Durch einen Palast wird er ihn nicht führen können – lediglich durch die recht bescheidenen Räumlichkeiten seiner Residenz an der Balfour-Straße in Jerusalem. Premierminister Naftali Bennett hat den Kronprinzen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Scheich Mohammed bin Zayed al-Nahyan, dennoch eingeladen. Und der hat zugesagt, in den jüdischen Staat zu kommen. Das ist das Fazit des ersten Besuchs eines israelischen Ministerpräsidenten in der Golfmonarchie.
Schon bald soll es konkret werden. Einer Erklärung aus dem Büro des Premiers zufolge habe Bennett »seinen Stab angewiesen, mit den emiratischen Amtskollegen zusammenzuarbeiten, um die Visite des Scheichs vorzubereiten«.
Flaggen Als Bennett am vergangenen Sonntag in Abu Dhabi landete, wehten im Hintergrund die Landesflaggen Israels und der VAE. Der Ministerpräsident, die Kippa auf dem Hinterkopf, wurde von einer emiratischen Ehrengarde und Außenminister Abdullah bin Zayed, mit wehender Kefiye auf dem Kopf, am Flughafen begrüßt.
Der Premier von der Rechtspartei Jamina betonte, wie sehr er die Gastfreundschaft des Königreichs schätze. Es sei ein großartiger Empfang, und er sei sehr bewegt, zu diesem historischen Besuch dort zu sein. Das führe zu einer Stärkung der Verbindung zwischen den Nationen, so Bennett.
Am Montagmorgen kam er mit dem Kronprinzen in dessen Privatpalast in Abu Dhabi zusammen. Der israelische Premierminister legte Scheich Mohammed seine Hand auf den Arm, als sich die Männer begrüßten. Der Scheich lächelte und flüsterte seinem Gast etwas zu – hinter vorgehaltener Hand. Noch vor Kurzem wäre eine derartige Geste undenkbar gewesen. Heute ist sie Realität im Nahen Osten.
Meilenstein Das Gespräch dauerte insgesamt vier Stunden, zweieinhalb davon waren privat zwischen Bennett und bin Zayed al-Nahyan. Im Anschluss gaben die beiden eine gemeinsame Erklärung heraus, in der sie »die neue Beziehung« feierten, die im September 2020 durch den Normalisierungsvertrag der Abraham-Abkommen gefestigt wurde: »Der erfolgreiche Besuch des israelischen Premiers in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung herzlicher Beziehungen und einer enormen Partnerschaft.«
Weiter hieß es in der Erklärung, die Staats- und Regierungschefs hätten »eine Vielzahl von wirtschaftlichen und staatsbürgerlichen Fragen, bei denen im vergangenen Jahr bedeutende Fortschritte erzielt wurden, darunter die Zusammenarbeit des privaten und öffentlichen Sektors in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Technologie, Ernährungssicherheit, Klima, Wasser, Energie, Umwelt, Gesundheit und Tourismus« diskutiert.
Man habe sich darauf geeinigt, die Schritte zum Abschluss eines Freihandelsabkommens sowie eine Reihe anderer wirtschaftlicher Vorhaben zu beschleunigen. Auch gemeinsame Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien sollen gefördert werden.
iran Auf der Tagesordnung stand neben den bilateralen Fragen auch der Iran. Allerdings verzichtete Jerusalem darauf, öffentlich über Inhalte des Gesprächs zu sprechen, aus Rücksicht auf die diplomatischen Bedürfnisse der Emiratis. Auch erwähnte die Erklärung aus Abu Dhabi weder das iranische Atomprogramm noch die palästinensische Frage, obwohl diese Themen vor dem Hintergrund der laufenden Atomgespräche in Wien wahrscheinlich auch in Abu Dhabi zur Sprache kamen.
Israelische Medien berichteten, im Vorfeld des Treffens habe Bennett angeblich Informationen über die Stationierung pro-iranischer Milizen und Drohneneinheiten vorgelegt, die kürzlich vom israelischen Geheimdienst entdeckt wurden. Israelische Beamte hätten angegeben, dass die Informationen vorgelegt werden sollten, um eine Annäherung der VAE an den Iran zu verhindern.
Immer wieder wird gemunkelt, Saudi-Arabien könnte bald folgen.
In diesem Kontext verweist der Besuch auch auf eine Stärkung der Beziehungen zwischen Israel und anderen arabischen Ländern in der Region, ein Prozess, der mit den Abraham-Abkommen begonnen hatte. Gemeinsam mit den VAE unterzeichnete das kleine Königreich Bahrain, ebenfalls am Golf gelegen, die »Vereinbarung zur Normalisierung der Beziehung mit Israel«. Mit Marokko und dem Sudan folgten zwei weitere muslimische Länder, die Frieden mit dem jüdischen Staat schlossen. Immer wieder wird gemunkelt, das ungleich größere und wichtigere Saudi-Arabien könnte bald folgen.
persönlich Bennett sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Emirates: »Dies ist der Frieden und die neue Realität, die diese Region erlebt. Wir arbeiten zusammen, um unseren Kindern eine bessere Zukunft zu sichern.« Israel wertete den Besuch im Anschluss als durchschlagenden Erfolg. Die Staatsmänner hätten eine persönliche Beziehung entwickelt. Bennett, ein ehemaliger Geschäftsmann, lobte »das Niveau der Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern«.
In einer Erklärung der staatlichen Nachrichtenagentur WAM sprach auch Scheich Mohammed von der Hoffnung auf »Stabilität im Nahen Osten«. Bennetts Besuch werde die Zusammenarbeit in Richtung positiverer Schritte im Interesse der Menschen beider Nationen und der gesamten Region voranbringen.
Vor einigen Wochen erst hatte Außenminister Yair Lapid von der Zentrumspartei Jesch Atid die israelische Botschaft in Abu Dhabi und später eine Vertretung in Bahrain eröffnet.
abkommen Auch wirtschaftlich läuft es gut: In den vergangenen Monaten unterzeichneten Israel und die VAE umfangreiche Abkommen im Bereich Wirtschaft und Wissenschaft im Wert von Hunderten Millionen US-Dollar. Das Außenministerium in Jerusalem gab an, dass mittlerweile mehr als 200.000 israelische Touristen in die Emirate gereist seien, trotz der Einschränkungen durch die Pandemie. Inzwischen gibt es regelmäßige Direktflüge. Ministeriumssprecher Lior Haiat erklärte, die Geschwindigkeit der Entwicklung der Beziehungen sei beispiellos.
Die Visite Bennetts folgte auf einen Besuch des VAE-Sicherheitsberaters, Scheich Tahnoon bin Zayed al-Nahyan, in Teheran. Er traf sich mit dem neuen iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi, um zu besprechen, wie die Spannungen abgebaut werden können. Viele Länder der Golfregion, darunter die VAE und Saudi-Arabien, betrachten die aggressive Außenpolitik des Iran als Bedrohung für ihre Souveränität – und liegen damit ganz auf der Linie Israels.