Das Forschungsinstitut Migal liegt im Zentrum der Kleinstadt Kirjat Schmona, im äußersten Nordosten Israels. Die libanesische Grenze ist nur rund einen Kilometer Luftlinie entfernt.
300 Mitarbeiter hat das staatlich geförderte Zentrum. Seit einigen Jahren schon forscht man dort zum Coronavirus. Migals Hauptaugenmerk galt bislang aber nicht der für den Menschen gefährlichen Variante des Virus, das vor einigen Monaten erstmals in der chinesischen Provinz Hubei festgestellt wurde.
GEFLÜGEL Vielmehr hatten die israelischen Forscher ursprünglich den Auftrag, einen Impfstoff gegen eine Variante des Erregers zu entwickeln, der besonders Geflügel heimsucht.
Seit einigen Jahren schon forscht man am Institut zum Coronavirus.
Durchschnittlich 87 Kilo Hähnchen, Truthahn und anderes Geflügel verzehrt jeder Israeli im Jahr. Damit liegt das Land weltweit an der Spitze. Ein möglichst wirksames und einfach einzusetzendes Mittel gegen den Vogelgrippe-Erreger zu finden, ist daher von großer wirtschaftlicher Bedeutung für das Land.
»Der Auftrag, den wir vom Landwirtschaftsministerium bekommen haben, war klar: einen Impfstoff zu entwickeln, der sicher, preiswert und einfach einzusetzen ist«, sagt Chen Katz, der Leiter von Migals Mikrobiologie-Abteilung. Man arbeite deshalb an einem Mittel, das oral verabreicht werden könne.
PROTEIN Klassischerweise würden Impfstoffe injiziert, um die Bildung von Antikörpern zu stimulieren, so der Wissenschaftler. Das sei bei dem Präparat auf der Basis von Proteinen, an dem sein Institut arbeite, jedoch anders. Der optimale Effekt lasse sich hier durch eine orale Einnahme erzielen.
Dadurch würde der Wirkstoff im Körper erst richtig aktiviert. Zudem könne man mögliche Nebenwirkungen deutlich reduzieren, erklärte Katz am Montag in einem von der Organisation Keren Hayesod organisierten Webinar.
Das Hauptproblem sieht Katz nicht in der Wissenschaft, sondern eher in der Gesundheitsbürokratie.
Er wiederholte auch die Ankündigung seines Instituts, binnen einiger Wochen ein effektives Mittel gegen die Covid-19-Variante des Erregers vorzulegen. Damit hatte Migal Anfang März weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
Das Hauptproblem sieht Katz nicht in der Wissenschaft, sondern eher in der Gesundheitsbürokratie, die strikte und langwierige Tests für Impfstoffe vorsehe, bevor diese beim Menschen zum Einsatz kämen.
Für den oral einzunehmenden Impfstoff, den sein Forschungsinstitut in einigen Wochen vorlegen wolle, gebe es bislang noch keine Richtlinien und rechtlichen Vorgaben – im Gegensatz zu Präparaten, die per Injektion verabreicht würden.
TIERVERSUCHE Den neuen Impfstoff zu prüfen, sei zwar relativ einfach, aber, so Katz, »die Pharmaindustrie ist da sehr streng. Es ist schwer, ein neues Mittel zu entwickeln und auf den Markt zu bringen«. Vorgeschrieben sei meist eine Serie von Tierversuchen, bevor ein neuer Wirkstoff beim Menschen eingesetzt werden dürfe – und das nicht nur bei Hähnchen, sondern auch bei Säugetieren.
Angesichts der weltweiten Notlage, die Covid-19 verursacht hat, rechnen Experten aber mit beschleunigten Zulassungsverfahren für Gegenmittel. Auch Forscher in anderen Ländern haben angekündigt, bald einen Impfstoff gegen die aktuelle Variante des Coronavirus auf den Markt zu bringen.
Der Impfstoff solle auch gegen mögliche neue Varianten des Coronavirus schützen.
So teilt das japanische Biotechnologie-Unternehmen AnGes vergangene Woche in einer Pressemitteilung mit, man wolle in Kürze schon mit Tierversuchen starten. Das AnGes-Präparat basiert auf einem inaktiven Virus und könnte so den Angaben des Unternehmens zufolge schneller hergestellt werden als ein Impfstoff auf Protein-Basis.
POLIO Das besondere Problem mit Covid-19 sei, dass es wohl kein saisonales Phänomen sei und wie andere Grippeviren vor allem in der kalten Jahreszeit auftrete, erklärt Chen Katz. Vielmehr breite sich das Virus weltweit stetig aus, bisherigen Erkenntnissen zufolge unabhängig von klimatischen oder meteorologischen Gegebenheiten.
Der Impfstoff, den Migal gegenwärtig entwickle, solle auch gegen mögliche neue Varianten des Coronavirus schützen. Die Dauer des Schutzes hänge vom Immunsystem eines jeden Einzelnen ab. Je mehr Menschen geimpft seien, desto effektiver sei der Schutz aber.
Katz ist optimistisch, dass man durch eine breit angelegte Impfung der Pandemie erfolgreich begegnen kann. Er verweist dabei auf das erfolgreiche Vorgehen gegen das Polio-Virus: Durch Impfkampagnen sei diese Krankheit in vielen Ländern vollständig besiegt worden.