Rauchen war nicht erlaubt. Doch über Cannabis reden umso mehr. Auf der zweiten Konferenz zum Thema medizinisches Cannabis in Tel Aviv und Jerusalem gaben sich keine Kiffer, sondern Experten, Professoren und Unternehmer aus 15 Ländern ein Stelldichein. Seit der Legalisierung als Arzneimittel für bestimmte Krankheiten und Syndrome sind Anbau und Verarbeitung der weichen Droge in Israel zu einem rasant wachsenden Wirtschaftszweig geworden.
Medizinisches Cannabis ist heute schon in Apotheken zu bekommen. Vor allem Patienten mit Krankheiten wie Krebs, chronischen Schmerzen oder einer Posttraumatischen Belastungsstörung wird Cannabis heute verschrieben. Allerdings müssen die israelischen Patienten manchmal Monate warten, um ein Rezept für die schmerzlindernden Zigaretten, Kekse oder Öle zu erhalten. Denn zunächst müssen sie zuvor weniger umstrittene Medikamente eingenommen haben.
Tikkun Olam Bislang gibt es lediglich 36 Ärzte im ganzen Land, die Rezepte ausstellen, und acht Landwirte, die anbauen dürfen. Die beiden größten Anbauer, Tikkun Olam und Breath of Life, produzieren für den israelischen Markt und exportieren mittlerweile in alle Welt.
Doch die Zahl der lizensierten Ärzte und Cannabis-Anbauer ist zu gering für den sprunghaft gestiegenen Bedarf, nachdem die Politik vor rund zwei Jahren die medizinische Komponente in der Droge anerkannt hatte.
Das findet auch Saul Kaye, Geschäftsführer von ICAN. Er ist einer der führenden Cannabis-Unternehmer im Land. »Die größte Hürde ist die Verfügbarkeit für die Patienten, da Cannabis als letzte Möglichkeit bei der Therapie angesehen wird. Daher haben viele unnötige Schmerzen. Die Patienten leiden.«
Doch der Prozess der Verschreibung soll einfacher werden. Ein Reformvorschlag wurde bereits in der Knesset eingereicht. Der beinhaltet unter anderem, dass jede Apotheke das medizinische Cannabis ausgeben darf und mehr Anbauer es produzieren können.
genehmigung Gesundheitsminister Yaakov Litzman (Vereinigtes Tora-Judentum) versprach vor Kurzem, weitere Mediziner ausbilden zu lassen und ihnen die Genehmigung zu erteilen. Doch es ist ein langer Prozess. Vor allem gibt es die Angst, dass das medizinische Cannabis in die Hände von Dealern und Kiffern geraten könnte, die es benutzen, um sich zu berauschen. Marihuana zu verkaufen und zu konsumieren, ist in Israel strikt verboten. Doch bestimmte Sorten, die hier angebaut werden, verfügen über die medizinischen Wirkstoffe, ohne high zu machen, wenn sie geraucht oder anderweitig konsumiert werden.
»Wir arbeiten daran, den Bereich des medizinischen Cannabis neu zu organisieren, um den Zugang für jene zu erleichtern, die es brauchen, und für die anderen zu erschweren«, erläuterte Litzman. »Es gibt keinen Grund, die Erhältlichkeit für Patienten zu verkomplizieren, nur weil andere es für den illegalen Gebrauch ausnutzen wollen.«
Illegal war auf der zweiten CannaTech-Konferenz in Israel vor einigen Tagen gar nichts. Stattdessen gab es Vorträge von Experten, Anbauern und Technologie-Start-ups sowie Seminare für Interessierte rund um die heilende Hanfpflanze: »Cannabis als Medizin« lautete das Motto. Mittlerweile ist Israel als führende Technologienation beim Cannabis-Anbau in der ganzen Welt bekannt.
In den vergangenen drei Jahren sind Dutzende neue Unternehmen gegründet worden. »Doch die Branche ist noch jung«, weiß Kaye. Er ist sicher, dass Israel die Rolle der weltweit führenden Forschung übernehmen sollte. »Denn bei Cannabis geht es nicht nur um eine Pflanze oder darum, eine Arznei zu schaffen. Es geht um landwirtschaftliche Technologien, Internetauftritte, Applikationen und vieles mehr.«
Vorreiter Auf der Konferenz gab er bekannt, dass seine Firma ICAN gemeinsam mit der israelischen Vereinigung für medizinisches Cannabis das erste Forschungs- und Entwicklungszentrum sowie einen Inkubator für junge Firmen eröffnen wolle. »Denn die Industrie ist sehr jung und braucht Kapital, um sie weiter nach vorn zu bringen.«
Einer der Vorreiter in der Cannabis-Forschung ist Rafael Meschulam, Professor für Chemie an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Er machte deutlich, dass es eine vollständige Trennung zwischen der medizinischen Nutzung und dem »Freizeitkonsum« geben müsse. Meschulam hat mit seiner Forschung bereits vor Jahrzehnten begonnen. Er ist derjenige, der als Erster die aktive Komponente THC aus dem Cannabis isolierte und so den Weg für die medizinische Forschung bereitete.
»Wir begannen vor 50 Jahren, als niemand wirklich Interesse daran hatte«, erinnerte sich der Chemiker bei seiner Rede auf der CannaTech. »Aber wir dachten, es ist bedeutend, also haben wir weitergemacht.« Damals habe er sich sein Forschungsmaterial direkt bei der Polizei abholen müssen – aus dem Fundus, der bei Drogenrazzien beschlagnahmt wurde.
Heute sei die Arbeit der Wissenschaftler vom Gesundheitsministerium anerkannt. »Und das ermöglicht es uns«, so Meschulam, »die Wirkung von Cannabis bei einer Unmenge von Krankheiten zu untersuchen, um letztendlich vielen Menschen zu helfen.«