Die islamistische Terrororganisation Hamas steht einem Verhandlungsangebot für einen Geisel-Deal im Gaza-Krieg Medienberichten zufolge ablehnend gegenüber, will die Gespräche aber fortsetzen. »Unsere Position zum aktuellen Verhandlungspapier ist negativ«, sagte der im Libanon ansässige Hamas-Sprecher Osama Hamdan am Mittwochabend im libanesischen Fernsehen, wie die Zeitung »Times of Israel« berichtete.
Die Pressestelle der Terroristen habe die Äußerungen Hamdans danach jedoch präzisiert und erklärt, die Hamas-Führung werde zwar die aktuellen Vorschläge Israels nicht unverändert akzeptieren, sei aber bereit weiterzuverhandeln, schrieb dazu die »New York Times«. Die ablehnende Haltung bedeute nicht, dass die Verhandlungen eingestellt wurden. Vielmehr gebe es »ein Hin und Her«. In den kommenden Stunden könnte es eine Antwort geben, so die »Times of Israel«.
Bericht: Hamas-Anführer im Gazastreifen sieht Angebot skeptisch
Im Rahmen von Vermittlungsbemühungen in der ägyptischen Hauptstadt Kairo war der Hamas ein Vorschlag für eine Feuerpause im Gegenzug für die Freilassung von Geiseln unterbreitet worden. Nach Ansicht des Anführers der Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, enthält der Vorschlag jedoch eine Reihe von Fallstricken. So gebe es keine Garantie dafür, dass der Krieg beendet wird, sagte eine dem Hamas-Anführer nahestehende Quelle dem israelischen Fernsehsender Channel 12 am Mittwochabend. Es handele sich nicht um ein Angebot der ägyptischen Vermittler, sondern um ein israelisches »in amerikanischem Gewand«. Äußerungen von Hamas-Führern im Exil sollten nicht als offizielle Positionen der Hamas betrachtet werden, sagte der Vertraute Al-Sinwars dem israelischen TV-Sender.
Israel droht mit Bodenoffensive in Rafah
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe am Mittwoch US-Außenminister Antony Blinken unter vier Augen gesagt, dass Israel mit einer Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens beginnen werde, sollte die Hamas weiterhin ein Geiselabkommen von der Beendigung des Krieges abhängig machen, berichtete das Nachrichtenportal »Axios« unter Berufung auf zwei israelische und amerikanische Beamte. Blinken hatte von einem »sehr, sehr großzügigen« Vorschlag Israels für einen Deal gesprochen. Die Hamas bestand bislang auf einem Ende des Krieges, was Israel aber ablehnt.
Die israelische Regierung hat einen raschen Beginn der umstrittenen Offensive in Rafah an der Grenze zu Ägypten angekündigt, sollte es nicht zur Einigung kommen. In der Stadt haben Hunderttausende Zivilisten Schutz gesucht, die vor der Offensive evakuiert werden sollen. Blinken sagte am Mittwoch in Tel Aviv: »Wir sind entschlossen, eine Waffenruhe zu erzielen, die die Geiseln nach Hause bringt, und zwar jetzt. Und der einzige Grund, warum dies nicht erzielt werden könnte, ist wegen der Hamas.« Es liege ein Vorschlag auf dem Tisch. »Und wie wir gesagt haben, keine Verzögerungen, keine Ausreden.« Dem Sender Channel 12 zufolge zögert der Hamas-Anführer in Gaza, Al-Sinwar, jedoch. Laut seinem Vertrauten nehme er für sich in Anspruch, alle Entscheidungen zum Gaza-Krieg allein zu treffen.
Israel vermutet, dass sich Al-Sinwar im Tunnelnetzwerk der Hamas unter dem Gazastreifen aufhält und sich zu seinem eigenen Schutz mit Geiseln umgeben hat. Das unterirdische System stellt in dem seit rund sieben Monaten andauernden Gaza-Krieg eine enorme Herausforderung für Israels Armee dar.
Israel betrachtet Al-Sinwar als einen der Architekten des Massakers vom 7. Oktober vergangenen Jahres im israelischen Grenzgebiet. Es war der Auslöser des Krieges. Israel will nun in Rafah die letzten dort verbliebenen Bataillone der Hamas zerschlagen. »Die Idee, dass wir den Krieg stoppen, bevor alle seine Ziele erreicht sind, kommt nicht infrage«, sagte Regierungschef Netanjahu am Dienstag. Er steht unter starkem Druck seiner rechtsextremen Koalitionspartner, die jüngst mit einem Ende der Regierung gedroht hatten, sollte der jetzt vorgeschlagene Geisel-Deal umgesetzt und der geplante Einsatz in Rafah abgeblasen werden. Netanjahus politisches Überleben hängt von ihnen ab.
Kolumbien bricht wegen Gaza-Krieg Beziehungen zu Israel ab
Unterdessen kündigte Kolumbiens Präsident Gustavo Petro einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Israel an. Israel habe eine »völkermörderische« Regierung, sagte Petro zur Begründung am Mittwoch bei einer Kundgebung zum Tag der Arbeit in Bogotá. »Wenn Palästina stirbt, stirbt die Menschheit, und wir werden sie nicht sterben lassen«, sagte der Linkspolitiker vor Tausenden Menschen in Kolumbiens Hauptstadt. Der Abbruch der Beziehungen gelte von diesem Donnerstag an.
Der israelische Außenminister Israel Katz bezeichnete Petro in einer Erklärung als »antisemitisch und hasserfüllt«. Er habe beschlossen, »sich auf die Seite der verabscheuungswürdigsten Monster der Menschheit zu stellen, die Babys verbrannten, Kinder ermordeten, Frauen vergewaltigten und unschuldige Zivilisten entführten«, schrieb Katz auf der Plattform X, vormals Twitter, auf Hebräisch und Spanisch. Der Präsident werde nichts daran ändern, dass die Beziehungen zwischen beiden Ländern immer herzlich gewesen seien. Petro hatte in den vergangenen Monaten Israel mehrmals scharf kritisiert und mit einem Abbruch der Beziehungen gedroht. dpa/ja