Manche drängten und schoben, um ihrem geliebten und verehrten Rabbiner noch einmal nah zu sein. Andere schauten von Straßenrändern, Balkonen, Häuserdächern und hingen sogar an Laternenpfosten, um Rabbiner Gershon Edelstein am Dienstagnachmittag das letzte Geleit zu geben.
Der Leiter der renommierten Ponevezh Jeschiwa in Bnei Brak und geistiges Oberhaupt der Partei Vereinigtes Tora-Judentum war am Vortag im Alter von 100 Jahren gestorben. Edelstein war der herausragende spirituelle Führer der sogenannten litauischen Strömung, einer großen Bewegung innerhalb des aschkenasischen Charedi-Judentums. Er wurde für seine stets gemäßigte Politik von großen Teilen – auch säkularen – der israelischen Gesellschaft akzeptiert und verehrt.
Eine Woche vor seinem Tod war er ins Mayanei Hayeshua Krankenhaus in Bnei Brak eingeliefert worden, nachdem er über Atemnot geklagt hatte. Der Hundertjährige litt seit längerer Zeit an einer Herzerkrankung.
Die Stadt Bnei Brak wurde vollständig für den Verkehr abgeriegelt, mehrere wichtige Hauptstraßen und Autobahnen gesperrt, als sich die Massen der schwarz gekleideten ultraorthodoxen Männer versammelten, um Abschied zu nehmen.
»Nicht viele Menschen können mit Moses verglichen werden.«
Rabbiner Baruch Dov Povarsky
Vor Beginn der Beerdigung hatten Sicherheitskräfte einen abgetrennten Bereich um die Grabstelle vorbereitet, zu dem ausschließlich Familienangehörige und Rabbiner Zutritt hatten. Gleichzeitig umstellten Polizisten den Friedhof, um zu verhindern, dass aufgrund von Überfüllung Menschenleben gefährdet würden. Die Beamten forderten die Beerdigungsteilnehmer auf, sich zurückhaltend und verantwortungsbewusst zu verhalten. Kinder waren nicht erlaubt.
Die Beerdigungs-Prozession begann an der Ponevezh Jeschiwa, die Edelstein 23 Jahre lang geführt hatte, bis zu seiner letzten Ruhestätte in Bnei Brak, wo der Rabbiner mit seiner Frau Henia und sieben Kindern gelebt hatte.
SCHÜLER Edelstein wurde in der Stadt Schumiatsch in der Nähe von Smolensk in der ehemaligen Sowjetunion geboren und stammte aus einer Rabbinerdynastie. 1934 kam er zusammen mit seinem Bruder und Vater ins damalige Palästina und ließ sich in der Kleinstadt Ramat Hasharon im Zentrum des Landes nieder, wo sein Vater städtischer Rabbiner wurde. 1944 war der junge Gerschon einer der ersten Schüler der neuen Ponevezh-Jeschiwa.
Rabbiner Baruch Dov Povarsky, Edelsteins Nachfolger als Leiter der Jeschiwa weinte, als er die Grabrede auf seinen engen Vertrauten hielt. »Nicht viele Menschen können mit Moses verglichen werden«, sagte er, als seine Stimme brach.
»Wie Moses wollte Rabbi Edelstein keine Führung, akzeptierte sie aber. Seine außergewöhnliche Bescheidenheit, Hingabe und Weisheit sind ein Leitfaden - auch für die kommenden Generationen.«