Nach vier Wochen unter Wasser habe ich mich wirklich darauf gefreut, endlich wieder Sonne zu sehen», erzählt Marinesoldat M. Als das U-Boot INS Rahav jedoch in der israelischen Hafenstadt Haifa auftauchte, war es Nacht. «Immerhin blinkten die Sterne», sagt M. und muss selbst lachen. Ein kleiner Trost nach einem Monat 200 Meter unter der Meeresoberfläche.
Gerade wurde, immerhin bei strahlendem Sonnenschein, das neueste U-Boot aus Deutschland in einem großen Staatsakt eingeweiht: Präsident Reuven Rivlin betonte, dass die INS Rahav in den kommenden Jahrzehnten einen aktiven Beitrag zur Verteidigung Israels leisten werde, und Premierminister Benjamin Netanjahu nannte die INS Rahav eine «geschlossene Seefaust, die Israel bei Verteidigung und Angriff helfen wird». Die 67 Meter lange Rahav ist das fünfte U-Boot aus Deutschland, gebaut von der Werft Howaldtswerke. Die Bundesregierung beteiligt sich als Teil der Reparationszahlungen mit rund 400 Millionen Euro an dem Hochleistungs-U-Boot.
Emden Um die INS Rahav, was übersetzt entweder Neptun oder Arroganz heißen kann, aus Deutschland zu überführen, sind im vergangenen September rund 50 israelische Marinesoldaten nach Kiel geflogen. Für M. war es eine Rückkehr. «Ich habe mich noch gut an die Bäume und die Seen erinnert», erzählt M., der als Kind drei Jahre lang in Emden lebte. Damals, zwischen 1995 und 1998, arbeitete sein Vater Amir als Maschinenmeister an der Konstruktion des U-Boots INS Dolphin, die er anschließend von Deutschland nach Israel überführte. «Die Zeit war wahnsinnig intensiv, wir haben den Bau quasi ab dem ersten Metallzuschnitt begleitet», erinnert sich Amir.
M. ging, wie seine Geschwister, in den örtlichen Kindergarten und erzählte damals schon, dass er einmal wie der Papa in einem U-Boot arbeiten möchte. Und wie der Onkel. Mindestens fünf Familienmitglieder aus zwei Generationen sind bereits unter Deck gegangen.
M. ist seinem Kindergartentraum treu geblieben. «Als ich gemustert wurde, habe ich gleich gesagt, dass ich zur Marine in die U-Boot-Einheit möchte», erzählt er. Dafür musste er unterschiedliche Tests bestehen. «Man muss sehr sozial und auch intelligent sein, immerhin muss man auf engstem Raum mit vielen Menschen auskommen und im Zweifel schnell reagieren», erklärt der 21-Jährige. Nach den ersten fünf Monaten Grundsaubildung werden die Soldaten eingeteilt. Elektriker, Mechaniker – oder wie M. Navigator. «In einem U-Boot wird bis heute mit einer Karte gearbeitet», erzählt er schmunzelnd. Richtig «oldschool» sei das. Unterstützt werden Navigatoren allerdings von einem Computerpanel, GPS und Sonargeräten. «Aber die Grundlage hat sich nicht verändert», sagt M., und Vater Amir ergänzt: «Man sagt über die Mannschaft, dass die Männer aus Stahl sind und das U-Boot im Vergleich dazu aus Holz.»
Betten «Wobei früher die Situation an Bord nicht so bequem war», findet der Vater. Vor rund 20 Jahren habe es beispielsweise nur zehn Betten für 32 Soldaten gegeben. Man habe in Schichten von je vier Stunden geschlafen, es gab keine Dusche, und zum Waschen musste das Kühlwasser der Klimaanlage aufgewärmt werden. In der neuen INS Rahav gibt es Duschen, aber «um Wasser zu sparen duschen wir trotzdem nicht jeden Tag», erzählt M.
Einen Monat lang in einem U-Boot zu leben, ist nicht einfach. Auch nicht mit Duschen und einem eigenen schmalen Bett. Es gibt kein Sonnenlicht, kein Internet, kaum Privatsphäre und keine frische Luft. «Und man ist nie allein», sagt M. Rücksicht sei daher das A und O. Die Tage und Nächte sind in drei Schichten eingeteilt, davor und danach bereitet man taktische Manöver und die nächsten Fahrtabschnitte vor. «Wenn wir frei haben, schauen wir Filme oder spielen auf der Playstation», plaudert M. aus dem Nähkästchen. Filme, allerdings auf VHS-Kassetten, hat sein Vater Amir damals auch gesehen. «Oder eher gesagt, gehört, denn wir hatten nur einen kleinen 20-Zoll-Fernseher, und man konnte nicht von jedem Bett aus etwas sehen», erinnert er sich.
Abschied Man hört den Stolz in der Stimme des Vaters, wenn er über die Zeit im U-Boot spricht und Einzelheiten mit seinem Sohn vergleicht. Nur eine Erfahrung wollte er seinem Sohn ersparen: «Damals, 1999, hat mir keiner zugewinkt, als wir in See gestochen sind», erinnert er sich. Seine Frau war mit den drei Kindern bereits zurück in Israel, während ihn noch technische Probleme zurückgehalten hatten. Beim Abschied niemanden am Pier zu sehen, war nicht schön. Deswegen war es für ihn wichtig, seinen Sohn im September 2015 in Kiel zu verabschieden. «Ich stand am Pier, habe Fotos gemacht und gewinkt, während er in See stach», erzählt Amir, der von seinen ehemaligen Werftkollegen begleitet wurde, die er nach fast 20 Jahren wiedergetroffen hat.
Einen Monat später gab es den nächsten Anlass für Amir, stolz zu sein: Die Willkommenszeremonie krönte die Überführung der INS Rahav aus Kiel. Staatspräsident Rivlin betonte, dass die INS Rahav das beste U-Boot und die ausgefeil- teste Kampfmaschine sei, die das israelische Militär zur Verfügung hat. «Die Soldaten sind dafür wochenlang unter Wasser, abgeschnitten von der Welt, ohne Te- lefon, ohne Facebook und Instagram gewesen», so der Präsident.
Und M.? Für ihn sei es nicht so schlimm gewesen, kein Internet zu haben, sagt er. Viel mehr habe er sich auf frische Luft und das Essen seiner Mutter gefreut. Nach einem Monat Schiffskombüse seien «Hühnchen und Pasta einfach unschlagbar».