Für friedliche Stimmung sorgt der US-Friedensplan derzeit auf keiner der beiden Seiten. Im Gegenteil: Die Palästinenser lehnen ihn kategorisch ab – unterstützt von der Arabischen Liga –, doch auch einige Israelis gehen auf die Straße. Ebenso herrscht geteilte Meinung bei den Experten.
Die Arabische Liga bezeichnete den Plan während eines Krisentreffens als »unfair«. Sie rief dazu auf, nicht mit der US-Regierung bei der Umsetzung zusammenzuarbeiten. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bekräftigte den Abbruch aller Beziehungen zu Israel und den USA. Der Rat der Arabischen Liga hielt in einer Abschlusserklärung fest, dass der Plan »nicht die minimalen Rechte und Erwartungen der Palästinenser erfüllt«, und warnte Israel davor, den Plan gegen den Willen der Palästinenser umzusetzen.
Israel soll Gebiete abtreten und dafür Einfluss im Westjordanland behalten.
Am Abend desselben Tages versammelten sich Tausende von Israelis in Tel Aviv, um zu protestieren. Mit Schildern wie »Kein Transfer« oder »Nein zum Apartheidsplan« machten sie ihrem Unmut auf dem Dizengoff-Platz Luft. Der Plan sieht unter anderem vor, sieben arabisch-israelische Städte eventuell in einen zukünftigen Palästinenserstaat zu verschieben. »Der Trump-Plan ist kein Friedensplan«, unterstrich die Meretz-Abgeordnete Tamar Zandberg. »Es ist ein Vorhaben für eine Annexion, einen Transfer und ein sicheres Rezept für Gewalt und Apartheid.«
HEIMATLAND Einige Hundert Menschen demonstrierten auch in der arabischen Stadt Baqa al-Gharbiyye. Ein Ort, der im Kernland Israels liegt, aber entsprechend des Plans in einen zukünftigen Palästinenserstaat transferiert werden könnte. Unter den Demonstranten war Ayman Odeh, Vorsitzender der Vereinten Arabischen Liste, der deutlich machte: »Niemand wird uns unsere Staatsangehörigkeit des Heimatlandes, in dem wir geboren sind, wegnehmen.«
Grob umrissen schlägt der Trump-Plan vor: israelisches Recht in jüdischen Siedlungen im Westjordanland anzuwenden; die Anerkennung Jerusalems als ungeteilte israelische Hauptstadt; die Hauptstadt der Palästinenser wird ein Teil von Ost-Jerusalem; kein Palästinenser oder Israeli verliert sein Heim; israelisches Land im Negev soll zu einem palästinensischen Staat gehören; Israel behält die Sicherheitskontrolle westlich des Jordanflusses; arabische Ortschaften innerhalb Israels könnten an einen künftigen Palästinenserstaat transferiert werden; der Gazastreifen und das Westjordanland sollen durch einen Tunnel verbunden werden; die Palästinenser haben vier Jahre Zeit, um die Voraussetzungen umzusetzen; sowie Milliardeninvestitionen in die palästinensische Wirtschaft.
Die Palästinenser müssten Israel als jüdischen Staat anerkennen, Gaza entmilitarisieren, die Hamas entwaffnen, ihr Recht auf Rückkehr aufgeben und kein Geld mehr an Familien von Terroristen zahlen. Israel im Gegenzug müsste einen palästinensischen Staat anerkennen und dürfte vier Jahre lang keine neuen Siedlungen bauen oder bestehende erweitern.
AUFLAGEN Trump hatte den Plan, der den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern lösen soll, als »Deal des Jahrhunderts« angepriesen. Auch international stößt er auf geteiltes Echo, weil er die Palästinenser zu erheblichen Zugeständnissen an Israel zwingt, Israel hingegen die Annexion des Jordantals und von Siedlungen erlaubt. Das Entstehen eines Palästinenserstaates ist an harte Auflagen geknüpft.
Die Veröffentlichung des Plans fällt mitten in den Wahlkampf.
In der aktuellen Ausgabe des monatlichen »Israeli Voice Index« des Guttman-Zentrums für öffentliche Meinung und Politikforschung ist zu lesen, dass sich 45 Prozent der Israelis dafür aussprechen, dass Israel einen Palästinenserstaat anerkennt, während 38 Prozent das ablehnen. Die restlichen 17 Prozent haben keine Meinung dazu. Besonders hoch ist die Unterstützung für das Anliegen bei Links- und Zentrumswählern (73 und 65 Prozent). Im Vergleich dazu sprechen sich lediglich 33 Prozent der Likud-Anhänger sowie 23 Prozent der Neuen Rechten dafür aus.
Das Thema entzweit die Israelis, die am 2. März zum dritten Mal innerhalb eines Jahres ihre Stimme für ein neues Parlament abgeben, während in Israel noch immer politischer Stillstand herrscht. Derweil versucht Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, so viele außenpolitische Erfolge zu erzielen wie möglich. Die sind vor allem für eines gedacht: den innenpolitischen Sieg bei den Wahlen.
Nach seiner Reise nach Washington zur Verkündung des Nahost-Friedensplanes flog Netanjahu nicht gleich nach Israel zurück, sondern stattdessen direkt nach Moskau. Dort nahm er die kurz zuvor vom russischen Präsidenten Wladimir Putin begnadigte israelisch-amerikanische Rucksacktouristin Naama Issachar in den Arm. Friedensdeal und Freudentränen perfekt getimt für die Fernsehkameras.
ZEITPUNKT Denn innenpolitisch hat Netanjahu einen harten Kampf zu bestehen. Nicht nur scheiterte er zweimal in Folge daran, eine regierungsfähige Mehrheit auf die Beine zu stellen, er ist zudem in drei Fällen wegen Korruption angeklagt. All dies zum ersten Mal in Israels Geschichte. Doch Aufgeben will Netanjahu nicht. Die Verärgerung des jordanischen Königs Husseins über die angekündigte Annexion ignoriert er. Die Einwände von Jared Kushner, Berater im Weißen Haus, Washington unterstütze dies vor den Wahlen in Israel nicht, lächelt er weg.
Dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung des US-Friedensplans eine Einmischung in den Wahlkampf darstellt, glauben 73,5 Prozent der Wähler von Links- und Mitteparteien. Lediglich 33,5 Prozent des rechten Lagers indes meinen, der US-Präsident habe sich in Israels Innenpolitik einmischen wollen, um Netanjahu einen Vorteil zu verschaffen. Dass der nach wie vor eine bessere Figur in Verhandlungen mit den Palästinensern machen würde, meinen übrigens 52 Prozent aller jüdischen Israelis. Benny Gantz trauen hier lediglich 20 Prozent einen Erfolg zu. Besondere Zuversicht haben auch die arabischen Landsleute nicht. Von ihnen sind nur 39 Prozent überzeugt, dass einer der beiden Kandidaten jemals einen Konsens mit den Palästinensern erreichen würde.
Wie die Bevölkerung, so sind auch die Experten geteilter Meinung. Die einen sprechen von einem einseitigen Deal, der unrealistisch sei, da die Palästinenser ihn ohnehin ablehnen. Andere, wie Gershon Hacohen vom Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien, sprechen von einer »historischen Gelegenheit«. Hacohen vergleicht den Friedensplan sogar mit der Unabhängigkeitserklärung von 1948, als Chaim Weizmann sagte, dass die Entscheidung sofort getroffen werden muss. In Augenblicken wie diesen müssten Politiker schicksalhafte Entscheidungen treffen, argumentiert Hacohen. »Jene, die grübeln und auf eine detaillierte Erläuterung warten, riskieren, die Möglichkeit zu verpassen.«