Tragödie

Israelische Soldaten erschießen irrtümlich drei Geiseln in Gaza

Samer Talalka, Alon Shamriz und Yotam Haim wurden versehentlich von israelischen Soldaten erschossen Foto: Privat, von Familien freigegeben

Drei Geiseln, die ihren Kidnappern in Gaza entkommen waren, sind am Freitag in einem tragischen Zwischenfall von der israelischen Armee erschossen worden. Eine erste Untersuchung des Militärs habe ergeben, dass die Truppe bei der Eröffnung des Feuers gegen IDF-Vorschriften verstoßen habe.

Bei den Drei handelt es sich um Yotam Haim (28) und Alon Shamriz (26), beide aus dem Kibbuz Kfar Aza sowie Samer Fuad El-Talalka (24) aus Hura, der im Kibbutz Nir Am arbeitete. Alle drei jungen Männer waren am 7. Oktober von Terroristen der Hamas entführt worden.

»Nach dem Beschuss entstand sofort ein Verdacht hinsichtlich der Identität der Verdächtigen, und ihre Leichen wurden identifiziert«, sagte IDF-Sprecher Daniel Hagari. »Es handelt sich um ein tragisches Ereignis, das sich in einem Kampfgebiet mit vielen Terroristen ereignete. Wir sind gerade dabei, die Fakten zu sammeln und die Einzelheiten zu klären«. Hagari sprach den Angehörigen sein tiefstes Beileid aus.

Geiseln trugen weiße Flagge

Wie die Armee bekanntgab, trug eine der Geiseln eine weiße Flagge. Die Drei hatten zudem ihre Hemden ausgezogen, um den Soldaten anzuzeigen, dass sie keinen Sprengstoff am Körper trugen. Den Ermittlungen zufolge identifizierte ein Soldat, der in einem der oberen Stockwerke eines Gebäudes in der Gegend stationiert war, drei Gestalten. Aus irgendeinem Grund habe er sich bedroht gefühlt und das Feuer eröffnet

Der Kommandant sei dann am Tatort eingetroffen, während ein anderer IDF-Trupp in der Nähe der dritten Geisel folgte, der es gelang, in ein Versteck im Gebäude zu fliehen. Dem Bericht zufolge hörten die Soldaten Hilferufe auf Hebräisch. Trotzdem seien die Soldaten davon ausgegangen, dass es sich um einen Hamas-Terroristen handelte, der versuchte, sie »in eine Falle zu locken«. Sie stürmten das Gebäude und töteten die Geisel.

»Yotam ist 28, aber für uns ist er wie unser Baby. Er muss zu uns zurückkommen.«

Iris Haim

Das offensichtlich europäische Erscheinungsbild einer der toten Geiseln hätte eine Untersuchung ausgelöst, die ihre Identität und den tragischen Ausgang der Aktion enthüllte. In der Untersuchung erklärten die IDF, Terroristen hätten in der vergangenen Woche versucht, die Truppen in Fallen zu locken, indem sie auf Hebräisch »Hilfe« riefen.

Weiter erklärte das Militär, dass Soldaten zwei Tage zuvor in der Gegend ein Gebäude entdeckten, an dessen Wand die Aufschrift »SOS« und »Hilfe! Drei Geiseln« stand. Eine in der Region operierende Einheit markierte das Gebäude als mögliche Falle. Der Beschuss habe gegen den Befehl verstoßen, dem zufolge Soldaten kein Feuer auf unbewaffnete Zivilisten oder Personen mit einer weißen Flagge eröffnen dürfen, hieß es. Die weiße Flagge zeigt eine Kapitulation an.

»Wir haben weder uns selbst noch die Truppen auf die Möglichkeit vorbereitet, dass Geiseln auf den Straßen in Gaza auftauchen«, wird ein hochrangiger Offizier der IDF in israelischen Medien zitiert. »Das ist eine schreckliche Tragödie für uns alle und ein komplexes Szenario für die Armee«, sagte er. Er glaube nicht, dass es sich um »ein Versagen der Werte« handele. Man lerne aus dem Ereignis und wende die gewonnenen Erkenntnisse auf die Kämpfe im Gazastreifen an.

Spontane Demonstration in Tel Aviv

Noch wenige Tage zuvor hatte sich die Mutter von Yotam, die Krankenschwester Iris Haim, an die Öffentlichkeit gewandt und gesagt: »Yotam ist 28, aber für uns ist er wie unser Baby. Er muss zu uns zurückkommen.«

In Tel Aviv demonstrierten nach der Tragödie spontan Hunderte von Menschen. Sie schwenkten Schilder mit den Namen und Bildern vieler Geiseln und forderten die Regierung auf, sofort eine Einigung mit der Hamas über eine Freilassung der weiterhin in der Gewalt der Terrororganisation befindlichen Geiseln zu erzielen.

»Die Führung Israels verhält sich so, als hätten sie die Gefangenen aufgegeben.«

Uri Svirsky

Den Demonstranten zufolge spiegelt der Vorfall die Gefahr wider, die die anhaltenden Angriffe der IDF in Gaza für die israelischen Geiseln darstellen. »Ständig gibt es neue Nachrichten über Todesfälle und Morde von Geiseln«, schrieb das Forum für Familien der Vermissten und Gekidnappten in einer Erklärung.

Viele der Angehörigen kritisierten auch die Regierung scharf. Uri Svirsky, Cousin von Itay Svirksy, der Geisel in Gaza ist, sagte: »Die Führung Israels verhält sich so, als hätten sie die Gekidnappten aufgegeben. Wir bekommen sie als Leichen zurück. Sie werden durch die Bombenanschläge, durch fehlgeschlagene Rettungsaktionen und das Feuer unserer eigenen Streitkräfte getötet – sogar, wenn es ihnen gelingt, der Hamas zu entkommen.«

»Sie versuchen uns zu verkaufen, dass die Kämpfe den Geiseln helfen. Aber Tatsache ist, dass die Kämpfe die Geiseln töten«, fügte er wütend hinzu. »Wir fordern, dass die israelische Regierung bereit ist, den Preis zu zahlen und den Gefangenen Vorrang einräumt.« Viele kritisierten auch Premierminister Benjamin Netanjahu direkt.

Raz Ben Ami, die Ehefrau von Ohad Ben Ami, der weiterhin in der Gewalt der Hamas ist, sagte am Samstagnachmittag: »Wir haben das Kriegskabinett angefleht und gesagt, dass die Kämpfe die Geiseln gefährden könnten. Leider hatten wir Recht.«

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