Hersh Goldberg-Polin lebt! Die Hamas hat ein Propagandavideo des jungen Mannes veröffentlicht, den sie als Geisel im Gazastreifen Gefangen hält. Erste Auswertungen bestätigen die Echtheit der Aufnahme, in der der 24-Jährige zu sehen ist, wie aus israelischen Sicherheitskreisen heute verlautete. Es ist das erste Lebenszeichen von Hersh seit 201 Tagen.
In dem Clip sitzt der junge Mann in einem dunkelroten Shirt und mit geschorenem Kopf auf einem Plastikstuhl. Es ist auch zu sehen, dass sein linker Arm unterhalb des Ellenbogens amputiert ist. Die Einschätzung des israelischen Geheimdienstes habe bereits zuvor ergeben, dass Goldberg-Polin noch am Leben und in Gaza operiert worden sei, nachdem er am 7. Oktober schwer verletzt in den Gazastreifen verschleppt wurde, zitierte die Times of Israel einen mit der Angelegenheit vertrauten Beamten.
Die Eltern von des 24-jährigen, Rachel Goldberg-Polin und Jon Polin, forderten die Medien auf, das Video in voller Länge zu veröffentlichen, etwas, wovon vor allem israelische Medien bei anderen Geiseln Abstand genommen hatten.
»Der Aufschrei von Hersh soll gehört werden, denn es ist der Aufschrei von allen Gekidnappten«, erklärten sie in einem Video kurz nach dem Erscheinen des Propagandafilms ihres Sohnes.
Eltern sind überwältigt, ihren Sohn lebend zu sehen
»Die Aufnahme von Hersh heute zu sehen, ist überwältigend«, sagten sie weiter. »Wir sind erleichtert, ihn lebend zu sehen, machen uns aber auch Sorgen um seine Gesundheit und sein Wohlergehen sowie um die aller anderen Geiseln und aller Leidtragenden in dieser Region.«
Hersh Goldberg-Polin, der in Kalifornien geboren wurde, zog 2008 nach Israel. Er besitzt die israelische und amerikanische Staatsbürgerschaft. Gemeinsam mit Freunden war er auf dem Nova-Musikfestival im Kibbuz Re’im, um »Spaß zu haben«, wie er selbst in dem Video sagt. Vier Tage vor dem Massaker der Hamas mit mehr als 1200 Toten hatte er seinen 24. Geburtstag gefeiert.
Als die Hamas das Musikfestival angriff, suchte er gemeinsam mit anderen Schutz in einer Art Bunker. Als Terroristen begannen, Granaten in den Bunker zu werfen, gelang es Goldberg-Polins Freund Aner Shapira, sieben Granaten hinauszuwerfen und die Menschen zu retten, bevor er von der achten Granate selbst getötet wurde.
Auch Goldberg-Polin versuchte, eine der Granaten wegzuschleudern, doch sie explodierte, bevor er sie werfen konnte, wodurch er seine Hand und einen Teil des Unterarms verlor, gaben Augenzeugen später an.
»Seien Sie mutig und gehen Sie einen Deal ein, der uns mit unseren Lieben vereinen wird und um das Leid in dieser Region zu beenden.«
Eltern von Hersh, Rachel Goldberg-Polin und Jon Polin
Das Video von Hersh beginnt damit, dass er von dem Massaker erzählt, »es war an diesem Tag niemand da, der uns beschützte«. Dann wandte er sich, wahrscheinlich von der Hamas diktiert, an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und die israelische Regierung: »Sie sollten sich schämen, dass Sie mich und Tausende von Bürgern an diesem Tag im Stich gelassen haben. Schämen Sie sich, denn seit fast 200 Tagen sind wir hier und alle Versuche der IDF, uns zu retten, sind gescheitert.«
»Bei Bombenanschlägen der Luftwaffe wurden etwa 70 Geiseln wie ich getötet, und Sie sollten sich schämen, dass Sie und Ihre Regierung jeden Deal, der auf den Tisch kommt, ablehnen. Wollen Sie diesen Albtraum nicht jetzt beenden?« Dann sprach der junge Mann von dem Pessachfest, das dieser Tage gefeiert wird: »Benjamin Netanjahu und die Mitglieder der Regierung: Während Sie mit Ihren Familien die Feiertage begehen, denken Sie an uns, die Geiseln, die immer noch hier sind, in der Hölle unter der Erde. Ohne Wasser, ohne Nahrung, ohne Sonnenlicht, ohne die medizinische Behandlung, die ich so dringend brauche.«
Hunderte demonstrieren vor Residenz des Premiers
Kurz nach der Veröffentlichung des Videos marschierten am Abend Hunderte Demonstranten, darunter Freunde von Goldberg-Polin, in Richtung der Residenz des Premierministers in Jerusalem. Sie hielten Fotos des jungen Mannes in die Höhe und riefen nach seiner Freilassung.
Einige Demonstranten zündeten Feuer auf der Straße an, mindestens zwei von ihnen wurden festgenommen. Die Polizei setzte auch Stinkwasser gegen Protestierende ein, die Straßen blockierten.
Goldberg-Polins Eltern richteten anschließend einen »Appell an alle Anführer«, die bislang über einen Geiselnahme-Deal verhandelt haben, und nannten dabei Katar, Ägypten, die Vereinigten Staaten, die Hamas und Israel: »Seien Sie mutig, nutzen Sie diesen Moment und gehen Sie einen Deal ein, der uns alle mit unseren Lieben wieder vereinen wird und um das Leid in dieser Region zu beenden.«
An ihren Sohn gerichtet sagten sie: »Hersh, wenn Du dies hören kannst: Wir haben Deine Stimme heute zum ersten Mal seit 201 Tagen gehört. Wir lieben Dich. Bleib stark und überlebe!«