Auf den ersten Blick ist sie völlig unscheinbar: grün, ungenießbar und steinhart. Doch diese Frucht hat es in sich: Ihr Öl ist heißbegehrt, soll ein wahrer Jungbrunnen sein, Schönheit schenken und vor Herzerkrankungen bewahren. Seit Tausenden von Jahren wird sie angebaut, angeblich sollen semitische Stämme die ersten Bäume vor 6.000 Jahren gezogen haben. Prophetisch steht in der Tora geschrieben: »Ölbäume wirst du haben in all deinen Gebieten« (5. Buch Moses 28,40). In der Tat ist Israel voll mit den knorrigen Pflanzen, deren Blätter bereits von Weitem silbrig schimmern. Jetzt sind die Früchte reif, im ganzen Land wird geerntet. In Galiläa feiert man dieser Tage das 13. Fest des Olivenzweiges.
Der Ölbaum gehört zu einer der sieben Früchte des Heiligen Landes. Er wächst von Golan und Galiläa bis nach Revivim in der Negevwüste auch auf kargem Boden und wird alt, sehr alt. Manche sollen bereits seit mehr als Tausend Jahren Wurzeln schlagen. Je älter der Baum, desto knorriger sein Holz, vorzügliches Baumaterial gibt er daher nicht ab. Lediglich für Schmuckgegenstände wird es der interessanten Maserung wegen verwendet.
Olivenöl Seinen eigentlichen Schatz aber trägt er in der Krone. Im Frühjahr blüht der Ölbaum, im Herbst, um Sukkot herum, ist Zeit, die Ernte einzufahren. Dann sieht man sie am Straßenrand: Menschen mit langen Stöcken in der Hand, die den Früchten der wilden Bäume zuleibe rücken. Sie klopfen und schütteln, bis die Oliven – Hebräisch Saijt, in der Mehrzahl Sejtim – prasselnd zur Erde fallen. Auf 22.000 Hektar stehen die Bäume innerhalb der grünen Grenze. 9.000 Tonnen Olivenöl werden jährlich produziert, etwa die Hälfte davon wird, nach Angaben der israelischen Olivenvereinigung, im Inland konsumiert, der Rest exportiert. Die meisten Öle werden kaltgepresst, Voraussetzung für hohe Qualität. »Suchen Sie immer nach dem Aufkleber ›Quality Approved Israeli Olive Oil‹ auf den Flaschen«, rät Amin Hassan, ein Druse und Leiter der Vereinigung, »er garantiert, dass das Öl unsere Tests bestanden hat und hochwertig ist«. Die Vereinigung organisiert jährliche Geschmackstests für große und kleine Produzenten. Sie arbeitet zudem mit der Palästinensischen Autonomiebehörde zusammen. Dass es nicht ausreichend gutes Öl auf der Welt gibt, meint die Gemeinschaftskooperative der Kibbuzim Gvat, Sarid und Ramat David im Jisrael-Tal. Auf mehr riesigem Areal wollen sie neue, niedrige Ölbäume anpflanzen, 500 Hektar stehen bereits. »Alles für den Export«, weiß Dan Hadari aus Gvat. Es soll eine moderne Plantage werden, bei der die Bäume maschinell geschüttelt werden, um besonders schnell viele Oliven abzuwerfen.
Während oft über Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern bei der Olivenernte – vor allem in der internationalen Presse – berichtet wird, verbindet der Ölbaum im nördlichen Israel die Kulturen: Drusen, Tscherkessen, Moslems, Christen und Juden sind gemeinsam in die Ölgewinnung eingebunden. Die Herstellung hat Tradition, vor allem bei arabischen Familien. Für die Jahschans bereits seit 1913. Damals ging Habib, Sohn christlich-arabischer Eltern, nach Haifa und suchte einen Job. Eine Anstellung fand er in einer Seifenfabrik. Die Basis von Seifen ist Öl. Mit diesem Wissen kehrte Habib in sein Heimatdorf Maghar in Galiläa zurück und stellte selbst Seifen her – aus Olivenöl. Damit war die Firma Saba Habib – Großvater Sabib geboren.
Familienunternehmen Mittlerweile leitet Habibs Enkel Menem Jahschan das Unternehmen. Umtriebig wacht er über die kleine Firma im Kibbuz Farod, fährt in einer Minute mit dem Gabelstapler, um die Ernte an den richtigen Platz zu bringen, steht in der nächsten an der Kasse im Laden und erklärt gleich darauf neben der Steinpresse die Vorzüge des mit Preisen ausgezeichneten Öls: »Wir verwenden nur hervorragende Oliven«, sagt Jahschan, »Das Öl wird selbstverständlich ausschließlich kaltgepresst, hat derzeit einen hervorragenden Säuregehalt von 0,4 bis 0,5.« Der gesamte Produktionsprozess sei hier in einer Hand, ja in einer Familie. »Und das macht es so gut.« Unermüdlich drehen sich die schweren runden Steine. Mahlen die Früchte zu einem grünen Brei. Daneben läuft nach einem Prozess, bei dem Schalen, Schmutz und Kerne herausgefiltert werden, die dicke Flüssigkeit schwer aus einem Hahn in Auffangbecken oder Plastikbecher. Den hält ein Bruder von Menem Besuchern entgegen. Olivenöl zum Trinken. »Naja, es soll ja schön machen«, sagt eine Dame mittleren Alters lachend und wagt einen Schluck.
Kosmetik Wer es nicht trinken, aber dennoch gut aussehen möchte, kann sich im Shop von Saba Habib mit vielerlei Produkten eindecken, an denen sicher bereits Nofretete Gefallen gefunden hätte: Gesichtscreme aus Olivenöl, Anti-Aging-Mittelchen oder ein türkis schimmerndes Peeling für 45 Schekel, etwa neun Euro die Flasche. Besonders beliebt seien die Seifen, die auf einem großen Tisch in der Mitte des Ladens aufgehäuft sind, vier Euro das Stück, meint eine Verkäuferin, Menems Schwester: »Wir haben für jeden Hauttyp etwas«, erklärt die nette junge Frau, »für Akne ist die Dunkle besonders geeignet, für trockne Haut nimmt man die helle Seife mit sanften Kräutern. Die Zusätze sind verschieden, die Basis ist immer Olivenöl«.
Die Beziehungen zu allen Nachbarn seien prima, so der Firmeninhaber, man mache gute Geschäfte und lebe friedlich zusammen. Nur wenige Minuten südlich von Saba Habib liegt Ein Kamunim, ein kleiner Ort, in dem eine jüdische Familie Öl herstellt. Oft wird Olivenöl als Allheilmittel gepriesen. Als Schmiermittel zwischen den Kulturen scheint es zumindest in Galiläa bestens zu funktionieren.