High macht es nicht. Aber es lindert Schmerzen, wirkt beruhigend und fördert den Schlaf: das medizinische Cannabis. Während der Freizeitgebrauch von Haschisch in Israel nach wie vor illegal ist, darf die Variante für Patienten ohne die berauschenden Komponenten jetzt exportiert werden. Das beschloss die Knesset in der vergangenen Woche. Steuereinnahmen in Höhe von bis zu 250 Millionen Euro jährlich werden durch die Reform erwartet.
»Israel ist heute bereits vollständig in der Lage, diese Produkte herzustellen, die Technologien und das Know-how sind da«, sagt Shai Babad, Generaldirektor im israelischen Finanzministerium. »Deshalb sind wir froh, dass die Regierung eine Resolution erlassen hat, sodass Israel ein Pionier auf dem Gebiet in der Welt werden kann.«
BÜROKRATIE Nicht nur die Regierung freut sich, auch die Anbauer und Firmen sind begeistert. Mindestens zwei Jahre lang war die Reform durch bürokratische Hürden verzögert worden. Einige der größeren Produzenten im Land hatten bereits Flächen im Ausland gepachtet und dort Marihuana angebaut, um in andere Länder exportieren zu können. Wie die Firma Tikun Olam Ltd., die außer in Israel auch in Griechenland kultiviert. »Wir sind bereit, in die ganze Welt zu liefern«, kündigte Geschäftsführer Aaron Lutzky nach der Bekanntgabe der Neuigkeiten aus der Knesset an.
Einige der größeren Produzenten hatten bereits Anbauflächen im Ausland gepachtet.
Derzeit gibt es in Israel acht vom Gesundheitsministerium registrierte Produzenten. Dutzende weitere haben beim Ministerium Bewerbungen für die Zulassung eingereicht, und es wird erwartet, dass die Zahl jetzt um ein Vielfaches steigen wird. Der Markt boomt. Doch Israel ist nicht nur Vorreiter beim Anbau des Marihuanas, sondern zudem bei der Forschung und Entwicklung von Geräten und Methoden für Anbau und Konsum.
INVESTOREN Daher zieht die Branche bereits seit mehr als zehn Jahren Interessierte und Investoren aus dem Ausland an. Die Mediziner sind geschult, regelmäßig werden Konferenzen rund um das Thema veranstaltet. Genehmigungen für den Gebrauch von medizinischem Cannabis werden in Israel bereits seit 2008 erteilt.
Einen kleinen Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Jahren kommen mag, gab es nach der Verkündung an der Tel Aviver Börse: Alle cannabisbezogenen Aktien schnellten sofort in die Höhe. Medivie Therapeutic Ltd. beispielsweise stieg um 32,7 Prozent, Together Pharma sogar um mehr als 60 Prozent. Obwohl beide Unternehmen den Anbau erst noch in die Tat umsetzen müssen, haben sie schon unterschriebene Exportverträge in den Schubladen liegen. Hasch aus Israel scheint überall begehrt.
Yuval Landschaft, Leiter der Cannabis-Abteilung im Gesundheitsministerium, weiß, warum: »Niemand in der ganzen Welt hat so ein herausragendes medizinisches Cannabis wie wir in Israel.« Das Klima sei optimal, Forschung und Entwicklung auf dem neuesten und hochentwickelten Stand. »Wir haben einen großen Durchbruch auf diesem Gebiet erreicht und wollen das mit anderen Ländern teilen.« Viele haben bereits Interesse angemeldet, darunter Australien, Mexiko und auch Deutschland. Hier darf medizinisches Cannabis seit März 2017 verschrieben werden.
FORSCHUNG Firmen, die vom Gesundheitsministerium und der Polizei die Genehmigung erhalten haben, ihre Ware zu exportieren, dürfen dies ab sofort in Länder, die den Gebrauch erlauben. Fachleute aus dem Ministerium meinen, die Exporte könnten bereits in etwa neun Monaten beginnen. Doch es gibt auch Widerstand.
Einige Parlamentarier versuchten, die Gesetzgebung zu stoppen. Sie glauben, dass eine größere Menge auf dem Markt eine höhere Freizeitnutzung der Droge mit sich bringen wird. Rund zwei Dutzend Länder haben den Gebrauch von medizinischem Marihuana heute legalisiert, darunter Holland und Kanada. In den USA erlauben 33 Staaten den Gebrauch. In Israel ist es seit Mitte 2016 erlaubt.
Anwendungsgebiete sind etwa Krebs, chronische Schmerzen oder Belastungsstörungen.
Vor allem Patienten mit Krankheiten wie Krebs, chronischen Schmerzen oder einer Posttraumatischen Belastungsstörung wird Cannabis heute verschrieben. Neue Forschungen der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva zeigen jetzt auch die Effekte der weichen Droge auf autistische Kinder.
Eine Studie, veröffentlicht in »Nature Scientific Reports«, beschreibt: »Cannabis scheint gut aufgenommen zu werden, sicher zu sein und effektiv, um Symptome wie Krämpfe, Tics, Depressionen, Unruhe und Wutanfälle zu lindern.« Mehr als 80 Prozent der Eltern berichteten von einer mittelmäßigen bis bedeutsamen Verbesserung bei ihren Kindern, teilte die leitende Forscherin, Lihi Bar-Lev Schleider von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften, mit.
Nach Angaben aus dem Gesundheitsministerium haben derzeit etwa 30.000 Personen in Israel eine Genehmigung für die medizinische Nutzung. Einer von ihnen ist Ronny Silon. Er leidet an Krebs im Endstadium und nimmt Cannabis regelmäßig. Seine Frau holt die Tropfen per Rezept einmal in der Woche von der Abgabestation in der Nähe der Arztpraxis ab.
»Ich inhaliere mittlerweile täglich«, erzählt der 55-Jährige. »High macht es mich nicht, und das ist ja auch gut so. Aber es ist eines der wenigen Mittel, das die Schmerzen erträglich macht. Und ich kann wieder einigermaßen schlafen. So kann ich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen, ohne durch die Schmerzen verrückt zu werden. Es bedeutet mir alles.«