Montagnacht hat die israelische Armee (IDF) nach eigenen Angaben eine begrenzte Bodenoffensive im Libanon gestartet. Diese richte sich gegen Stellungen der Terror-Miliz Hisbollah, die Israel seit dem 8. Oktober beinahe täglich mit Raketen angreift. Die vom Iran kontrollierte Terrorgruppe handelt nach eigenen Angaben aus Solidarität mit den Terroristen der Hamas im Gazastreifen.
Die israelische Armee sprach von Angriffen auf Ziele in Grenznähe, die eine unmittelbare Bedrohung für Gemeinden in Nordisrael darstellten. Israels Luftwaffe bombardierte am späten Abend zudem erneut Ziele nahe der libanesischen Hauptstadt Beirut.
Die IDF teilten auf X mit, vor einigen Stunden habe man »mit begrenzten, lokalisierten und gezielten Bodenangriffen auf der Grundlage präziser Geheimdienstinformationen gegen terroristische Ziele und Infrastruktur der Hisbollah im Südlibanon« begonnen. Diese Ziele der Terrororganisation befänden sich in grenznahen Dörfern.
Zwei Verletzte
Am Mittag (Ortszeit) wurde in zahlreichen nördlichen Ortschaften aufgrund einfliegender Terror-Raketen Alarm gegeben. Dazu gehörten Dishon, Iftach, Malkia, Mevuot Hermon, Metulla und Ramot Naftali. Zwei Israelis wurden auf Fernstraßen durch die Hisbollah-Angriffe verletzt.
Die Route 6, eine Autobahn, wurde in Höhe von Horeshim in beiden Richtungen gesperrt, nachdem eine explodierende Rakete Fahrbahnschäden verursacht hatte.
In Tel Aviv heulten ebenfalls Sirenen. Von Geschossen der Hisbollah verursachte dumpfe Schläge waren zu hören.
»Intensive Kämpfe«
Heute früh veröffentlichten die IDF bei X eine »dringende Warnung an die Bewohner des Süd-Libanon« auf arabisch. Es komme im südlichen Abschnitt des Landes »zu intensiven Kämpfen, bei denen Hisbollah-Mitglieder das zivile Umfeld und die Bevölkerung als menschliche Schutzschilde für Angriffe ausnutzen«.
Die Menschen werden in der Mitteilung dazu aufgerufen, nicht südlich des Litani-Flusses zu fahren, der etwa 30 Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Laut einer UN-Resolution dürfen Hisbollah-Kämpfer sich nicht südlich dieser Linie aufhalten.
Nach dem letzten Libanon-Krieg 2006 waren diese jedoch allmählich in das Gebiet zurückgekehrt. Israel will erreichen, dass sie sich wieder zurückziehen, um die sichere Rückkehr von etwa 60.000 Bürgern in den Norden des Landes zu ermöglichen.
Rückkehr in den Norden
Laut Resolution 1701 der Vereinten Nationen darf die Hisbollah weder in dieser Gegend an der Grenze vertreten sein, noch darf sie Israel täglich angreifen, wie sie es seit dem 8. Oktober tut.
Die israelische Luftwaffe und die Artillerie unterstützten die Bodentruppen mit präzisen Angriffen auf militärische Ziele in diesem Gebiet, hieß es. Die Armee tue alles, was notwendig sei, um die Bürger Israels zu verteidigen und die Bewohner des Nordens in ihre Häuser zurückzubringen.
Die Operation werde parallel zu den Kämpfen im Gazastreifen gegen die Hamas und in anderen Gebieten fortgesetzt. Für den Einsatz seien die Soldaten in den vergangenen Monaten trainiert worden. Israel will die Rückkehr von 60.000 Israelis ermöglichen, die seit Monaten durch die Hisbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben wurden.
»Wir sind bereit«
Am Montag hatte sich erstmals nach der Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah die Spitze der islamistischen Terrorarmee zu Wort gemeldet und ihre Kampfbereitschaft signalisiert. »Wir wissen, dass der Kampf lang dauern könnte und sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet«, sagte der stellvertretende Hisbollah-Chef Naim Kassim in einer im Fernsehen übertragenen Rede.
»Wenn Israel sich entscheidet, eine Bodenoffensive zu starten: Wir sind bereit.« Wer die Hisbollah anführen soll, sagte er nicht. Medienberichten zufolge schien Kassim zu schwitzen, während er die Rede hielt.
Am frühen Dienstagmorgen wurde Israel weiterhin von der Hisbollah mit Raketen angegriffen. Die Armee teilte mit, in Gegenden in Nordisrael seien insgesamt etwa ein Dutzend Geschosse abgefangen worden. Einige seien im offenen Gelände abgestürzt. Zudem habe die Luftabwehr vor Kurzem eine Drohne Dutzende Kilometer vor der Küste Zentralisraels abgefangen, hieß es weiter.
Tausende Raketen
Am Freitag waren bei einem gezielten israelischen Luftangriff der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah und weitere Hisbollah-Mitglieder in einer Terror-Zentrale in Beirut getötet worden. Diese Kommandozentrale der Hisbollah befand sich unter Wohngebäuden,denn die Hisbollah missbraucht Zivilisten als lebende Schutzschilde – ebenso wie die Hamas in Gaza.
Auch in der Nähe Beirut bombardierte die israelische Luftwaffe erneut Terror-Ziele. Eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtete am Abend von mindestens sieben schweren Explosionen und Erschütterungen in einem südlichen Vorort. Zuvor hatte ein Sprecher der IDF Einwohner der südlichen Vororte von Beirut über soziale Medien zum Verlassen ihrer Häuser und Wohnungen aufgefordert, um sie zu schützen.
Erwartete Offensive
Die Bodenoffensive war erwartet worden. Israel hatte Washington nach Angaben der US-Regierung über begrenzte Einsätze des Militärs an der libanesischen Grenze informiert. Israel habe mitgeteilt, dass es sich dabei um »begrenzte Operationen« handele, die sich auf »die Infrastruktur der Hisbollah in der Nähe der Grenze« konzentrierten, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller.
Vor Beginn der israelischen Bodenoffensive hatte die libanesische Armee laut Militärkreisen Soldaten von der Grenze zurückgezogen. Mehrere Gegenden in Nordisrael wurden zu militärischem Sperrgebiet erklärt.
Das Pentagon kündigte am Abend an, seine militärischen Fähigkeiten im Nahen Osten angesichts der aktuellen Lage entsprechend auszurichten. »Wir haben die Einsatzbereitschaft zusätzlicher US-Kräfte erhöht, um auf verschiedene Eventualitäten zu reagieren«, sagte Sprecherin Sabrina Singh. Demnach würden bereits im Nahen Osten stationierte Truppen länger im Einsatz bleiben. Ursprünglich zu deren Ersatz vorgesehene Truppen würden zur weiteren Verstärkung hinzugezogen. Es gehe insbesondere um die Verteidigung aus der Luft.
USA warnen Iran
US-Außenminister Lloyd Austin sprach nach Beginn der Bodenoffensive eine Warnung Richtung Iran aus. Er schrieb auf der Plattform X nach einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Joav Gallant : »Ich habe erneut auf die schwerwiegenden Konsequenzen für den Iran hingewiesen, falls dieser sich zu einem direkten militärischen Angriff auf Israel entschließen sollte.« Er habe deutlich gemacht, dass die Vereinigten Staaten das Recht Israels auf Selbstverteidigung unterstützten.
Zehntausende Libanesen flohen aus ihren Dörfern und Städten. Viele harren in der Hauptstadt Beirut aus. Die Situation dürfte bei vielen der rund neun Millionen Einwohner des Landes Erinnerungen an den letzten Krieg zwischen Israel und der Hisbollah vor 18 Jahren wecken.
Angesichts der sich verschärfenden Lage flog ein Flugzeug der Bundesluftwaffe Botschaftspersonal aus Beirut aus. An Bord der Bundeswehrmaschine waren nach Angaben des Auswärtigen Amtes rund 110 Passagiere. Sie landete am Abend in Berlin auf dem Hauptstadtflughafen BER, wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes bestätigte. Großbritannien charterte für die Ausreise seiner Bürger ein Flugzeug, das am Mittwoch starten soll. dpa/ja