in Erinnerung behalten, nicht nur als den Tag, an dem ich die Liebe meines Lebens geheiratet habe, sondern als den Tag, der gezeigt hat, dass wir – meine Frau, ich und das gesamte Land Israel – stärker sind als die Bedrohung durch Terrororganisationen.«