Eklat

Holocaust-Bildungsreisen nach Polen erneut abgesagt

Schüler aus Israel lernen in Auschwitz über die Schoa. Foto: Flash90

Noch immer ist der Eklat mit Polen nicht beigelegt. Am Wochenbeginn gab das Bildungsministerium in Jerusalem bekannt, dass es auch für den Herbst alle Holocaust-Bildungsreisen für israelische Oberschüler nach Polen absagen werde. Man habe sich mit der polnischen Regierung weder auf den Bildungsinhalt noch die Sicherheitsvorkehrungen einigen können.

Bereits im Juni hatte Außenminister Yair Lapid erklärt, dass die für den Sommer geplanten Reisen gestrichen werden. Der Grund war schon damals, dass sich Warschau in die bei diesen Fahrten vermittelten Lehrinhalte einmischen wollte. »Sie wollen uns sagen, was erlaubt ist und was nicht, wenn israelische Kinder nach Polen reisen«, erläuterte Lapid, der jetzt Ministerpräsident ist. »Dem können wir nicht zustimmen.«

entscheidung In einem Schreiben wurden rund 7000 Schülerinnen und Schüler an Oberschulen im ganzen Land über die Entscheidung informiert, dass ihre Fahrten nicht stattfinden werden.

»Wir sind bereit, die Verhandlungen jederzeit wiederaufzunehmen, solange es Verständnis für die israelische Position gibt.«

bildungsministerium jerusalem

Zuvor hatte sich Warschau geweigert, es Beamten des Inlandgeheimdienstes Schin Bet, die für die Sicherheit während der Reisen sorgen, zu erlauben, Waffen in Polen zu tragen. Bis zu diesem Zeitpunkt war dies regelmäßig gestattet worden. Doch hinter der vordergründigen Erklärung stand etwas Tiefergehendes.

Aus dem polnischen Außenministerium hieß es, Polen wolle, dass Israel seiner Jugend den Holocaust »aus einer breiteren historischen Perspektive« beibringe, die keine »negativen Klischees über Polen« beinhalte. »Unsere Erfahrung ist, dass israelische Jugendliche mit negativen Gefühlen gegenüber Polen und dem polnischen Volk von diesen Reisen zurückkehren.«

delegation Eine Delegation aus Vertretern der Ressorts Außenpolitik und Bildung sowie des Sicherheitsdienstes Schin Bet wurde jüngst nach Warschau entsandt, um Gespräche über »entscheidende Fragen« zu führen und den Streit beizulegen. Allerdings kehrte sie ohne Ergebnis zurück nach Israel. Die Ministerien seien aber bereit, die Verhandlungen wiederaufzunehmen, »um eine geeignete Lösung zu finden, solange es Verständnis für die israelische Position gibt«, hieß es anschließend aus dem Bildungsministerium.

In 2018 hatte Polen das umstrittene Gesetz zum »Nationalen Gedenken« erlassen. Es stellt öffentliche Äußerungen unter Strafe, die Polen oder der polnischen Nation die Verantwortung oder Mitverantwortung für den Holocaust zuschreiben. Die Gesetzgebung wurde weltweit - aber vor allem in Israel - scharf kritisiert. Sie wird als Angriff auf die akademische Meinungsfreiheit sowie als Versuch gesehen, die Geschichte zu beschönigen und Polen ausschließlich als Opfer und Helden darzustellen.

Im Februar 2021 veröffentlichte die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem eine Erklärung zu dem Urteil eines polnischen Gerichts, das gegen Holocaust-Forscher gefällt worden war. Man erkenne das Urteil zwar an, sei aber zutiefst beunruhigt über dessen Auswirkungen. »Jeder Versuch, den akademischen und öffentlichen Diskurs durch politischen oder rechtlichen Druck einzuschränken, ist inakzeptabel und stellt einen materiellen Schlag gegen die akademische Freiheit dar.«

»Historische Forschung muss die komplexe Realität widerspiegeln, die in einem Zeitraum existierte.«

holocaust-gedenkstätte yad vashem

»Historische Forschung muss die komplexe Realität widerspiegeln, die in einem bestimmten Zeitraum existierte, basierend auf der gewissenhaften Analyse der vorhandenen Dokumentation.« Vielfältige Dokumentation sowie Jahrzehnte historischer Forschung zeigten, so Yad Vashem weiter, »dass es unter der drakonischen nationalsozialistischen deutschen Besetzung Polens und trotz des weit verbreiteten Leidens des polnischen Volkes unter dieser Besetzung Polen gab, die aktiv an der Verfolgung der Juden und ihrer Ermordung beteiligt waren«.

DISKUSSION »Die strafrechtliche Verfolgung von Forschern und Journalisten, die sich mit diesen Themen befassen, anstatt die weltweit übliche akademische Diskussion zu führen, stellt eine reale Bedrohung der Wissenschafts- und Pressefreiheit dar«, fasste die Gedenkstätte zusammen.

Im Mai dieses Jahres waren bereits die Polen-Reisen zur Schoa-Bildung von Offizieren und Anwärtern der israelischen Armee gestrichen worden. Stattdessen geht es jetzt nach Litauen.

Israelische Soldaten sollen über den Winter auf dem Berg Hermon bleiben

 13.12.2024

Israel

Paraguay eröffnet Botschaft in Jerusalem erneut

Präsident Santiago Peña: »Es werden viele Reden geschwungen. Für uns sind Taten wichtig.«

von Imanuel Marcus  13.12.2024

Nahost

US-Gesandter Sullivan: Netanjahu bereit für Geiseldeal und Waffenruhe

Ein Berater des US-Präsidenten kündigt an, es könne schon bald soweit sein

 13.12.2024

Nahost

Warum Israel Syriens Militär fast vollständig zerstört hat

In den vergangenen Tagen hat die israelische Armee nach eigenen Angaben 80 Prozent der syrischen Militärkapazitäten zerstört

von Sara Lemel und Johannes Sadek  12.12.2024

Nahost

Netanjahu trifft US-Gesandten, Gespräch zur Lage in Syrien

Die überraschende Machtübernahme durch Rebellen sendet Schockwellen durch die ganze Region

 12.12.2024

Nach Eklat

Vatikan entfernt Jesus-Kind mit Keffiyeh

Nach tagelanger Kritik hat die katholische Kirche nun reagiert, auch wenn sie sich öffentlich nicht äußert

von Nils Kottmann  12.12.2024

Westjordanland

Kind stirbt nach Terrorangriff

Der Junge war Passagier in einem Bus. Drei weitere Personen sind verletzt

 12.12.2024 Aktualisiert

Nahost

Nach Umsturz in Syrien: Hoffnung auf Gaza-Deal

Die Hamas hat den Kernforderungen Israels in zwei Kernpunkten nachgegeben

von Lars Nicolaysen  12.12.2024

Leitartikel

Islamisten als Befreier?

Nach dem Sturz der blutigen Assad-Diktatur atmet die Welt auf. Was die Umwälzungen für den Nahen Osten bedeuten – und für Israels Sicherheit

von Peter R. Neumann  12.12.2024