Die Kadima-Fraktion im israelischen Parlament hat am Dienstagabend in einer Abstimmung mit 27 zu drei Stimmen den Ausstritt aus der Regierungskoalition beschlossen. Schaul Mofaz, Vorsitzender der Kadima-Partei und Koalitionspartner der Regierung von Benjamin Netanjahu, hatte zuvor bei einer parteiinternen Sitzung angekündigt: »Es tut mir leid mitzuteilen, dass ich keine andere Wahl habe, als die Koalition zu verlassen.«
Der Politiker wurde aufgefordert, umgehend die Vorsitzende der Arbeitspartei, Scheli Jechimowitch, aus dem Amt der parlamentarischen Oppositionschefin zu verdrängen. Kadima ist seit den letzten Wahlen die größte Fraktion in der Knesset. Die Große Koalition mit dem Likudblock unter Premier Benjamin Netanjahu hat nur 70 Tage lang gehalten.
Tal-Gesetz Anlass des Koalitionsbruchs ist der Streit um das sogenannte Tal-Gesetz. Die Initiative, die den Orthodoxen nur eine beschränkte Wehrpflicht vorgeschrieben hatte, war vom Obersten Gericht als nicht verfassungsgerecht bezeichnet worden, weil es keine Gleichberechtigung für alle Bürger Israels vorgesehen hatte.
Es gab verschiedene Vorschläge, von der Likudpartei Netanjahus und von Kadima, zu welchen Bedingungen auch Orthodoxe Juden eingezogen werden könnten. So wurde angedacht, Orthodoxe erst ab dem 23. Lebensjahr zum Militärdienst einzuberufen und nicht ab 18, wie bei den übrigen Bürgern.
Doch das hätte zur Folge, dass sie im Zweifelsfall schon Familien gegründet hätten, die dann vom Militär mitfinanziert werden müssten. Grundsätzlich aber wollen die Orthodoxen, vertreten durch ihre Parteien, auch weiterhin von der Wehrpflicht wie auch von einem Zivildienst befreit bleiben.
Wahlen Netanjahu hätte zwar einen Bruch mit den Orthodoxen in Kauf nehmen können, ohne den Sturz seiner Regierung befürchten zu müssen, solange Kadima in der Regierung bleibt. Doch übereinstimmend erklären Kommentatoren, dass Netanjahu an die nächsten Wahlen denke, die spätestens im kommenden Jahr stattfinden müssen. Deshalb könne er es sich nicht leisten, sie jetzt zu verprellen, wenn sie als künftige Koalitionspartner nützlich sein könnten.
Für Kadima und ihren Vorsitzenden Schaul Mofaz kann der Zickzackkurs das Aus bei den nächsten Wahlen bedeuten. Die Partei war von der früheren Vorsitzenden Zipi Livni heruntergewirtschaftet worden. Mofaz versprach einen Wiederaufbau und erklärte, »niemals« mit Netanjahu zusammengehen zu wollen, weil der ein »Lügner« sei.
Wenig später, vor anderthalb Monaten, als schon über vorgezogene Neuwahlen spekuliert wurde, schloss sich Mofaz überraschend der Regierung an. Mit seinem Austritt aus der Großen Koalition würde sich vor allem der Ruf von Kadima festigen, eine Partei ohne Konzept und ohne Regierungsfähigkeit zu sein.
Netanjahus Hauptkoalitionspartner ist nun wieder die Partei Israel Beitenu von Außenminister Avigdor Lieberman. Von ihm stammt die Gesetzesvorlage, die die Wehrpflicht für alle Israelis, also auch Orthodoxe und Araber, vorsieht – was Netanjahu ablehnt. Lieberman denkt dennoch nicht an Rücktritt. »Den Gefallen tun wir keinem«, sagte er der Zeitung Yedioth Ahronoth und verwies darauf, dass es vorgezogene Neuwahlen geben könnte.