Hilft Vitamin D, um die Anfälligkeit gegen eine Ansteckung mit dem Coronavirus zu verringern und schwere Verläufe zu verhindern?
ISRAELISCHE STUDIE Im vergangenen Jahr hatte eine Untersuchung der Bar-Ilan-Universität in Israel einen Zusammenhang entdeckt zwischen einem ausreichenden Vitamin-D-Niveau im Blut und einem signifikant niedrigeren Infektionsrisiko. Personen, die negativ auf den Erreger getestet wurden, hätten ein deutlich höheres Vitamin-D-Niveau aufgewiesen als jene, die sich infiziert hatten. Die Daten von 7800 Israelis waren damals in die Studie eingeflossen. Auch andere Forschungsergebnisse wiesen auf einen möglichen Zusammenhang hin.
Eine neue Untersuchung der renommierten McGill-Universität im kanadischen Montreal kam nun aber elf Monate nach der israelischen Studie zum gegenteiligen Ergebnis. Man habe keine »genetischen Beweise« gefunden, dass das Vitamin als Schutzmaßnahme gegen das Coronavirus wirke, so die Wissenschaftler. Sie hatten die Daten von mehr als 14.000 mit Covid-19 infizierten Menschen sowie von rund 1,2 Millionen nicht Infizierten in elf Ländern ausgewertet.
»Die Vitamin-D-Supplementierung als Maßnahme der öffentlichen Gesundheit zur Verbesserung der Ergebnisse wird durch diese Studie nicht unterstützt. Am wichtigsten ist, dass unsere Ergebnisse nahelegen, dass Investitionen in andere therapeutische oder präventive Wege für klinische Covid-19-Studien priorisiert werden sollten«, so die Schlussfolgerung der Autoren.
In ihrer Untersuchung, die vor einigen Tagen im Fachmagazin »PLOS Medicine« veröffentlicht wurde, fanden die Forscher heraus, dass es bei Personen, die an Covid-19 erkrankten, keinen Unterschied gab zwischen dem Vitamin-D-Spiegel und der Wahrscheinlichkeit, ins Krankenhaus eingeliefert beziehungsweise Opfer eines schweren Verlaufs zu werden.
Die meisten Vitamin-D-Studien seien, so die McGill-Wissenschaftler, »sehr schwierig zu interpretieren, da andere bekannte Covid-19-Risikofaktoren wie ein höheres Alter oder das Vorliegen chronischer Krankheiten, welche ebenfalls Prädiktoren für einen niedrigen Vitamin-D-Spiegel sind, nicht in Rechnung gestellt werden können«, erklärte der Co-Autor der Studie, Guillaume Butler-Laporte.
EFFEKT Um eine möglicherweise doch positive Wirkung von Vitamin D tatsächlich zu verifizieren, seien daher Zufallsstudien nötig, die aber komplex und ressourcenintensiv seien und ihre Zeit dauerten. Mittels der sogenannten Mendelschen Randomisierung ist es den Forschern eigenen Angaben zufolge aber gelungen, mögliche Verzerrungen durch Risikofaktoren zu verringern und so ein klareres Bild der Wirkung von Vitamin D im Zusammenhang mit Covid-19 zu liefern.
Die McGill-Wissenschaftler wiesen jedoch darauf hin, dass ihre Studie wichtige Einschränkungen aufweise. So seien keine Patienten mit echtem Vitamin-D-Mangel berücksichtigt worden. Daher sei es möglich, dass diese von einer Vitamin-D-Supplementierung durchaus profitieren könnten. Außerdem seien in der Studie nur genetische Varianten von Personen mit europäischer Abstammung analysiert worden.
»In der Vergangenheit hat die Mendelsche Randomisierung konsistent die Ergebnisse von großen, teuren und zeitnahen Vitamin-D-Studien vorhergesagt. Hier zeigt diese Methode keine eindeutigen Hinweise darauf, dass eine Vitamin-D-Supplementierung einen großen Effekt auf die COVID-19-Ergebnisse hätte«, so Butler-Laporte. mth