Mit Ruhm hat sich Ayelet Shaked in ihrer Politkarriere nicht immer bekleckert. Dafür besprühte sie sich mit »Faschismus« und trat öfters in diplomatische Fettnäpfchen. Eines aber muss man der israelischen Rechtsaußen-Politikerin lassen: Aufgeben ist nicht ihr Ding.
Trotz Prognosen, die ihren Wiedereinzug in die Knesset als ziemlich unwahrscheinlich vorhersagen, will sie auch bei den kommenden Wahlen mit ihrer Partei Jamina antreten. Und vielleicht könnte Shaked sogar bei der Bildung der nächsten Koalition nach den Wahlen das sprichwörtliche Zünglein an der Waage sein.
Bei Jamina, zu Deutsch »nach rechts«, ist der Name bereits Programm. Und es ist die politische Richtung, die die amtierende Innenministerin stets vertrat und weiterhin vertreten wird. »Wir werden die Rechtswähler nicht aufgeben und Netanjahu oder Smotrich und Ben Gvir überlassen«, erklärte sie vor einigen Tagen in einem Interview mit dem Fernsehsender »Channel 12«. »Es gibt 80 Mandate, die sich auf Nachfrage als rechts definieren. Die israelische Rechte besteht wirklich nicht nur aus Miri Regev, Benjamin Netanjahu, Smotrich und Ben Gvir.«
Faschismus Ferner betonte sie: »Es gibt einen religiösen Zionismus auf der Rechten, der von Smotrichs Äußerungen angewidert ist.« Die beiden sind also sogar ihr zu extrem. Itamar Ben Gvir mit seinem offenen Rassismus und Bezalel Smotrich, Vorsitzender der Partei Religiöser Zionismus, der als designierter Justizminister einst den »Königsstaat Davids« ausrufen und die Halacha zur israelischen Gesetzesnorm machen wollte.
Bei Jamina, zu Deutsch »nach rechts«, ist der Name bereits Programm.
All das setzte Shaked nicht in die Realität um, nachdem sie auf dem Chefsessel im Justizministerium Platz genommen hatte. Dafür sollte sie dem in ihrem berüchtigten Wahlwerbespot gezeigten Versprechen alle Ehre machen. Darin hatte sie sich mit einem Parfum namens »Faschismus« eingesprüht. Eigentlich hatte das Video eine Satire auf die Unkenrufe sein sollen, die ihr genau diese Gesinnung nachsagten.
Stattdessen nahmen viele Israelis an, dass ihr der extreme Duft eigentlich ganz gut gefällt. Denn sie bemühte sich redlich, in der neuen Position die Macht des Obersten Gerichtshofs einzuschränken. Doch Widersprüche tut die 46-Jährige meist mit einem Schulterzucken ab.
Dass sie es in ihrem Wahlkampf nicht nur auf die Wähler des rechten Spektrums abgesehen hat, sondern ebenfalls auf solche aus dem religiösen Lager, ruft bei vielen Kopfschütteln hervor. Denn zu Hause ist Shaked, die mit einem ehemaligen Kampfpiloten verheiratet ist und zwei Kinder hat, im Norden von Tel Aviv, dem Inbegriff des von ihren Wählern eigentlich verachteten Hedonismus.
Auch ihre Eltern sind säkulare Juden, die Mutter wählte stets links, der Vater den Likud. Mittlerweile ist sie nicht mehr »nur« die einzige säkulare Frau in der religiös-nationalistischen Partei Jamina, sie ist seit dem Rückzug des einstigen Vorsitzenden Naftali Bennett auch die an der Spitze.
Einzug Und sie hat offenbar nicht vor, ihren politischen Erfolg, der sie aus den Büros der ehemaligen Premierminister Ehud Barak und Benjamin Netanjahu innerhalb weniger Jahre auf einige der wichtigsten politischen Posten in Israel hievte, ad acta zu legen. Dafür suchte sie sich jetzt einen Verbündeten, der ihr mehr als die notwendigen 3,25 Prozent der Stimmen bei der Wahl und damit den Einzug ins kommende Parlament sichert. Sie fand ihn in Yoaz Hendel, dem Vorsitzenden von Derech Eretz.
Wie Shaked hatte auch er als ideologischer Rechtspolitiker seinen Platz in der breiten Koalition, die derzeit als Übergangsregierung fungiert, nie wirklich gefunden. Ein Teil ihrer Wählerbasis war verärgert über Bennetts Entscheidung, mit linken Parteien und der islamistischen Raam-Fraktion in der Regierung zusammenzuarbeiten. Mehrere Abgeordnete liefen zu anderen Parteien über.
»Wir werden die Rechtswähler nicht Netanjahu oder Smotrich und Ben Gvir überlassen.«
Ayelet Shaked
Shaked selbst bezeichnet sich oft als wenig spirituell und ausgesprochen rational. Doch vielleicht kann eine Prise Übersinnliches vor den nächsten Wahlen nicht schaden, wie der Name des neuen Bündnisses, das unter dem Namen »Zionistischer Geist« firmiert, vermuten lässt. Derech Eretz erhielt die Plätze zwei und vier auf der Wahlliste der neuen Fraktion.
Shaked selbst wird die Partei anführen.Hendels Fraktion, früher Teil der Partei Neue Hoffnung von Justizminister Gideon Saar, war nicht in dessen Entscheidung einbezogen worden, sich für die Wahl am 1. November mit der Blau-Weiß-Partei von Verteidigungsminister Benny Gantz zusammenzuschließen. Jetzt erhofft sich Hendel, mit der willensstarken Partnerin an seiner Seite die 3,25-Prozenthürde zu knacken.
Diese Hoffnung teilen beide. Doch in einer entscheidenden Sache sind sie sich ganz und gar nicht einig. Denn während Shaked im vergangenen Monat vergeblich versucht hatte, Ex-Premierminister Netanjahu dabei zu helfen, eine neue Koalition ohne Neuwahlen zu bilden, lehnte Hendel jede Partnerschaft mit Netanjahu entschieden ab und nannte ihn »eine Person, die spaltet«.
zusammenschluss »Netanjahu ist das Problem, nicht die Lösung. Wenn es nach mir ginge, würde er in den Ruhestand gehen, auf Hawaii sitzen und einen Shake trinken«, so Hendel, der derzeit Kommunikationsminister ist.
Auch andere warnen vor einem Zusammenschluss mit Netanjahu. Einer von ihnen ist Benny Begin, Abgeordneter von der Partei Neue Hoffnung und Sohn des einstigen Ministerpräsidenten Menachem Begin. Er sprach von einer »echten Bedrohung der Demokratie«, wenn Netanjahu wieder an die Macht gelangen sollte.
Shaked will »Bibi« keinesfalls in Pension schicken. Sie schloss eine Partnerschaft mit ihm nicht aus und betonte, man wolle eine breite nationale Regierung bilden.
Shaked aber will »Bibi« keinesfalls in Pension schicken. Sie schloss eine Partnerschaft mit ihm nicht aus und betonte, man wolle eine breite nationale Regierung bilden, die den Likud einschließt, der nach den Wahlen voraussichtlich ohnehin die größte Partei sein wird. »Netanjahu steht an der Spitze der Likud-Partei. Ich glaube nicht, dass man die Stimmen von über einer Million Menschen einfach so ignorieren kann. Der Likud ist ein Partner in einer Einheitsregierung, und er wäre ihr Anführer.«
Allerdings wolle sie eine rechte Regierung mit einer knappen Mehrheit von vielleicht 61 Sitzen nicht unterstützen. Ihr Argument: Einzelne Abgeordnete und kleine Parteien hätten dann überproportional viel Macht und könnten ständig die Mehrheit bedrohen – die gescheiterte Acht-Parteien-Koalition lässt grüßen.
bedenken Auch hat sie nach eigenen Angaben moralische Bedenken, die Rechtsprechung im Land an die juristischen Bedürfnisse von Netanjahu anzupassen: »Ich werde nicht in einer Regierung sitzen, die den Generalstaatsanwalt entlässt oder ein Gesetz verabschiedet, das es einem amtierenden Premierminister ermöglicht, eine strafrechtliche Verfolgung zu vermeiden.« Netanjahu, dem derzeit in Jerusalem wegen Korruption in drei Fällen der Prozess gemacht wird, hatte in seiner letzten Amtszeit versucht, ein solches Gesetz voranzutreiben.
Wie sie den ideologischen Graben zwischen ihr und dem neuen Partner Hendel überbrücken will, erklärte sie nicht. Trotzdem gab sie sich im Hinblick auf den Wahltermin im November siegessicher. »Ich werde bis zum Ende kämpfen, und wir werden ein gutes Ergebnis erzielen. Es gibt einen großen Teil der Öffentlichkeit, der nach diesem zionistischen Geist sucht, der eine echte Regierung will und nicht Smotrichs Hassmaschinerie oder den Launen von Netanjahu ausgeliefert sein möchte. Genau das hat einen Platz in der israelischen Gesellschaft – und den vertreten wir.«