Huthi

Irans tödliches Langzeitprojekt

Der brennende Hafen von Hudaida im Jemen Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Nach mehr als neun Monaten der Zurückhaltung hat Israel zum Gegenschlag ausgeholt. Die Explosion einer sogenannten Killerdrohne der Huthi im Zentrum von Tel Aviv mit einem Toten und zehn Verletzten in der Nacht zum vergangenen Freitag brachte das Fass zum Überlaufen und könnte den Krieg in eine andere Richtung lenken. Dabei greift die Terrorgruppe aus dem Jemen bereits seit Oktober an und feuerte bis heute mehr als 220 ballistische Raketen, Marschflugkörper und Drohnen gegen Israel.

Der Angriff der israelischen Luftwaffe (IAF) am Samstag in der jemenitischen Region Hudaida sei von 20 Kampfjets durchgeführt worden, die bis zum Ziel 2000 Kilometer zurücklegten, erklärte Verteidigungsminister Yoav Gallant. Die Operation war eine »kumulative Reaktion« auf die Raketen und Drohnen der Huthi, von denen die meisten vom amerikanischen Zentralkommando und dem Luftabwehrsystem Israels abgefangen wurden.

Konflikt droht, auf die gesamte Region überzugreifen

Etwa 70 Prozent der im Hafen von Hudaida ankommenden Waren gehen an die Huthi. Zudem liegt er auf der Hauptroute, über die Waffen aus dem Iran in den Jemen gelangen. Der Beschuss Israels galt seiner Infrastruktur. Der für die Huthi so wichtige Versorgungsstandort sollte Schaden nehmen. Allerdings bergen die gegenseitigen Angriffe zwischen Israel und den Huthi auf das jeweils andere Territorium nun die Gefahr, eine neue Front in einem Konflikt zu schaffen, der bereits seit Monaten droht, auf die gesamte Region überzugreifen.

Ein Sprecher der Huthi sagte, es sei jetzt ein »offener Krieg«. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte sich dazu am Samstag: »Von Beginn des Krieges an habe ich klargestellt, dass Israel gegen alle vorgehen wird, die uns attackieren. Aus diesem Grund habe ich heute das israelische Kabinett gebeten, meine Entscheidung zu unterstützen, die Ziele der Huthi im Jemen ins Visier zu nehmen.«

Ein Sprecher der Huthi sagte, es sei jetzt ein »offener Krieg«.

Der angegriffene Hafen sei kein unschuldiger Ort. Die Huthi hätten die dort in Empfang genommenen Waffen eingesetzt, »um Israel, arabische Staaten in der Region und viele andere anzugreifen«, fuhr er fort und dankte den USA, Großbritannien, Frankreich sowie anderen Mitgliedern der internationalen maritimen Koalition, die zur Abwehr der Huthi-Angriffe gegründet wurde.

Dafür, dass die Drohne aus dem Jemen bis ins Zentrum des Landes vordringen konnte, machte Israels Luftwaffe »menschliches Versagen« verantwortlich. Einer ersten Untersuchung zufolge sei diese zwar als ein mit Sprengstoff beladenes unbemanntes Flugobjekt identifiziert, aber aufgrund eines Fehlers nicht von der Luftabwehr abgefangen worden. Und da keine Maßnahmen gegen das identifizierte Ziel eingeleitet wurden, ertönten auch keine Warnsirenen, so die Armee.

Angriffe auf den internationalen Seehandel

Seit mehr als einem halben Jahr beschießen die Huthi nicht nur Israel, sondern attackieren auch Schiffe aus zahlreichen Staaten, die die südliche Mündung vom Roten Meer zum Golf von Aden, Bab el-Mandeb, durchqueren. Durch diesen Seekorridor fließen etwa 30 Prozent des weltweiten Seehandels, den die Terrorgruppe damit immer wieder unterbricht.

Danny Citrinowicz, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Iran-Programm am israelischen Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS), sieht den Vergeltungsschlag als wichtig an: »Israel wird seit dem 8. Oktober von den Huthi angegriffen und reagierte nicht. Nun wurde ein Mensch getötet. Das konnte nicht akzeptiert werden. Die ganze Welt schaute auf Israel, und unsere Abschreckung musste wieder funktio­nieren.«

Allerdings, so gibt er zu bedenken, werde das Problem nicht gelöst. Denn es bestehe eine enge Verbindung zu dem, was in Gaza geschieht. »Solange Israel keinen Waffenstillstand mit der Hamas erreicht, wird die Situation wahrscheinlich sogar noch weiter eskalieren. Nicht nur im Hinblick auf die Huthi, sondern auch auf die Hisbollah und den Irak.«

»Der Iran hat verstanden, dass er die Huthi unterstützen muss, damit er sie benutzen kann.«

Danny Citrinowicz (INSS)

Die Huthi sind eine Terrorgruppe, die in etwa 70 Prozent des Jemen die Macht übernommen hat. Vor wenigen Jahren noch führten sie einen erbitterten Krieg gegen die Saudis und griffen dabei immer wieder strategisch wichtige Anlagen wie Ölraffinerien in Saudi-Arabien an. Jetzt sind sie Teil des sogenannten »Ring of Fire« um Israel, zu dem unter anderem auch Syrien und die Hisbollah im Libanon gehören. Sowohl die Iraner als auch die Huthi gehören der schiitischen Glaubensrichtung an.

Der Iran habe verstanden, dass er die Huthi unterstützen muss, damit er sie benutzen kann, erläutert der Experte. »Zum einen, um Saudi-Arabien, dem größten Rivalen in der Region, die Stirn zu bieten, zum anderen, um Krieg gegen Israel zu führen. Damit will Teheran Israel dazu bringen, den Krieg in Gaza zu beenden, um die Hamas, ihren Verbündeten, zu retten.«

Besonders wichtig sei es, so Citrinowicz, dass man gegen eine derartige Bedrohung im Rahmen einer Koalition arbeite. Als die Huthi-Drohne in Tel Aviv einschlug, seien zur selben Zeit vier weitere von Israels Verbündeten abgefangen worden. Er sehe es jedoch als ebenso bedeutend an, diese Koalition nicht nur im Rahmen einer Verteidigung, sondern auch bei einer Offensive zu aktivieren. »Denn selbst wenn es morgen einen Waffenstillstand mit der Hamas in Gaza gibt – die Huthi werden nicht verschwinden. Sie sind ein bedrohliches Langzeitprojekt.«

Der Iran und seine Stellvertreter

Bislang habe sich Israel in Sachen Iran hauptsächlich um den Nahen Osten und das Atomprogramm gekümmert, sagt Citrinowicz weiter. »Aber spätestens jetzt ist klar, dass man das Gesamtbild betrachten muss. Der Iran arbeitet mit Stellvertretern, weit über den Nahen Osten hinaus, um seinen Einfluss auszuweiten. Israel und die internationale Gemeinschaft müssen das in Betracht ziehen, denn alles ist miteinander verbunden.«

Deshalb darf man das Thema Iran keinesfalls nur als einen Aspekt von vielen wahrnehmen. »Denn wenn die Iraner die Welt betrachten, sehen sie den gesamten Erdball. Teheran interessiert sich neben dem Nahen Osten auch für die schiitische Diaspora in Lateinamerika oder in Australien. Sie unterstützen ihre Anhänger in Nigeria und die Hisbollah dabei, wenn sie Drogen von überallher schmuggeln«, führt der Experte aus und macht unmissverständlich klar: »All diese Zusammenhänge müssen gesehen und verstanden werden, um wirkungsvoll Druck auszuüben. Der Iran muss zur Verantwortung gezogen werden.«

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