Die Terrororganisation Hamas hat in Khan Younis vier Särge mit den Leichnamen von vier Geiseln an das Rote Kreuz übergeben. Die Organisation bestätigte kurz darauf dem israelischen Militär die Übergabe der Leichname. Zuvor hatten die Terroristen eine Bühne aufgebaut, um die Übergabe der Leichname für ihre eigenen Propagandazwecke zu instrumentalisieren.
An der Bühne waren Propagandaposter befestigt. Auf einem davon war Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als Vampir dargestellt. Auf dem Poster wurde Israel für den Tod der Geiseln verantwortlich gemacht. Sie seien bei Angriffen von »Zionistischen Kriegsflugzeugen« umgekommen. Das hatten die Terroristen bereits bei Daniella Gilboa behauptet, sie dann aber lebend freigelassen. Die genaue Todesursache der Geiseln soll in Israel untersucht werden.
Ihre Massaker in Israel, bei denen ganze Familien bei lebendigem Leib verbrannten und insgesamt 1200 Menschen ermordet wurden, erwähnten die Hamas-Terroristen nicht. Die Terror-Attacke vom 7. Oktober 2023 hatten den Krieg ausgelöst.
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Särge mit israelischen Flaggen
Zahlreiche Schaulustige beobachteten die Übergabe der Geisel-Leichen. Arabische Pop-Musik wurde abgespielt. Mitarbeiter des Roten Kreuzes stellten Sichtblenden auf, um den Blick auf die schwarzen Särge zu blockieren, als diese in Fahrzeuge geladen wurden.
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Minuten später wurden die Leichen noch in Gaza an die israelischen Streitkräfte (IDF) übergeben. Eine vom Chef-Rabbiner der IDF, Eyal Karim, durchgeführte Trauerzeremonie war vorgesehen. Dann sollten die sterblichen Überreste der Geiseln in Särge mit israelischen Flaggen gelegt werden, bevor sie nach Israel überführt werden.
Israelischen Zeitungsberichten zufolge waren die Särge abgeschlossen. Schlüssel waren nicht vorhanden. Das Militär musste zunächst feststellen, ob Sprengfallen in die Särge eingebaut wurden. Als sie die Särge öffneten, stießen sie auch auf Propagandamaterial, wie israelische Medien berichteten.
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Gegen Mittag Ortszeit kamen die Särge schließlich in Israel an. Am frühen Nachmittag erreichten sie das Forensische Institut »Abu Kabir« in Tel Aviv. Die Identifizierung der Leichen könnte 48 Stunden in Anspruch nehmen. Die Experten identifizierten den Leichnam von Oded Lifshitz, einem älteren Mann, der als Friedensktivist Arabern aus Gaza half, jedoch bereits am Nachmittag. Dem Büro des israelischen Ministerpräsidenten zufolge wurde Lifshitz vor mehr als einem Jahr von Terroristen des Islamischen Dschihad ermordet.
Besonders bitter
Bislang hatte die Hamas lebende Geiseln an das Rote Kreuz übergeben. Diesmal sollen es jedoch die Leichen von Shiri Bibas, ihrer beiden Söhne Kfir und Ariel und von Oded Lifshitz sein.
Es ist ein besonders bitterer Tag, denn die Bibas-Familie mit den rotschöpfigen Kindern Kfir und Ariel waren zu einem Symbol für die Demonstrationen zur Freilassung der Geiseln geworden. Auch für Deutschland ist dieser Tag besonders relevant, da die Mitglieder Bibas-Familie deutsche Staatsbürger sind.
Am 7. Oktober 2023 zum Zeitpunkt der Geiselnahme, war Kfir neun Monate alt, sein Bruder Ariel vier Jahre. Dass die Mörder der Hamas selbst tote Kleinkinder bei einer Terror-Show missbrauchten, wird in Israel als geschmacklos und widerwärtig empfunden.
Die Bewohner des Kibbuz Nir Oz, wo die Bibas-Familie und Oded Lifshitz mit seiner Frau gelebt hatten, trafen in Karmei Gat für eine Schweigeminuten in Gedenken an die Toten zusammen. Dort warten sie auf einen Wiederaufbau ihrer Häuser.
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Herzog und Scholz reagieren
Präsident Isaac Herzog bat um Vergebung dafür, dass Israel die toten Geiseln nicht retten konnte. »Qualen. Schmerz. Mir fehlen die Worte«, schrieb er auf X. »Unsere Herzen - die Herzen einer ganzen Nation - sind zerrissen.«
»Im Namen des Staates Israel verneige ich mich und bitte um Vergebung«, so Herzog. »Vergebung dafür, dass ich Sie an diesem schrecklichen Tag nicht beschützt habe. Vergebung dafür, dass ich Euch nicht sicher nach Hause gebracht habe.«
In Berlin reagierte Olaf Scholz auf die Nachrichten aus Gaza und Israel: »Es ist zur schrecklichen Gewissheit geworden: Shiri Silbermann-Bibas und ihre Söhne Ariel und Kfir sind tot«, schrieb der Bundeskanzler auf X. »Die Hamas hat Leid und Tod in unzählige Familien gebracht. Ich fühle mit allen, die mit dieser schrecklichen Gewissheit umgehen müssen.« Die Tatsache, dass die erwähnten Mitglieder der Familie Bibas auch Deutsche sind, erwähnte Scholz in seinem Post nicht.
Nicht zweifelsfrei geklärt
In einem forensischen Institut nahe Tel Aviv soll nun die Identität der Toten festgestellt werden. Danach werden die Angehörigen über das Ergebnis informiert.
Was Shiri, Ariel und Kfir Bibas in der Geiselhaft widerfahren ist, ist noch immer nicht zweifelsfrei geklärt. Videoaufnahmen der verängstigen Mutter und ihrer beiden rothaarigen Söhne, die bei der Entführung nach dem Massaker der Hamas-Terroristen im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober 2023 entstanden, gingen um die Welt.
»Schwerer Tag« für Israel
Die Hamas hatte im November 2023 mitgeteilt, die drei seien bei israelischen Bombardements im Gazastreifen getötet worden. Von israelischer Seite gab es bislang für ihren mutmaßlichen Tod keine abschließende Bestätigung. Die Armee äußerte aber mehrmals große Sorge über das Schicksal der Mutter und ihrer zwei Söhne.
Der Vater der Kinder, Yarden Bibas, wurde kürzlich von der Hamas freigelassen. »Unglücklicherweise ist meine Familie nicht zu mir zurückgekehrt«, teilte er nach seiner Rückkehr nach Israel mit. »Mein Licht ist immer noch dort (im Gazastreifen), und solange sie dort sind, ist hier alles düster.«
Regierungschef Netanjahu sagte, Israel stehe ein »schwerer Tag« bevor. »Ein erschütternder Tag, ein Tag der Trauer.« Es zerreiße der ganzen Nation das Herz, aber »es sollte der ganzen Welt das Herz zerreißen, weil hier zu sehen ist, mit wem wir es zu tun haben, mit welchen Monstern«.
Machtdemonstration und Spektakel
Bis es abschließende Gewissheit über die Identität der ausgehändigten Leichen gibt, könnte es dauern. Israelische Medien meldeten unter Berufung auf Gesundheitsminister Uriel Busso, der Identifizierungsprozess könne einige Zeit in Anspruch nehmen. Auch die Todesursache solle geprüft werden.
Der genaue Ablauf der Übergabe war zunächst unklar. Bisherige Geisel-Freilassungen hatte die Hamas stets als Machtdemonstration und Spektakel für Schaulustige inszeniert.
Israelische Medien berichteten, ein Fahrzeug der Hamas werde die Leichen vermutlich zu Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) bringen. Diese würden die Leichen dann noch im Gazastreifen der israelischen Armee übergeben, im Beisein eines Rabbiners. Die sterblichen Überreste sollten dann in Särge gelegt werden, die dann mit blau-weißen israelischen Flaggen eingewickelt würden.
Fahrdienst für Geiseln
Das Rote Kreuz rief dazu auf, die Übergabe »auf private und würdige Weise« zu gestalten. Jegliche erniedrigende Behandlung sei inakzeptabel. Das Rote Kreuz steht jedoch selbst auch massiv in der Kritik, weil es nicht eine einzige der ursprünglich 251 Geiseln jemals besucht hat. Stattdessen fährt es lediglich tote und lebende Geiseln zurück nach Israel.
Im Gegenzug für die vier Leichen wird Israel Berichten zufolge alle Frauen und Minderjährigen freilassen, die seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 festgenommen wurden und nicht am bewaffneten Kampf gegen Israel beteiligt gewesen sein sollen.
Sechs weitere israelische Geiseln sollen am Samstag freikommen, am Donnerstag darauf dann vier weitere Leichen übergeben werden. Seit Beginn der Waffenruhe im Gaza-Krieg am 19. Januar ließen die Islamisten in mehreren Runden 19 Geiseln frei. Zusätzlich kamen fünf aus Israel entführte Thailänder unabhängig von der Vereinbarung frei.
33 für 1904
Das mehrstufige Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass während einer ersten, sechswöchigen Phase nach und nach insgesamt 33 Geiseln im Austausch gegen 1904 palästinensische Häftlinge freikommen. Acht dieser Geiseln sind nach Hamas-Angaben nicht mehr am Leben. ja/dpa