Herr Kutiel, sind diese aufreibenden Zeiten, in denen die Corona-Pandemie so viel in unserem Leben bestimmt, schwierig für Sie als Künstler, oder können sie auch Inspiration sein?
Ich lebe in einem völlig abgelegenen Ort, im Kibbuz Tzeelim in der Negevwüste. Da bin ich weit weg von der ganzen Action. Ich finde das alles manchmal tatsächlich inspirierend. Allerdings haben viele meiner Freunde ihre Arbeit verloren, das finde ich sehr traurig.
Wie hat sich die Arbeit für Sie im Moment verändert – oder hat sie es gar nicht?
Ich fühle es wirklich nicht sehr. Ich trete ohnehin nicht oft auf oder gehe viel aus, sondern arbeite meist allein. Meine alltägliche Routine ist dieselbe: Ich stehe auf, gehe ins Studio, verbringe den ganzen Tag dort und komme wieder nach Hause. Alles beim Alten.
Warum das Pseudonym »Kutiman«?
Eigentlich fing es mit »Kuti« an. Auch mein Vater ist »Kuti«. Ich weiß gar nicht mehr, wie das entstand. Von meinem Nachnamen kam »Kuti«, und irgendwann hat man mich in der Tel Aviver Musikszene »Kutiman« genannt, ich denke in Anlehnung an Jamaica, wo man ein »man« an den Namen hängt.
Erzählen Sie uns etwas über Ihre Anfänge als Musiker.
Ich bin in Jerusalem geboren und in Haifa und Zichron Yaakov aufgewachsen, weil meine Eltern umgezogen waren. In die Musik habe ich mich im Alter von sechs Jahren verliebt, als ich meinen Nachbarn Klavier spielen hörte. Auf der Oberschule war das Klavier aber nicht mehr cool genug, also habe ich Gitarre und Drums hinzugefügt. Ich war auf der Rimon School of Music in Tel Aviv. Obwohl ich es dort nicht lange ausgehalten habe, war es eine wichtige Weggabelung für mich. Ich zog nach Tel Aviv und lernte viele Leute kennen.
Sie sind nicht nur Musiker, sondern auch Produzent, Komponist und Videokünstler und suchen gleichgesinnte Talente im Internet. Wie hat das angefangen?
Als ich YouTube für mich entdeckte, dieses wundersame Ding, begann ich, viel zu lernen. Denn ich liebe es, für mich allein zu lernen. Ich schaute mir Musik-Tutorials an, um mein Klavier- und Schlagzeugspiel zu verbessern. Dann öffnete ich einen Tab nach dem anderen. Und plötzlich begannen diese Musiker, miteinander Musik zu machen. Es war fantastisch. Für mich war es das erste Mal, dass ich mehrere Dinge zusammenfügte. Da wusste ich, dies wird eine Reise für mich werden.
Wie wichtig sind visuelle Effekte für Ihre Kreativität?
Ich kann nicht genau sagen, wie wichtig sie sind. Aber das Visuelle ist etwas, womit ich schon lange spielen wollte, ich war immer neugierig darauf und versuche, etwas zu kreieren, das zusammenpasst. Manchmal gönne ich meinen Ohren eine Pause und arbeite mit meinen Augen. In den vergangenen Jahren ist es definitiv immer wichtiger geworden, da man Videos überall anschauen kann. Visuals und Musik sind praktisch zu einer Sache geworden.
In Ihrem neuen Projekt »Wachaga« gönnen Sie weder den Ohren noch den Augen eine Pause. Es ist wie ein Trip in eine andere Welt, wie gemacht für diese Zeiten. Aber es ist die Geschichte Ihrer Reise nach Afrika im Jahr 2014. Was brachte Sie nach Tansania?
Eigentlich war es eine Auftragsarbeit für eine Reiseagentur. Anfangs sollte es ein Video wie mein »Mix Tel Aviv« werden. Aber als ich in Tansania war, merkte ich, dass ich mehr aus der Reise machen und tiefer eintauchen möchte. Dann habe ich Musiker beim Spielen gefilmt. Als ich wieder zurück war, bearbeitete ich das Material mit Ausrüstung und machte es etwas »trippier«. Es passiert eigentlich oft, wenn ich im Studio bin. Das ist ein bisschen wie Abendessen zuzubereiten. So, als ob ich einkaufen gehe und die Zutaten besorge. Wenn ich dann zu Hause bin, lasse ich mich von den einzelnen Teilen inspirieren und kreiere das Ganze.
Welches waren Ihre eindrucksvollsten Erlebnisse in Afrika?
Die ganze Erfahrung dieser zehn Tage war wahnsinnig intensiv. Wir sind jeden Tag an einen anderen Ort in Tansania und Sansibar gefahren. Von morgens bis nachts filmen, fahren und arbeiten. Und zwischendurch habe ich so vieles gesehen, das ich zuvor noch nie in meinem Leben gesehen hatte.
Es hat sechs Jahre gedauert, bis das Studioalbum »Wachaga« fertiggestellt war. Warum so lange?
Alles, was ich veröffentliche, braucht so lange. Ich arbeite zwei oder drei Monate daran, und dann liegt es für sechs Jahre im Regal. Ich springe von einem Projekt zum nächsten. So arbeite ich eben.
Der Track »Massai in Dub« vom neuen Album ist wie ein psychedelischer Trip. Entstand das beim Machen, oder war es von Anfang an Intention?
Ich habe ein bisschen mit den Aufnahmen gespielt und wollte dann eine Dub-Version machen. Warum, weiß ich gar nicht. Bei Dub nimmt man die originale Version und mischt sie anders ab. Man fügt Effekte hinzu und kreiert eine neue Version. So entstand der Track.
Ihr musikalisches Gemeinschaftsprojekt »Thru you« wurde über Nacht eine Sensation auf YouTube. Wäre jetzt, wenn kein Künstler auftreten kann und alle zu Hause feststecken, nicht die perfekte Zeit für »Thru you 2.0«?
Das stimmt, es wäre heute ideal. Ich finde es immer noch großartig. Allerdings bin ich dieser Sache etwas überdrüssig geworden. Ich bin jetzt ganz woanders.
Wo denn?
Ich lerne gerade, mit einer neuen 3D-Software für die visuellen Effekte umzugehen. Zudem habe ich viele musikalische Projekte, die schon lange im Regal liegen und die ich veröffentlichen will. Und ich freue mich darauf.
Wie planen Sie, »Wachaga« zu bewerben, wenn Sie nicht reisen oder Leute treffen können?
Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht so genau. Aber ich arbeite mit einem Partner, der sich mehr darum kümmert, die Dinge zu veröffentlichen und nach vorn zu bringen. Und vielleicht werden wir ja auch bald wieder auftreten.
Einige Videos zum Album »Wachaga« sind auf Kutimans YouTube-Kanal zu sehen.
Die Fragen stellte Sabine Brandes.