Das Regime in Teheran beschuldigt Israel, den Anschlag auf die Atomanlage von Natanz verübt zu haben, und schwört Vergeltung. Am Sonntag habe eine »große Explosion das interne Stromversorgungssystem zerstört, das die Zentrifugen zum Anreichern von Uran betreibt«, schreibt die »New York Times«. Der Vorfall ereignete sich zur selben Zeit, als der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin mit seinem israelischen Amtskollegen Benny Gantz in Jerusalem zusammentraf.
ATOMBOMBE Die »New York Times« beruft sich auf anonyme israelische und US-Quellen. Der Iran hatte zunächst von einem Cyberangriff auf Natanz berichtet. Angeblich würde dieser Anschlag die Fähigkeit, eine Atombombe herzustellen, um neun Monate oder sogar mehr verzögern. Der Leiter der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, verkündete, dass es sich bei der Explosion um einen »Terrorakt« handele. Ein Ziel sei es gewesen, die Atomverhandlungen in Wien zu sabotieren, so Salehi.
Irans Außenminister Javad Zarif gab Jerusalem direkt die Schuld: »Die Zionisten wollen Rache nehmen, weil wir mit der Aufhebung der Sanktionen so weit fortgeschritten sind. Doch jetzt werden wir uns an ihnen rächen«.
»Der Kampf gegen den Iran und seine Verbündeten ist eine gewaltige Aufgabe.«
Premierminister Benjamin Netanjahu
Es war nicht das erste Mal, das in der Anlage von Natanz Vorfälle stattfanden, die Israel zugeschrieben wurden. Bereits im vergangenen Sommer hatte eine große Explosion Teile der Anlage vernichtet. Menschen waren damals wie auch bei dem jüngsten Vorfall nicht zu Schaden gekommen.
AUFGABE Jerusalem hat stets betont, eine atomare Bewaffnung des Irans um jeden Preis verhindern zu wollen. Israel bestätigte den Anschlag vom Sonntag nicht, äußerte jedoch auch kein Dementi. Am selben Tag erklärte Premier Benjamin Netanjahu: »Der Kampf gegen den Iran und seine Verbündeten ist eine gewaltige Aufgabe. Nur, weil etwas heute so ist, heißt es nicht, dass es auch morgen noch so sein wird.«
Unterdessen hatte Israels Verteidigungsminister Gantz den ersten hochrangigen Besuch aus den USA seit der Amtsübernahme des amerikanischen Präsidenten Joe Biden im Januar empfangen: Außenminister Austin, der damit seine erste offizielle Auslandsvisite absolvierte.
In einer gemeinsamen Erklärung versprach Gantz, mit den USA zu kooperieren, während Austin beteuerte, dass das Weiße Haus den militärischen Vorsprung Israels in der Gegend wahren werde. »Dies ist Teil der starken Verbindung zu Israel und dem israelischen Volk.« Den Iran erwähnte Austin nicht direkt.
SCHIFF Einige Tage vor dem Natanz-Zwischenfall hatte ein anderer im Roten Meer Schlagzeilen gemacht. Am 6. April war ein iranisches Schiff bei einer Explosion vor der Küste Dschibutis beschädigt worden. Das iranische Außenministerium bestätigte den Vorfall. Israelische Medien berichteten anschließend, die USA seien »über den Vergeltungsangriff Israels informiert gewesen«. Dies hätten anonyme amerikanische Quellen angegeben.
Es war nur einer in einer ganzen Reihe von Angriffen auf iranische und israelische Schiffe. In den vergangenen zwei Monaten sollen zwei Frachtschiffe aus Israel durch iranische Attacken beschädigt worden sein, eines im Golf von Oman und eines auf dem Weg nach Indien.
»Sie beobachten uns, sehen unsere Fähigkeiten und wägen jeden ihrer Schritte mit Vorsicht.«
Armeechef Aviv Kochavi
Auch der Chef der israelischen Streitkräfte, Aviv Kochavi, äußerte sich. Allerdings ähnlich vage wie Ministerpräsident Netanjahu: »Unsere militärischen Operationen in Nahost bleiben unseren Feinden nicht verborgen. Sie beobachten uns, sehen unsere Fähigkeiten und wägen jeden ihrer Schritte mit Vorsicht.«
Im Iran gibt es derweil politische Unruhen. Das Parlament will Präsident Hassan Ruhani anzeigen, weil dieser Gesetze missachtet haben soll. 190 der 235 Abgeordneten stimmten für eine Anzeige. Kritiker Ruhanis werfen ihm schon lange vor, »zu westlich« zu sein.
RÜCKKEHR Alle Entwicklungen laufen im Hintergrund der geplanten Wiederaufnahme der Atomverhandlungen zwischen dem Iran und den verbliebenen Partnern ab. Am Dienstag werden in Wien Vertreter aus dem Iran, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China zusammentreffen, um die Gespräche weiterzuführen. Dabei geht es vor allem um die Rückkehr der USA und des Irans zu der Vereinbarung von 2015.
Der Anschlag von Natanz aber wirft seinen Schatten: »Was wir gerade aus Teheran hören, ist kein positiver Beitrag, besonders im Angesicht der Entwicklung in Natanz«, kommentierte der deutsche Außenminister Heiko Maas vor dem Beginn der Gespräche in Wien.