Wirtschaft

Hasskampagne ohne Erfolg

Boykottaufrufe haben die Exportindustrie bislang kaum beeinträchtigt

von Sabine Brandes  08.06.2015 18:58 Uhr

Hat sich wohl verplappert: Orange-Chef Stéphane Richard Foto: dpa

Boykottaufrufe haben die Exportindustrie bislang kaum beeinträchtigt

von Sabine Brandes  08.06.2015 18:58 Uhr

Eigentlich ist er nur einer von vielen. Doch nun steht Stéphane Richard stellvertretend für die hässliche Fratze des Boykotts. Der Chef der französischen Telekommunikationsfirma Orange verkündete vor wenigen Tagen, er würde sich am liebsten aus dem jüdischen Staat zurückziehen. Nun rudert er zurück, spricht von einem Missverständnis und will sogar nach Jerusalem reisen, um die Verbindung zu festigen. Immerhin ist Orange einer der größten Mobilfunkanbieter in Israel. Ein Boykott komme für ihn absolut nicht infrage, sagt Richard nun. Doch die Sanktionen gegen Israel erleben derzeit vor allem in Europa einen regelrechten Boom.

BDS steht für Boykott, Desinvestition und Sanktion. Ursprünglich wurde die Initiative 2005 von 171 palästinensischen Organisationen in Anlehnung an die Anti-Apartheid-Bewegung gegen Südafrika ins Leben gerufen. In einer Erklärung fordert die Kampagne schwammig »verschiedene Formen des Boykotts, bis Israel die Verpflichtungen im Rahmen des internationalen Rechts anerkennt«. Heute ist BDS eine globale Kampagne, die darauf abzielt, Israel wirtschaftlichen und politischen Druck zu machen, um, wie es heißt »die israelische Besatzung palästinensischen Landes zu beenden, volle Gleichberechtigung von arabisch-palästinensischen Bürgern Israels durchzusetzen und das Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge zu garantieren«.

Feigenblatt Boykotte gegen den jüdischen Staat gibt es nicht erst seit zehn Jahren. Nach dem Unabhängigkeitskrieg von 1948 rief die Arabische Liga zu umfassenden Wirtschaftssanktionen auf, die jahrzehntelang durchgesetzt wurden. Heute indes ist der arabische Wirtschaftsboykott lediglich noch ein zahnloser Papiertiger.

Nicht so BDS. Die Kampagne hat in den vergangenen Wochen – nach der neuen Regierungsbildung in Israel – extremen Zulauf bekommen. Die nationale britische Studentenvereinigung schloss sich vor wenigen Tagen an. Worauf der ehemalige englische Oberrabbiner Lord Sacks erklärte, dass »BDS es für europäische Juden fast unmöglich macht, Israel zu unterstützen«.

Nicht selten verstecken sich hinter dem Feigenblatt des »politischen und wirtschaftlichen Drucks« schlicht antisemitische Hintergründe, wovon auch Premierminister Benjamin Netanjahu überzeugt ist: »Wir befinden uns mitten in einer diplomatischen Kampagne. Darin wird die Realität verzerrt und wir fälschlicherweise beschuldigt. Allerdings ist das nichts Neues. In der Geschichte sind wir immer falsch beschuldigt worden. Wir müssen diesen Kampf gemeinsam führen. Denn wir sind nicht perfekt, aber wir korrigieren uns ständig.« Israel sei eine Demokratie, so Netanjahu weiter, die mit den schwierigsten Herausforderungen der Welt konfrontiert ist. Von der demokratischen Welt erwartet er Rückhalt mit einer lauten und deutlichen Stimme.

Heuchelei Verteidigungsminister Mosche Yaalon pflichtete Netanjahu bei: »Als unsere Feinde gemerkt haben, dass sie uns nicht mit konventionellen Kriegen bekämpfen können, haben sie die diplomatische Front eröffnet.« Auch Oppositionspolitiker Yair Lapid ist gegen den Boykott. Nach den Worten des Orange-Chefs forderte er die französische Regierung auf, sich klar dagegen auszusprechen. »Dies ist Heuchelei der schlimmsten Sorte. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Richard Probleme hatte, in Israel Geld zu machen und von den Einwohnern zu profitieren.« Gleichzeitig gab der Vorsitzende von Jesch Atid Netanjahu eine Mitschuld am Boom des BDS: »Es verlangt eine professionelle Antwort aus Israel. Leider mangelt es dem Premier daran, und so werden noch mehr dieser Fälle auf uns zukommen.«

Israels Regierung sorgt sich, dass die Kampagne, Konsumenten, Geschäfte und Regierungen davon abzuhalten, Waren aus Israel zu kaufen, Erfolg hat. Doch Fakt ist, dass »Made in Israel« in den meisten Ländern heute Gütezeichen ist. Während im Jahr 2013 noch 760 israelische Produzenten Hersteller-Aufkleber benutzten, waren es 2014 schon 1024, die stolz »Made in Israel« auf ihre Waren klebten, gibt das Handelsministerium an.

Exporte Bislang habe die Boykottkampagne kaum spürbare Auswirkungen auf Israels Wirtschaft, heißt es in einem offiziellen Bericht. Das parlamentarische Forschungs- und Informationszentrum untersuchte die Folgen der BDS-Sanktionen und fand heraus, dass die Exporte nach Europa sich seit 2005 fast verdoppelt haben. Sie beliefen sich ein Jahrzehnt zuvor auf etwa acht Milliarden Dollar jährlich und bringen zehn Jahre später 15,6 Milliarden ein.

»Die Außenhandelszahlen, vor allem die in Bezug auf Europa, zeigen, dass die Boykotte der letzten zehn Jahre die israelische Ökonomie nicht geschädigt haben«, so Wirtschaftsexperte Eyal Kaufman. »Selbst wenn BDS Erfolge gehabt haben mag, so sind doch keine breiten Auswirkungen im volkswirtschaftlichen Sinne spürbar.« Außerdem seien die meisten Waren aus Israel Zwischenprodukte, beispielsweise elektronische Komponenten in Endprodukten von globalen Unternehmen. »Und gegen die haben Boykotte einfach keine Chance.«

Diplomatie Auch die Sanktionen der Europäischen Union gegen Produkte aus den jüdischen Siedlungen in den Palästinensergebieten, wie etwa die Beschriftung oder die Verweigerung von Zollerleichterungen, hätten keinen nachhaltigen Effekt, weiß Kaufman. Denn lediglich 0,7 Prozent der Exporte in die EU stammen aus dem Westjordanland, den Golanhöhen oder Ostjerusalem – den drei Gegenden, die unter die europäische Prämisse fallen. Das sei eine so geringe Zahl, dass sie praktisch zu vernachlässigen sei, so der Experte.

Zwar sei Israel durch seine exportorientierte Wirtschaft verletzlich, heißt es im Knessetbericht weiter, dennoch ist es auch in der Zukunft unwahrscheinlich, dass das Land auf wirtschaftlicher Ebene erheblichen Schaden durch BDS erleiden werde.

So liegt der wahre Schaden der Kampagne vor allem im diplomatischen Bereich. »BDS-Organisationen sorgen für Ignoranz und Hass«, antwortete der ehemalige Staatspräsident Schimon Peres auf die Frage, was er von dem Boykott halte. »Es ist wichtig, zu verstehen, dass ein Embargo Verhandlungen verhindert. BDS will den Friedensprozess durch Boykotte töten. Ernten werden die Organisatoren nichts als Hass.«

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