Achteinhalb Monate war Tal Shoham unter der Erde eingekerkert. In einem Exklusivinterview mit dem US-amerikanischen Sender Fox hat die österreichisch-israelische Geisel schockierende Details der Gefangenschaft in Gaza preisgegeben. Shoham überlebte 505 Tage in der Gewalt der Hamas unter unmenschlichen Bedingungen, nachdem er am 7. Oktober 2023 während des Überfalls der Terrororganisation auf südliche israelische Gemeinden verschleppt worden war.
Tal, seine Frau und ihre beiden Kinder, waren aus ihrem Wohnort im Norden in den Kibbuz Be’eri gereist, um das jüdische Fest Simchat Tora zu feiern. Als die Sirenen wegen Raketen aus Gaza ertönten, habe sich die ganze Familie in den Sicherheitsraum begeben. Angekommene Terroristen hätten dann die Fenster eingeschlagen. Er befürchtete, sie könnten eine Granate ins Haus werfen und traf er eine schwere Entscheidung: »Ich ging hinaus und hob die Hände.«
Die Terroristen »mit Mordlust in den Augen« hätten ihn in den Kofferraum eines Autos geworfen und seien mit ihm über die Grenze nach Gaza gefahren. Als sie ihn aus dem Kofferraum herausholten, richteten seine Entführer eine Waffe auf ihn. »Ich hob die Hände, aber ich weigerte mich, niederzuknien. ›Wenn ihr mich töten wollt, tötet mich‹, sagte ich. ›Aber ihr richtet mich nicht hin wie der Islamische Staat.‹«
Er wurde allein in Ketten gefangen gehalten
Er sei zunächst bei einer Familie »allein in Ketten festgehalten worden«. Die Gefangenschaft sei sehr hart gewesen. »Die ersten drei Tage habe ich Fladenbrot gegessen. Dann haben sie mir keins mehr gegeben. Die Lebensmittelvorräte gingen zur Neige.«
Die schlimmste Qual aber sei gewesen, nicht zu wissen, ob seine Familie noch am Leben war. »Ich bin 40 Jahre alt. Ich habe noch nie so ein Leid erlebt. Die Isolation, das Alleinsein mit den ständigen Gedanken – das war schlimmer als der extreme Hunger.« Um mental zu überleben, habe er eine unvorstellbar grausame Entscheidung getroffen.
»Ich musste akzeptieren, dass meine Familie tot war. Ich setzte mich auf den Boden und stellte mir vor, ich stehe vor einem Grab, einem großen für meine Frau und zwei kleinen für meine Kinder, und hielt Trauerreden. Ich dankte ihnen für die Zeit, die wir zusammen hatten. Es war das Schrecklichste, was ich je im Leben erlebt habe.«
Tal Shoham: »Mein Bein wurde blau, gelb und lila. Die Entführer erkannten, dass es die Unterernährung war, also erhielten wir Vitamine.«
Am 34. Tag seiner Gefangenschaft wurden zwei weitere israelische Geiseln zu ihm gebracht: Eviatar David und Guy Gilboa-Dalal, beide waren vom Nova-Musikfestival entführt worden. Danach seien alle drei »täglich von Hamas-Terroristen gefoltert und geschlagen worden«. Sie hätten lediglich etwa 300 Kalorien pro Tag erhalten, Aufstehen und Sprechen war verboten.
Und dann der Hoffnungsschimmer: Am 50. Tag erhielt Shoham einen Brief, dass seine Frau und die Kinder zwar entführt wurden, aber nach einem Geiseldeal in Freiheit seien. »Das Wichtigste war passiert – meine Familie war in Sicherheit. Ich musste ab diesem Moment in Gaza nicht mehr Vater und Ehemann sein, sondern konnte mich auf meinen Kampf ums Überleben konzentrieren«, sagte er in dem Interview.
Acht Monate nach der Entführung wurden die drei Geiseln in einen Tunnel gebracht, wo sie auf einen anderen verschleppten jungen Israeli trafen: Omer Wenkert. »Auf dem Boden lagen vier Matratzen, im Boden war ein Loch als Toilette. Es dauerte Wochen, bis ich nicht mehr das Gefühl hatte, als würden die Wände auf mich zukommen, und bis ich mich an den Sauerstoffmangel gewöhnt hatte«, beschrieb Shoham.
Ernsthafte gesundheitliche Probleme durch die harten Bedingungen
Die harten Bedingungen führten zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen. »Mein Bein wurde blau, gelb und lila. Die Entführer erkannten, dass das Problem Unterernährung war, also erhielten wir sieben Tage lang Vitamine.« Shohams Gewicht sank während seiner Gefangenschaft von 79 auf 50 Kilogramm.
Während der gesamten Zeit habe er eine Mission gehabt: Mensch zu bleiben. Selbst in Momenten, in denen er dem Tod ins Auge blickte, versuchte er, konzentriert zu sein. »Ich bin kein Opfer. Sie werden mich nicht brechen, und ich werde nicht in Selbstmitleid versinken. Wir sind stärker als sie«, sei sein Mantra gewesen.
»Mir wurde klar, dass ich Tau auf meiner Haut spürte. Mein Name Tal bedeutet Morgentau.«
Im Februar, nach 505 Tagen in Gefangenschaft, wurden Shoham und Wenkert in den zweiten Deal zwischen Israel und der Hamas zur Freilassung der Geiseln einbezogen. Als er mit verbundenen Augen aus den Tunneln herausgeführt wurde, spürte er Feuchtigkeit. »Regnet es?«, habe er gefragt. »Nein«, antworteten seine Entführer auf Hebräisch. »Es ist Tal.« Da sei ihm klargeworden, dass er Tau auf meiner Haut spürte. »Mein Name Tal bedeutet Morgentau.«
In Israel angekommen, warteten seine Frau Adi und ihre Kinder Neve und Yahel auf ihn. »Ein wahrgewordener Traum. Ich habe einige Tage gebraucht, bis ich völlig verstand, dass es real war. Die Emotionen überwältigten mich, so, als würde ich über allem schweben.«
Heute konzentriert sich Tal Shoham vor allem auf ein Ziel: Seinen in Gefangenschaft verbliebenen Freunden Gehör zu verschaffen. »Wie ein Mensch lebend aus der Gebärmutter kommt, so kam ich aus dem Tunnel und wurde wiedergeboren«, sagte er. »Aber die Menschen, die ich ›meine Brüder‹ nenne, Eviatar und Guy, werden weiter im Untergrund festgehalten. Ich kann nachts nicht schlafen, weil ich weiß, dass sie noch immer in der Hölle sind.«