Es ist die Nachricht, die man vor Antritt einer Reise nicht hören möchte: »Sehr geehrte Passagiere, aufgrund eines Mangels an Piloten muss unser Flug LY015 nach Boston am 5. Februar leider ausfallen.« Mit dieser SMS informierte EL AL seine Fluggäste nur wenige Stunden vor dem Check-in am Ben-Gurion-Flughafen.
Und es war nicht die einzige Maschine, die an diesem Tag gecancelt wurde. Auch die Flüge nach Moskau und New York fanden nicht statt. Weitere drei Destinationen in Europa sowie zwei in Asien konnten in den Tagen danach ebenfalls nicht bedient werden. Als Grund gab EL AL immer wieder an: Wir haben nicht ausreichend Personal zur Verfügung. Von einem richtigen Streik wollte dabei niemand sprechen – selbst die Piloten nicht, um die es letztendlich ging.
Vorausgegangen war ein längerer Disput über den Einsatz von Flugkapitänen in der Altersgruppe zwischen 65 und 67. Laut einer in Israel seit November 2014 geltenden internationalen Regel dürfen diese nicht mehr im Cockpit sitzen. Aber weil Israelis erst mit 67 in Rente gehen können, hängen sie quasi in der Luft. Um das Problem zu lösen, beschloss EL AL, seine älteren Mitarbeiter als Fluginstrukteure einzusetzen.
Renten Das klingt erst einmal vernünftig. »Aber das Management rangiert seine erfahrensten 65-jährigen Piloten einfach aus und kürzt ihre Gehälter um zwei Drittel«, hieß es dazu seitens der Pilotenvereinigung. Zugleich reduzierten sich damit auch ihre Rentenansprüche. Das wolle man nicht einfach so hinnehmen. Betroffen sind bei EL AL rund 40 Piloten.
Die Airline hält dagegen: »Wir haben immer versucht, ein möglichst hohes Maß an Verantwortung gegenüber unseren Piloten zu zeigen, die nicht länger im aktiven Dienst sein können. Und wir erwarten von ihren Vertretern, dass sie nicht jede Unstimmigkeit bei den Verhandlungen gleich in einen offenen Arbeitskampf münden lassen. Dies schadet dem Unternehmen sowie seinen Mitarbeitern und macht letztendlich unsere Passagiere zu ihren Geiseln.«
»Das Management lügt seine Fluggäste an«, lautete prompt die Replik. Man wehre sich nur gegen unplanmäßige »Sonderflüge«, zu denen ihre Crew-Angehörigen ganz plötzlich abberufen würden. Deshalb meldeten sich einige nun krank. Und acht Piloten, die als Supervisors mit wichtigen Verwaltungsaufgaben bei EL AL betraut sind, erklärten zeitgleich ihre sofortige Kündigung. Weiteres Chaos drohte. Einer von ihnen, Captain Ronnie Zohar, der den Einsatz von EL ALs Boeing-737er-Flotte koordiniert, erklärte: »Ich möchte von meiner Aufgabe entbunden werden, weil meine gesamte Planung immer wieder über den Haufen geworfen wird.«
EL AL wertete das Ganze als einen illegalen Arbeitskampf und wandte sich an die Justiz. Dort war man offensichtlich bereits genervt von dem Dauerstreit. Denn eigentlich hatte man sich längst geeinigt. Für ein Basisgehalt von 45.000 Schekel (11.250 Euro) im Monat sollten die Piloten in der Altersgruppe von über 65 neun Arbeitstage leisten. Der Streit ging nun darum, ob diese auf den Monat selbst oder über das ganze Jahr verteilt angerechnet werden. Deshalb ließ das Arbeitsgericht auch beide Seiten wissen, dass es ihr Verhalten allmählich missbillige, weil es auf Kosten der Kunden und damit auch der Öffentlichkeit gehe.
Erfolg Richterin Ofira Dagan-Tuchmacher verdonnerte alle Beteiligten dazu, an den Verhandlungstisch zurückzukehren – offensichtlich mit Erfolg. Histadrut-Chef Avi Nissenkron, der an den Gesprächen beteiligt war, sagte am Donnerstag vergangener Woche jedenfalls, dass man sich in entscheidenden Punkten angenähert habe und der Streit beigelegt werde.
»So langsam glaube ich, ich habe ein Déjà-vu«, kommentierte Richterin Dagan-Tuchmacher die Fehde zwischen EL AL und den Piloten. Schließlich hatte es erst im vergangenen November einen Arbeitskampf mit mindestens 15 Flugausfällen gegeben, bei dem es ebenfalls um einige Privilegien ging. Dabei handelte es sich um die gängige Praxis der Piloten, auf Langstreckenflügen nur eine Route zu fliegen und den Rückweg als Passagier in der Business Class anzutreten. Zudem besserten die Flugkapitäne ihre Bezüge von 80.000 Schekel (20.000 Euro) im Monat regelmäßig durch teure Überstunden auf. So betrug 2006 ihre Arbeitszeit auf einem Flug von Tel Aviv nach New York im Durchschnitt noch elf Stunden und 30 Minuten. Daraus wurden plötzlich zwölf Stunden und 20 Minuten, was zu einem fetten Bonus führte.
All das ist nun Geschichte. Als Trostpflaster erhielten die Piloten einen Gehaltszuschlag von 8,75 Prozent sowie das Versprechen von EL AL, keine sogenannten »Wet Charters« mehr einzugehen – eine in der Branche gängige Praxis, die Maschinen anderer Airlines anzumieten, weil die oft günstiger fliegen als die eigenen.
Lufthansa Einige dieser Streitpunkte dürften einem von den Arbeitskämpfen hierzulande bekannt vorkommen. Auch dabei dreht sich alles um Renten und Tarifverträge. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass Lufthansa-Piloten bereits mit 55 aufhören dürfen und bis zum Renteneintrittsalter 60 Prozent ihrer Bezüge weiter erhalten. Diese Regelung wollen sie mit dem Hinweis auf die Belastungen durch lange Arbeitszeiten aufrechterhalten. Ebenso die recht fürstlichen Gehälter, die bei 73.000 Euro im Jahr anfangen und je nach Dienstzugehörigkeit 250.000 Euro betragen können.
Doch das eigentliche Thema ist die Auslagerung des Personals in andere Gesellschaften. So will man 40 neue Maschinen der Kernmarke Lufthansa nicht mehr mit Piloten besetzen, die nach Konzerntarif bezahlt werden. Schon jetzt schrumpft die Zahl der aktuell noch 5400 Lufthansa-Piloten, weil die Billigflugtochter Eurowings ausgebaut wird. Und dort liegt das Gehaltsgefüge rund ein Drittel niedriger. Auch EL AL hat mit UP eine solche Discount-Airline gegründet, die aber bis dato nur wenige Strecken bedient. Sollte sich das ändern und das Netz von UP erweitert werden, dann dürften auch bestehende Tarifvereinbarungen zur Disposition stehen. Das wird die Pilotenvereinigung nicht ohne Arbeitskampf schlucken. Neue Chaostage sind dann programmiert.