Dass das Leben in Israel teuer ist, weiß jeder, der schon einmal dort Urlaub gemacht hat. Einen Euro für einen Becher Joghurt, zwei für ein Wassereis im Miniformat und zehn bis zwölf, um ein paar Stündchen im Schwimmbad zu planschen. Auch die Einheimischen stöhnen und demonstrieren gegen die hohen Lebenshaltungskosten.
Doch da die sozialen Proteste vom vergangenen Jahr kaum spürbare Verbesserungen brachten, greifen die Bürger immer tiefer in die Trickkiste, um den sündhaft teuren Alltag meistern zu können. Besonders die Wohnkosten in und um Tel Aviv sind für Menschen mit gewöhnlichen Jobs und normalem Einkommen kaum mehr aufzubringen. Vor allem junge Israelis machen daher aus der Not der hohen Mieten eine Tugend und bieten ihre Apartments in den Sommermonaten gut betuchten Touristen aus dem Ausland an.
Umbau Nir Shahar weiß mittlerweile, wie es geht. Er wohnt im Süden von Tel Aviv, gerade einmal zehn Minuten vom Strand entfernt. »Wir sind mit der Gegend sehr verbunden«, erzählt er, während er seinen zweijährigen Sohn im Karren vor sich herschiebt. »Unsere Familien und Freunde leben hier, der Kindergarten ist um die Ecke, und wir lieben das Meer vor der Haustür.« Ans Wegziehen ist also nicht zu denken. Doch als das erste Kind unterwegs war, machten sich die Sorgen breit. »Wir haben gerechnet und gerechnet und kamen immer auf ein dickes Minus.«
Drastische Maßnahmen mussten her. Mithilfe von Freunden bauten die Eheleute ihre Drei-Zimmer-Eigentumswohnung um und trennten ein Ferienstudio mit Küchenzeile plus Hochbett ab. »Natürlich mussten wir mit zwei Kindern in einer Zweizimmerwohnung arg zusammenrücken. Aber das stört nur am Anfang«, sagt Shahar. »Jetzt haben wir keine großen Geldsorgen mehr, das macht das Leben viel leichter.«
Besonders gern würden die Shahars französische Touristen beherbergen, die seien relativ ruhig und zahlten ohne Murren 120 Dollar pro Nacht. Doch auch Geschäftsleute aus der ganzen Welt sind bei den Shahars gern gesehen.
Plattform Roee Ziv bestätigt den Trend zum Vermieten der eigenen Wohnung an Besucher. Der Gründer der Website www.tellavista.com weiß genau, wie es um den Lebensstandard seiner Landsleute bestellt ist. Vor drei Jahren rief er die Plattform für die kurzzeitige An- und Vermietung von privaten Wohnungen ins Leben. Schon wenig später war sie so erfolgreich, dass er und sein Bruder Nadav ihre Jobs als Ingenieure an den Nagel hängten und sich ausschließlich um ihr Internetangebot kümmerten.
»Wir haben ziemlich schnell festgestellt, dass das ein riesiger Markt ist«, erinnert sich Ziv, »und uns auf die Nachfrage eingestellt.« Die Anbieter seien vielfältig. Es gebe junge Leute oder Familien, die ihre vier Wände während der Ferien zur Verfügung stellen, um sich die Auslandsreise zu finanzieren. Andere würden zwischen zwei Ländern pendeln und ihre Wohnung nicht gern leer stehen lassen. Ein steigender Anteil jedoch nehme Untermieter auf, um sich das ganz gewöhnliche Leben in Israel leisten zu können.
»Mehr und mehr junge Leute ziehen im Juli und August wieder zu ihren Eltern, weil sie auf diese Weise locker 2.000 Euro pro Monat verdienen können«, erklärt der Fachmann. »Das lockt natürlich viele, die dann wieder für ein paar Monate ohne Probleme über die Runden kommen.« Man müsse jedoch auf gewisse Dinge achten. Etwa, ob der Eigentümer eine Untervermietung gestattet. »Sonst steht man vielleicht am Ende ganz ohne Dach da.«
Mittlerweile stehen auf der Website der Brüder Ziv nicht mehr nur Wohnungen in Tel Aviv, Jerusalem oder Caesarea, sondern im ganzen Land, von Ramat Gan über Givataijm und Michmoret bis nach Naharija. Außerdem bietet tellavista.com Unterkünfte in Amsterdam, Berlin und Barcelona an.
Rabatt Platz für andere machen will Miri Tomer nicht. Sie ist froh, nach zwei Jahren im Haus ihrer Eltern endlich wieder die Tür hinter sich schließen zu können. Mit ihren zwei Kindern lebt sie in der Nähe von Petach Tikwa und ist seit ihrer Scheidung ständig knapp bei Kasse. »Deshalb achte ich auf alles, womit ich sparen kann. Das ist fast wie ein Zweitjob geworden«, schmunzelt sie und klappt ihre Geldbörse auf. Mindestens 20 Karten stecken in verschiedenen Fächern. Eine gibt fünf Prozent Rabatt im Supermarkt, eine andere ermöglicht ein Familienabonnement in den Naturparks, eine Clubkarte gilt fürs Kino um die Ecke.
Zum Einkaufen fährt Miri nur noch gemeinsam mit Freundinnen. Die Aufschrift »Nimm drei – zahl zwei« zieht sie magisch an. »Die Angebote sind für normale Familien mit drei, vier Kindern zugeschnitten«, sagt sie. »Für Alleinerziehende wie mich sind drei Pakete Spinat oder sechs Tüten Pasta schlicht zu viel. Wenn wir aber zu dritt einkaufen, teilen wir uns die Angebote.«
Beim Essen spart Uri Levy wenig. Denn meist zieht es ihn ohnehin mit knurrendem Magen in die Küche seiner Ima. Sich dort gänzlich niederzulassen, käme dem Studenten jedoch nicht in den Sinn. »Das würde ich nicht eine Woche aushalten.« Stattdessen lädt er sich Mitbewohner auf Zeit ins Wohnzimmer ein. Uri kam auf die Idee, nachdem seine Freundin ausgezogen war und ihn mit Herzschmerz und einer horrenden Miete zurückgelassen hatte. Vermittelt werden die Besucher über Freunde und Bekannte, denn es gibt immer jemanden aus New York, L.A. oder Berlin, der für eine gewisse Zeit eine Bleibe sucht. Mittlerweile hat Uri das Konzept richtig lieb gewonnen. »Es sorgt nicht nur für gutes Geld, sondern auch für neue Freunde in der ganzen Welt.«