Hohe 7-Tage-Inzidenzen - und das obwohl ein Großteil der Bevölkerung inzwischen gegen Covid-19 geimpft ist. Da kommt bei einigen der Verdacht auf, dass die Impfungen nicht wirken könnten. Ein online veröffentlichter offener Brief von »Ärzte stehen auf« listet mehrere angebliche Argumente dafür auf, dass die zugelassenen Corona-Impfstoffe einen geringen Nutzen hätten und einige Risiken noch unklar seien. (archiviert)
Bewertung
Der offene Brief enthält Falschinformationen. So wurden etwa Studien falsch zitiert und Zahlen frei erfunden. Mehrere Informationen sind zudem unvollständig wiedergegeben.
Fakten
In dem offenen Brief wird etwa behauptet, eine »große gematchte Kohortenstudie aus Israel« zeige, dass die Impfstoffe eine Hospitalisierung deutlich schlechter verhindern als die Zulassungsstudien gezeigt hätten. »Die relative Risikoreduktion von Geimpften bezüglich einer Krankenhausbehandlung betrug 58%«, heißt es fälschlicherweise in dem Brief. Ein Blick in die angeblich korrekt zitierte Studie lässt vermuten, dass diese Zahl völlig aus der Luft gegriffen wurde. Der Studie zufolge lag der Wert der relativen Risikoreduktion einer Hospitalisierung bereits 14 bis 20 Tage nach der ersten Impfdosis bei 74 Prozent, eine Woche nach der zweiten Dosis sogar bei 87 Prozent.
Im Rahmen der Studie wurden Menschen in Israel untersucht, die zwischen dem 20. Dezember 2020 und dem 1. Februar 2021 frisch geimpft wurden. Der Wert der relativen Risikoreduktion ist durch Mutationen des Virus inzwischen zwar nachweislich gesunken, doch nach wie vor gelten die zugelassenen Impfstoffe als wirksam, zeigt auch ein anderer dpa-Faktencheck.
In dem offenen Brief wird zudem fälschlicherweise behauptet, Geimpfte seien genauso ansteckend wie Ungeimpfte und könnten gleichermaßen zur Verbreitung der Erkrankung beitragen. Es ist zwar richtig, dass Geimpfte nach einem Impfdurchbruch ebenfalls das Virus verbreiten können - es wird jedoch außer Acht gelassen, dass sich Geimpfte, die den vollständigen Grundschutz mit der meist nötigen zweiten Spritze haben, nachweislich seltener infizieren.
Auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts heißt es dazu: »Die zeitgerecht verabreichte zweite Impfstoffdosis verringert die Wahrscheinlichkeit eines Immunescape wesentlich. Aktuelle Studien zeigen, dass die verfügbaren Impfstoffe auch gegen Virusvarianten wirksam sind.« Außerdem schützt eine Impfung nachweislich vor einer schweren Erkrankung. Ein anderer dpa-Faktencheck befasst sich ausführlich mit dieser Thematik.
Die Verfasser des offenen Briefes ziehen eine weitere Studie heran, welche die aufgestellten Behauptungen weiter untermauern soll. Eine Studie aus Schweden zeige, dass die Impfeffektivität bereits nach sechs bis sieben Monaten so stark absinke, dass »nicht mehr von einem Schutz ausgegangen werden« könne, heißt es in dem Brief.
In der Studie - die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Briefes noch nicht abschließend geprüft wurde - werden diese Zeitangaben in Bezug auf den Schutz gegen eine symptomatische Infektion genannt. Nach spätestens sieben Monaten seien die verfügbaren Impfstoffe von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca nicht mehr effizient. Der Schutz gegen einen schweren Verlauf bleibe aber bis zu etwa neun Monate lang erhalten - je nach Geschlecht und Alter. Auch diese Information wird in dem offenen Brief zurückgehalten. Ein weiterer dpa-Faktencheck beschäftigt sich ausführlich mit der Interpretation der schwedischen Studie.
Links
RKI zur Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe (archiviert)
PEI-Sicherheitsbericht vom 18.08.2021 (archiviert)
Studie zur Wirksamkeit des Biontech/Pfizer-Impstoffes in der israelischen Bevölkerung (archiviert)
Schwedische Studie zu Covid-Impfungen (archiviert)
dpa-Faktencheck zur Interpretation der schwedischen Studie
dpa-Faktencheck zur Interpretation der RKI-Zahlen