In einem historischen Schritt hat der Oberste Gerichtshof Israels entschieden, dass der Staat kein Geld mehr an Jeschiwot zahlen darf, die ihre Studenten nicht zum Militärdienst schicken. Die einstweilige Verfügung besagt auch, dass es keinen rechtlichen Rahmen mehr für die Aufschiebung der Einberufung charedischer Männer in die IDF geben wird. Die Entscheidung könnte weitreichende gesellschaftliche und politische Folgen haben.
Bis zum 31. März müsste die Regierung einen Weg aufzeigen, um einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 2017 nachzukommen, das eine pauschale Wehrdienstbefreiung für ultraorthodoxe Jeschiwa-Studenten als dem Gleichheitsgrundsatz widersprechend und daher illegal einstufte. Doch dazu wird es nun nicht mehr kommen, die Koalition in Jerusalem hatte es wieder und wieder verzögert, einen Vorschlag für eine Erhöhung der Einberufungszahlen an den Gerichtshof zu senden.
Gerichtsbeschluss zeigt, dass Richter mit ihrer Geduld am Ende sind
Die Entscheidung des Gerichts, die Mittel für die Institutionen sofort zu kürzen, geht einen Schritt weiter, als Generalstaatsanwältin Gali Baharav Miara vorgeschlagen hatte. Sie wollte eine Anpassungsfrist gewähren, bevor die Zahlungen eingestellt würden. Doch der Gerichtsbeschluss zum Einfrieren der Gelder, der bereits am 1. April in Kraft tritt, zeigt deutlich, dass die Obersten Richter mit ihrer Geduld am Ende sind.
Als Folge werde es ein Finanzierungsdefizit bei 1257 Jeschiwot geben, die derzeit Mittel für knapp 50.000 eingeschriebene Studenten bekommen, die eine Wehrdienstaufschiebung erhalten haben, so ein Bericht, den die Staatsanwaltschaft dem Obersten Gerichtshof vorlegte.
»Der Beschluss ist ein Zeichen Kains und eine beispiellose Schikanierung von Tora-Schülern im jüdischen Staat«.
Schas-vorsitzender Arie Deri
Der Entscheid der Richter geht auf mehrere Petitionen der Bewegung für eine Qualitätsregierung zurück, die im vergangenen Jahr eingereicht worden waren. Darin wurde die Rechtmäßigkeit eines Kabinettsbeschlusses angezweifelt, der die IDF anwies, »bis zum 31. März 2024 keine Verfahren zur Rekrutierung von Jeschiwa-Studenten durchzuführen«.
Charedische Anführer betonten stets, dass die Integration in die Armee ihrer jungen Männer die jahrhundertealte Lebensweise gefährden würde und dass ihr Engagement für das Studium der Tora Israel ebenso schütze wie eine starke Armee. Doch vor allem seit dem Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der Hamas am 7. Oktober 2023 stellt ein großer Teil der Bevölkerung, die in der Armee dienen, dieses Konzept zusehends infrage und verlangt, dass auch die ultraorthodoxe Gemeinde Opfer bringt.
Vertreter der ultraorthodoxen Parteien kritisierten den Gerichtshof im Anschluss an die Veröffentlichung aufs Schärfste. Der Vorsitzende der strengreligiösen sefardischen Partei Schas, Arie Deri, nannte es ein »Zeichen Kains und eine beispiellose Schikanierung von Tora-Schülern im jüdischen Staat«.
Einberufung der Charedim bringt Netanjahus Koalition ins Wanken
Der Chef der charedischen Partei Vereintes Tora-Judentum und Minister für Wohnungs- und Bauwesen, Yitzchak Goldknopf, bezeichnete die Handlung des Gerichtshofes als »Schande und schweren Schaden für diejenigen, die sich in der Tora abmühen«.
Währenddessen hat das politische Tauziehen um die Einberufung der charedischen Männer die Koalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ins Wanken gebracht, die nach Kriegsausbruch um Oppositionsparteien erweitert worden war.
Benny Gantz von der Nationalen Einheit drohte mit einem Ausscheiden, sollte die Knesset einen Gesetzentwurf verabschieden, der die Beibehaltung pauschaler Ausnahmen zulässt und auch Verteidigungsminister Yoav Gallant, selbst Mitglied der Regierungspartei Likud, erklärte, eine derartige Gesetzgebung nicht zu unterstützen.
Die Bewegung für Qualitätsregierung äußerte sich nach der Entscheidung vom Donnerstag zuversichtlich: »Es ist eine historische Zwischenentscheidung, die das Ende der unrechtmäßigen Diskriminierung zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Israel bedeutet.«