Frau Gross, Ihr neues Buch »Das Leben und was ich trug« ist vor Kurzem erschienen. Worum geht es?
Um Libby, Moderedakteurin eines Magazins, die sich sicher ist, die Nachfolgerin der Chefredakteurin zu werden. Doch nicht sie erhält die Stelle, sondern ihre Erzfeindin wird zur neuen Chefredakteurin. Die Handlung ist aber eigentlich nur ein Vorwand, um über allerlei Einsichten des Lebens zu schreiben. Es geht um die Modewelt, Erfahrungen, wie man verzeiht, und darum, dass man manchmal akzeptieren muss, dass nicht alle miteinander auskommen.
Sind Sie Libby?
Nein, gar nicht. Es gibt natürlich viele Teile des Buches, die in Anlehnung an meine eigenen Erfahrungen entstanden sind. Bis jetzt ist bin ich aber im echten Leben noch nicht auf Charaktere wie die in meinem Buch gestoßen. Außerdem habe ich keine Erzfeindin dieser Art. Im Gegenteil, ich durfte schon mit so vielen tollen Redakteuren zusammenarbeiten, dass ich mich irgendwann gefragt habe, was wäre, wenn ich mit jemandem arbeiten müsste, der weniger warmherzig und menschlich ist.
Sie haben selbst einen Modeblog. Was interessiert Sie an Kleidern, Trends und Stoffen?
Ich liebe Mode sehr. Es ist etwas, was mir gefällt und was mir auf eine ganz natürliche Weise liegt. Mode ist aber nicht das Einzige, was mich interessiert. Es sind vor allem Menschen, die mich faszinieren. Anhand der Mode kann ich viel über einen Menschen lernen, aber die Frau beschäftigt mich immer mehr als das, was sie trägt oder wer es entworfen hat. Es ist interessant, welche modischen Entscheidungen Menschen treffen, was sie mit dem, was sie anhaben, ausdrücken möchten, oder was sie vielleicht auch verstecken wollen.
Würden Sie dem Sprichwort: »Kleider machen Leute« zustimmen?
Nein, ich glaube tatsächlich, das Gegenteil ist der Fall. Wenn du dich sehr gut kennst, kannst du Kleidung benutzen, um deine Persönlichkeit zu unterstreichen. Aber wenn ein Mensch Kleider trägt, die ihm überhaupt nicht stehen, hilft das auch nichts. Das wirkt dann sehr schnell künstlich. Die Kleidung von Menschen, die wir bewundern, wird zu einer Art Uniform, die etwas Bestimmtes symbolisiert. Zum Beispiel die Stan-Smith-Schuhe von Adidas, die wurden vom Modehaus Celine zu einer Art Uniform gemacht. Was wir heute fühlen und denken, wenn wir den Schuh sehen, ist auf Celine zurückzuführen. In meinen Augen ist das ganz klar ein Fall von »Der Mensch macht die Kleidung«.
Das heißt, heute gibt es Kleidung, die gesellschaftliche Gruppen oder eine ganze Generation repräsentieren?
Genau! Hinter der Kleidung steht jemand, aber die Idee, die wir von diesem Menschen haben, entsteht durch seine Kleidung.
Ist das etwas Gutes?
Ich weiß es nicht. Ich habe mir das noch nie überlegt. Was uns glücklich macht und inspiriert, kann ja eigentlich gar nicht schlecht sein. Es ist doch toll, wenn wir Werte, die wir vertreten, anhand von Mode verstärken. Außerdem gibt Kleidung Menschen oft auch ein Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit. Wenn du jemanden aufgrund seiner Kleidung automatisch zu etwas machst, was er vielleicht gar nicht ist, dann ist das wiederum schlecht. Es hängt auch davon ab, von wem du dich inspirieren lässt.
Israelische Politiker kleiden sich meistens weniger formell als deutsche Politiker. Woran liegt das?
Ich glaube, es kommt daher, dass Israel ein sehr junger Staat ist, der seine Modetraditionen noch nicht definiert hat. Israel steht immer noch am Anfang eines Prozesses, nämlich die Kulturen, die aus den verschiedenen Ländern mitgebracht wurden, miteinander zu vereinen. Es wird sich bestimmt eine Tradition entwickeln – angepasst an das Wetter, denn einen Anzug bei israelischen Temperaturen zu tragen, ist etwas schwierig. Trotzdem können andere modische Formen der Kleidung entworfen werden, die formell und offiziell sind.
Sehen Sie manchmal Nachrichten und denken sich: »Was hat der schon wieder an?«
Nein, meistens denke ich mir erst einmal: »Oj, was redet der schon wieder.«
Gibt es Politiker, die sich gut kleiden?
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel beeindruckt mich immer, aber auch Zipi Livni – unabhängig davon, was ich über sie als Politikerin denke – kleidet sich gut.
Und was denken Sie über die Kleidung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu?
Er versteht es, sich zu kleiden, das liegt, glaube ich, auch daran, dass er die Welt bereist und schon im Ausland gelebt hat. Er ist nicht außergewöhnlich, gehört aber schon zu den besser Gekleideten.
Wie beeinflusst ausländische Mode Israel?
Ich glaube, es ist nur natürlich, dass wir aufgrund der Globalisierung von anderen Ländern beeinflusst werden. Wir sind ein kleines Land, und es tut nicht weh, einmal nach draußen zu schauen.
Haben israelische Designer im Wettkampf mit den großen ausländischen Ketten überhaupt eine Chance?
Ja, die israelischen Designer haben den Vorteil, dass sie die örtlichen Begebenheiten kennen und wissen, was den Israelis steht. Trotzdem ist es schwierig, denn da sind auch noch die Preise.
Gut, das Problem gibt es aber auch in Europa ...
... schon, aber hier ist der Markt viel kleiner, wir reden von unterschiedlichen Maßstäben. Es gibt weniger Menschen, die dazu bereit sind, mehr Geld für Kleidung auszugeben, die aus Israel kommt.
Mit der Journalistin und Modebloggerin sprach Naomi Bader.
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