Trotz dritter Stimmabgabe in einem Jahr sah es am Mittag nicht so aus, als leiden die Israelis unter Wahlmüdigkeit. Nach Angaben des zentralen Wahlkomitees hatten bis zwölf Uhr Ortszeit 27,6 Prozent der registrierten Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Es ist die höchste Zahl seit 1999.
Bei den Parlamentswahlen im April 2019 waren es zur selben Zeit 24,8 Prozent gewesen, im September 26,8 Prozent. Das Komitee gab auch an, dass es Wahlbeobachter in sämtliche Gegenden des Landes geschickt habe: 5000 an der Zahl. Im September des Vorjahres waren es lediglich 3000, gewesen, die überprüften, ob alles mit rechten Dingen zugeht.
Für mehr als 5000 Israelis, die sich derzeit in Quarantäne befinden, wurden 16 spezielle Wahlstationen eröffnet.
Für mehr als 5000 Israelis, die sich derzeit wegen des gefährlichen Virus COVID-19 in Quarantäne in ihren eigenen vier Wänden befinden, wurden 16 spezielle Wahlstationen in verschiedenen Gegenden des Landes eröffnet, wo sie unter besonderen medizinischen Sicherheitsvorkehrungen ihre Stimme abgeben können.
In diesen Wahllokalen sitzen keine Freiwilligen, sondern Sanitäter in Sicherheitsanzügen. Auch die Wählenden müssen Atemmasken und Handschuhe tragen, bevor sie ihren Zettel in einen Umschlag stecken und den wiederum in eine Plastiktüte. Hunderte haben bereits auf diese Weise ihre Stimme abgegeben.
Gesundheitsministerium Einer davon ist Nir Weitz. Er war in der vergangenen Woche aus Norditalien zurückgekehrt und musste sich anschließend auf Anordnung des Gesundheitsministeriums sofort in Isolierung begeben. Seit einer Woche sitzt er allein in seiner Wohnung in Tel Aviv, darf nicht nach draußen, und niemand darf zu ihm.
Zum Wählen muss er sich auf direktem Weg zur Station begeben und sofort im Anschluss wieder in seine Wohnung zurückkehren. Dennoch findet er: »Es ist schön, die warme Luft zu spüren und zu sehen, dass der Frühling kommt. Aber vor allem ist es mir wichtig, meinen Zettel abzugeben, um für einen Wandel in Israel zu stimmen.«
Bei blauem Himmel und frühlingshaften Temperaturen verbinden viele Israelis, die sich nicht vom Coronavirus abschrecken lassen, mit ihrer demokratischen Pflicht Ausflüge in die Natur.
Bei blauem Himmel und frühlingshaften Temperaturen verbinden viele Israelis, die sich nicht vom Coronavirus abschrecken lassen, mit ihrer demokratischen Pflicht Ausflüge in die Natur oder gehen in einer der Großstädte bummeln. Der Wahltag ist in Israel Feiertag, alle Bildungseinrichtungen und die meisten Büros sind geschlossen.
Wahlkampagne Auch Präsident Reuven Rivlin gab mittlerweile seine Stimme in Jerusalem ab. Fröhlich gesinnt war der allerdings trotz des schönen Wetters nicht: »Ich habe Wahlen in Israel fast seit der Gründung des Staates verfolgt. Es war immer ein Tag, den ich als Fest der Demokratie angesehen habe. Heute aber bin ich nicht in Feierlaune. Ich empfinde nur ein Gefühl großer Scham vor den Bürgern Israels.« Rivlin kritisierte die Parteien. «Wir verdienen nicht noch so eine schreckliche Wahlkampagne, die zu solch einem Dreck verkommt wie die, die heute endet.«
Premierminister Benjamin Netanjahu rief seine Landsleute auf, an die Urnen zu gehen, und beruhigte sie dahingehend, dass das Coronavirus keine Gefahr darstelle: »Wir haben alles getan, was zu tun ist. Alles ist unter Kontrolle. Glauben Sie nicht den Fake News. Sie können mit Bestimmtheit und Vertrauen wählen gehen«, beteuerte der amtierende Regierungschef. »Es ist ein demokratisches Recht – und wir sollten stolz darauf sein.«