Gaza

IDF: Sinwars Tod bietet Chance für den Geiseldeal

Angehörige der Geiselfamilien fordern ein Ende des Gazakrieges und die sofortige Rückkehr der Geiseln nachdem der Tod Sinwars bekannt wurde Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Das israelische Militär geht davon aus, dass die Tötung des Hamas-Anführers Yahya Sinwar die bislang besten Voraussetzungen für einen Geiseldeal und einen Waffenstillstand bietet. Derzeit werden noch immer 101 Geiseln von der Terrororganisation im Gazastreifen festgehalten. Israelische Medien zitieren Quellen der IDF, die sagen, dass Sinwars Tod »ein Schock für die Verhandlungen bedeutet«, der diese wiederbeleben könne, und dass die israelische Regierung diese Gelegenheit nutzen müsse.

Es waren Nachrichten aus Gaza, auf die ganz Israel seit mehr als einem Jahr gewartet hat: der Tod des Drahtziehers des Massakers vom 7. Oktober 2023, Sinwar. Massaker, bei denen mehr als 1200 Menschen in südlichen Gemeinden Israels von Hamas-Terroristen ermordet und 251 Geiseln genommen worden waren. Die hebräische Zeile »Sinwar met« (Sinwar ist tot) ging ab Donnerstagabend in den sozialen Medien viral.

Am Ende war es Zufall, dass Sinwar in die Falle ging. Zwar war die IDF dem Massenmörder schon mehrmals sehr nahegekommen, doch am Ende konnte er sich immer wieder im riesigen Terrortunnelnetz der Hamas, das den gesamten Gazastreifen unterhöhlt, in ein Versteck retten. Bis zum vergangenen Mittwoch. An diesem Tag hatten Infanteriesoldaten der 828. Brigade bei einer Routinepatrouille mehrere Männer in den Ruinen im südlichen Gaza verfolgt.

Soldaten entdeckten die Leiche von Sinwar

Die Einheit eröffnete das Feuer auf das erste Haus, und die beiden Terroristen antworteten mit Granaten, wodurch einer der Soldaten schwer verletzt wurde. Anschließend zogen sich die Kräfte zunächst zurück und schickten eine Drohne, um das Gebäude zu durchsuchen. Eine weitere IDF-Einheit traf ein. Die Soldaten feuerten Artillerie und Panzergranaten auf das Gebäude.

Gegen 17.30 Uhr entdeckten IDF-Soldaten, die das Gebäude durchsuchten, die Leiche. Als es jedoch dunkel wurde, beschlossen sie, die Mission einzustellen, da sie befürchteten, dass das Gebiet mit Sprengfallen versehen sein könnte. Am nächsten Morgen erkannte die Armee durch Bilder einer zweiten Drohne, dass der Tote in dem Gebäude dem Massenmörder ähnelte. Sinwar war schon früher auf Bildern durch seine außergewöhlich abstehenden Ohren identifiziert worden. Diese Information wurde an den Chef des Südkommandos weitergegeben, der wiederum den Inlandsgeheimdienst Schin Bet benachrichtigte. Der Identifizierungsprozess begann.

An Sinwars Leiche wurden Papiere und 40.000 Schekel (umgerechnet etwa 10.000 Euro) gefunden. Am Freitagmorgen wurde in der Gegend ein weiterer Terrorist getötet, der vermutlich zu Sinwars Zelle gehörte.

»Ein schwerer Schlag gegen das Böse ist endlich gelungen. Wir haben den Meistermörder Yahya Sinwar eliminiert.«

Am Donnerstagabend, nach DNA- und Gebissabgleich, wurde der Tod des Hamas-Anführers offiziell bestätigt. Später wurde berichtet, dass der Arzt, der die Leiche obduzierte, bestätigt hatte, Sinwar sei durch einen Kopfschuss getötet worden. Laut offiziellen Angaben verbrachte Sinwar wahrscheinlich 90 Prozent der Zeit unter der Erde.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu triumphierte: »Ein schwerer Schlag gegen das Böse ist endlich gelungen. Wir haben den Meistermörder Yahya Sinwar eliminiert.« Er sei stolz auf die Soldaten und das gesamte israelische Volk.  

Einige Wochen zuvor hatte die IDF DNA-Proben aus einem unterirdischen Bunker von Sinwar gesammelt, nur einige hundert Meter von dem Ort entfernt, an dem die sechs jungen Geiseln ermordet wurden. Alles deutete darauf hin, dass er sich im Viertel Tel al-Sultan im Süden von Gaza befand. Dieses Viertel ist seit Mai von der IDF umzingelt. Durchsuchungen hatten Informationen über Sinwar und Hamas-Militärchef Mohammad Deif zutage befördert. Die Armee bestätigte Deifs Tod nach einem IDF-Angriff im Juli.

Doch auch nach Sinwars Tod scheint ein Ende des Krieges nicht unmittelbar bevorzustehen. Weder in Gaza noch im Norden Israels. Die Hamas schwor weiterzukämpfen, erklärte, dass sie »jetzt noch stärker« sei und dass das Töten von Anführern nicht das Ende der Organisation bedeute.

Tod könnte Wendepunkt für Gespräche bedeuten

Der nationale Kommunikationsberater des Weißen Hauses, John Kirby, indes meinte, dass Sinwar das Haupthindernis für einen Waffenstillstand im Gaza-Konflikt gewesen sei und dass seine Tötung einen »Wendepunkt« geschaffen habe, der die Gespräche zur Beendigung des Krieges beschleunigen könne.

Netanjahu betonte allerdings am Donnerstag, dass man sich in einem »Krieg der Wiederauferstehung« befinde und die israelischen Streitkräfte auch nach der Tötung Sinwars »bis zum Ende weitermachen« würden. Auf die Frage, ob ihn irgendetwas abhalten könne, antwortete er: »Nein, nichts wird uns abhalten. Wir machen weiter, bis wir siegen.«

Familienmitglieder der verbliebenen 101 Geiseln, die sich noch in Gaza befinden, versammelten sich auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv, nachdem die Nachricht bekannt wurde. Angehörige demonstrieren seit einem Jahr regelmäßig und fordern die israelische Regierung auf, einen Waffenstillstandsvertrag mit der Hamas abzuschließen, um ihre Verwandten nach Hause zu bringen.

Einav Zangauker, deren Sohn Matan von der Hamas verschleppt wurde, wandte sich direkt an den israelischen Premier und flehte: »Begraben Sie die Geiseln nicht. Gehen Sie jetzt, nach dem Tod Sinwars, zu den Vermittlern und an die Öffentlichkeit und legen Sie eine neue israelische Initiative vor.«

Benjamin Netanjahu

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