Herr Botschafter, am 22. Januar wird in Israel gewählt. Sie haben bereits vor einer Woche Ihre Stimme in Berlin abgegeben – mit welchen Gedanken?
Als Bürger des Staates Israel ist es mir wichtig, dass ich alle paar Jahre die Möglichkeit habe, Einfluss auf die Politik meines Landes zu nehmen. Egal, ob es sich um Kommunalwahlen handelt oder um die Abstimmung zur Knesset: Ich gehe wählen. In diesem Sinne habe ich auch meine Kinder erzogen. Jeder entscheidet sich für die Partei, die er bevorzugt. Aber wichtig ist, sein Stimmrecht wahrzunehmen. Es ist eine Pflicht, aber auch ein Recht.
Inwiefern?
Wir betrachten es als selbstverständlich, dass Israel ein demokratischer Staat ist, in dem jeder die Möglichkeit hat, seine Meinung frei zu äußern und schlussendlich bei der Wahl die zukünftige Politik mitzubestimmen. Aber gerade hier in Deutschland, wo noch vor wenigen Jahren die Wahlen im Ostteil des Landes alles andere als frei waren, erhält man eine ganz andere Perspektive. Ich schätze es sehr, dass meine Stimme als Bürger gilt. Viele Menschen auf der Welt und auch in der Region des Nahen Ostens wären froh, wenn sie dieses Recht für sich in Anspruch nehmen könnten.
Warum haben nur Diplomaten, aber nicht andere außerhalb Israels lebende Staatsbürger die Möglichkeit, im Ausland zu wählen?
So ist die Rechtslage, die aber von der Politik immer wieder diskutiert wird. Derzeit gilt: Briefwahlmöglichkeiten gibt es nicht. Und im Ausland lebende Staatsbürger – wenn sie nicht im diplomatischen Dienst sind – können nur abstimmen, wenn sie zur Wahl selbst nach Israel reisen.
Wie steht es um die Frage – wie jüngst in der Knesset wieder diskutiert –, ob Juden im Ausland die Möglichkeit erhalten sollten, Einfluss auf die Politik des jüdischen Staates zu nehmen?
Es gibt eine öffentliche Debatte dazu in Israel. Die Mehrheit ist der Auffassung, dass man im Land leben muss, wenn man auf die Politik Einfluss nehmen will. Zudem kann man nur denen das Wahlrecht einräumen, die Bürger des Staates sind. Ich bin der Auffassung, dass Juden in der Diaspora andere Möglichkeiten haben, ihre Meinung in Israel kundzutun.
Wie wird die Knesset-Wahl ausgehen?
Ich bin kein Prophet.
Aber Israel ist das Land der Propheten.
Dennoch werden die Ergebnisse frühestens am Abend des 22. Januar feststehen. Und erst danach werden wir wissen, in welche Richtung es sich entwickeln könnte. Denn in Israel geht es nicht nur darum, wer die meisten Stimmen erhält, sondern wie viele Gruppen oder einzelne Abgeordnete sich auf ein Programm und einen Kandidaten einigen. Koalitionen mit mindestens fünf oder sechs Parteien müssen gebildet werden. So wie es jetzt aussieht, wird der Premierminister auch in Zukunft Benjamin Netanjahu heißen. Jedoch hat er vor Kurzem selbst darauf hingewiesen, dass er längst noch nicht gewählt ist.
Mit dem Botschafter des Staates Israel sprach Detlef David Kauschke.