Dreh dich nicht um – der Biberman geht um … Für die politische Linke in Israel dürfte das der Slogan der vorgezogenen Parlamentswahlen sein. Anfang der Woche verkündeten die Regierungsparteien Likud und Israel Beiteinu ihren Zusammenschluss. Ein neuer Schachzug des gewieften Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und ein politischer Sturm, der die Wahlen am 22. Januar ordentlich durcheinandermischen dürfte. »Likud Beiteinu« (Unser Haus Likud) wird der neue rechte Block im Volksmund genannt. Nun sinnieren die Mitte-Links-Parteien, ob nicht auch sie besser gemeinsam auf Stimmenfang gehen sollten.
Netanjahu hatte den Vorschlag für die Formation am Montag im Zentralkomitee seiner Partei zur Abstimmung gebracht und ein eindeutiges Ja erhalten. Trotz der Einwände einiger Mitglieder bekam er große Unterstützung für die Idee. Avigdor Lieberman, der Vorsitzende der nationalistischen Israel Beiteinu, die hauptsächlich von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion gewählt wird, frohlockte ebenfalls.
Eitan Schwartz, der für die Arbeitspartei (Awoda) kandidiert, postete nach der Bekanntgabe auf seiner Facebook-Seite den Spruch: »Unser Haus Likud – dann bin ich lieber obdachlos«. Auch die Vorsitzende der Arbeitspartei, Scheli Jachimowitsch, wettert dagegen: »Netanjahu und Lieberman wollen Macht statt Verantwortung, Macht statt Führung, Macht statt Solidarität und Macht statt der Sorge um die Bürger. Diese Union ist extremistisch und brutal. Die einzige Alternative ist die Awoda.«
Aufwind Tatsächlich bescheinigen jüngste Umfragen der Arbeitspartei, die bei den letzten Wahlen ihr historisches Tief mit nur acht Sitzen erreichte, mächtigen Aufwind. 23 Mandate könnten im Januar möglich sein. Jachimowitsch sähe es gern, wenn sich ihr die Zentrums-Parteien, etwa Kadima und die Atid von Yair Lapid, anschließen würden. Dennoch hat es nicht den Anschein, dass selbst ein Mitte-Links-Block einen Regierungswechsel herbeiführen könnte. Newcomer Lapid könnte zwar zwölf oder mehr Sitze holen, die arabischen Parteien gemeinsam elf, doch Kadima rutscht in Umfragen auf magere fünf ab. Weder Zipi Livni noch Ehud Olmert verkündeten bislang, dass sie mit ihrer Kandidatur das Ruder herumreißen wollen.
Ein weiterer Zusammenschluss sorgt für Stirnrunzeln bei den gemäßigten Parteien. Der Abgeordnete Michael Ben-Ari der Rechtsaußenpartei Nationale Union will gemeinsam mit den extremistischen Aktivisten Baruch Marzel und Itamar Ben Gvir »die Lücke auf der rechten Seite füllen, die Lieberman mit seiner Likud-Allianz hinterlassen hat«. Bislang trägt die neue Partei noch keinen Namen, doch Ben-Ari verkündete, dass sie weder Kach noch Kahane Chai genannt werden wird.
Der Knessetabgeordnete war der persönliche Referent des rechtsextremen Rabbis Meir Kahane, der 1990 in New York erschossen wurde. Seine Partei Kach war vor fast einem Vierteljahrhundert wegen Rassismus und Aufwiegelung zur Gewalt aus der Knesset verbannt und gleichzeitig verboten worden.
Iran Die meisten Likud-Mitglieder sehen an dem Deal ihres Vorsitzenden indes nichts Ehrenrühriges, sondern ein Statement gegen den Iran. Netanjahu und Lieberman gelten als Verfechter eines Präventivschlags gegen das Atomprogramm des Teheraner Regimes. »Heute habt ihr für einen starken Likud und einen starken Ministerpräsidenten abgestimmt«, bedankte sich Netanjahu bei seiner Partei. »Die Allianz erlaubt es uns, mit Stärke weiterzuregieren und unsere Partei national und liberal zu halten. Weil der Likud ein Zuhause für alle ist.«
Doch es kursieren bereits Gerüchte um Lieberman. Dass der Israel-Beiteinu-Chef bald in Netanjahus Fußstapfen als Likud-Vorsitzender treten will, konterte der Letztere mit den Worten: »Mir ist etwas über meinen angeblichen Erben zu Ohren gekommen. Doch lasst mich sagen, ich habe vor, Israel und den Likud für viele, viele weitere Jahre zu leiten.« Mit »Bibi, Bibi«-Rufen bekundeten die Mitglieder ihre Zustimmung.
Sowohl der Likud als auch Israel Beiteinu werden nach dem Zusammenschluss eigenständige Parteien bleiben und lassen sich lediglich für die Wahl zur 19. Knesset gemeinsam aufstellen. Derzeit verfügt der Likud über 27 Sitze, die Lieberman-Partei über 15. Dennoch zweifeln viele am Erfolg der Aktion. Politische Beobachter schüttelten in Talkrunden den Kopf ob der Logik dieses Schrittes, während Vertreter der beiden Parteien versuchten, die Entscheidung ihres jeweiligen Vorsitzenden zu rechtfertigen.
Stimmverlust Nach einer Umfrage des Migdam-Instituts, die im Fernsehsender Channel 10 ausgewertet wurde, würde die neue Union lediglich 35 Sitze in der Knesset holen. Derzeit verfügen beide Parteien zusammen über 42. Eine Regierungsbildung wäre ihnen jedoch auch mit diesem Ergebnis möglich: Die Koalition aus Likud-Beiteinu, der drittstärksten Partei Schas und den kleinen nationalistischen und religiösen Parteien könnte die alte Regierung mit 64 Sitzen zur neuen machen. 61 Sitze werden zur Regierungsbildung benötigt.
Amos Cohen würde sich über einen Stimmverlust der neuen Union nicht wundern. Denn der traditionelle Likud-Wähler ist von der rechtsgerichteten Allianz alles andere als begeistert. »Ich habe meine Stimme immer für den Likud gegeben, weil er für Israels Sicherheit steht. Und das ist unser Überleben.« Mit dem Vorsitzenden der Israel-Beiteinu-Partei indes will Cohen nichts am Hut haben. »Lieberman hat so viel diplomatischen Schaden in unserem Land angerichtet. In meinen Augen ist er ein Extremist, kein Demokrat. Ich kann und werde ihn nicht wählen.« Im Januar will er sein Kreuzchen deshalb bei der Awoda machen. Allerdings nicht ohne Bauchschmerzen, wie er betont. »Eigentlich sind mir die zu links. Doch die Demokratie ist mir das wert.«