Es wäre die beste aller Nachrichten, wenn es wirklich der Durchbruch wäre: Der amerikanische Außenminister Anthony Blinken klingt hinsichtlich einer möglichen Waffenruhe in Gaza außerordentlich optimistisch.
Blinken erklärte in Seoul, er sei sehr zuversichtlich, dass eine Vereinbarung zustande kommen werde. Ihm zufolge könnte dies entweder kurz vor dem Ende der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden geschehen oder kurz danach. Am 20. Januar übernimmt der Republikaner Donald Trump die Amtsgeschäfte.
»Wenn wir es nicht in den nächsten zwei Wochen über die Ziellinie schaffen, glaube ich, dass eine Vereinbarung irgendwann danach abgeschlossen sein wird, hoffentlich eher früher als später«, sagte Blinken. »Wenn es so weit ist, wird es auf der Grundlage des Plans geschehen, den Präsident Biden vorgelegt hat.«
Ranghohe Vertreter Israels und der US-Regierung reisen heute Medienberichten zufolge zu den laufenden Gesprächen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg nach Katar. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, wird heute in Doha erwartet, wie die Nachrichtenseite «Ynet» berichtet.
Verlängerung der Waffenruhe im Libanon
Zudem schrieb ein Korrespondent der US-Nachrichtenseite «Axios», auch der Nahost-Koordinator des Weißen Hauses, Brett McGurk, sei in die katarische Hauptstadt gereist. Derweil bemüht sich Israel angeblich mit Unterstützung der USA auch darum, die Ende November mit der libanesischen Terror-Miliz Hisbollah vereinbarte und demnächst auslaufende Waffenruhe zu verlängern.
Die Entsendung der Unterhändler nach Doha könnte bedeuten, dass eine mögliche Einigung bei den Gesprächen über eine Waffenruhe in Gaza und die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der Hamas näher rückt. Allerdings gab es solche Zeichen der Hoffnung in den vergangenen Monaten schon öfter, ohne dass ein Durchbruch erzielt worden wäre.
Selbst wenn es zu einem neuen Geisel-Deal kommen sollte, wäre auch die Umsetzung höchst kompliziert. Das zeigt die am 27. November mit der Hisbollah im Libanon vereinbarte und zunächst bis 26. Januar geltende Waffenruhe. Verteidigungsminister Israel Katz warnte am Sonntag, der jüdische Staat könnte sich «zum Handeln gezwungen sehen», da die Hisbollah die Abmachung nicht einhalte.
Die am Freitag auf mittlerer Ebene begonnene neue Gaza-Verhandlungsrunde unter Vermittlung Katars, Ägyptens und der USA laufe auf «Hochtouren», schrieb «Ynet». Am Samstag hatte die Veröffentlichung eines weiteren Geisel-Videos durch die Hamas den Druck auf die israelische Regierung nochmals erhöht.
34 Namen für Freilassung
Einmal mehr gingen Tausende Israelis auf die Straße, um einen Deal zur Freilassung aller Geiseln und Beendigung des Kriegs zu fordern.
Israel hat unbestätigten Berichten zufolge eine Liste mit Namen 34 lebender Geiseln vorgelegt, die in einer ersten Phase freigelassen werden müssten. Ein Hamas-Vertreter sagte der Deutschen Presse-Agentur, seine Organisation habe dieser Liste noch nicht endgültig zugestimmt.
Jüngste Geiseln auf der Liste
Die saudische Zeitung »Al-Sharq« veröffentlichte die Namen von Geiseln, die demnach auf der Liste stehen. Sie enthält auch die beiden jüngsten Geiseln der palästinensischen Terroristen, nämlich Kfir (1) und Ariel Bibas (4). Dies sind die 34 Namen:
Romi Gonen
Emily Damari
Arbel Yehud
Doron Steinbrecher
Ariel Bibas
Kfir Bibas
Shiri Silberman Bibas
Liri Albag
Karina Ariev
Agam Berger
Danielle Gilboa
Naama Levy
Ohad Ben-Ami
Gad Moshe Moses
Keith Siegel
Ofer Calderon
Eli Sharabi
Itzhak Elgaret
Shlomo Mansur
Ohad Yahalomi
Yousef Yousef Alziadna
Oded Lifshitz
Idan Tsachi
Hisham Eli Said
Yarden Bibas
Sagui Dekel-Chen
Iair Horn
Omer Wenkert
Alexander Troufanov
Eliya Cohen
Or Levy
Avera Mengistu
Tal Shoham
Omer Shem-Tov
Schriftliche Garantie der USA
Zugleich betonte er, die Hamas habe ebenfalls eine Liste mit 34 Geiseln vorgelegt, allerdings ohne zu sagen, ob sie am Leben oder tot sind. Die israelische Seite widersprach dieser Darstellung.
Die Hamas warte noch auf eine schriftliche Garantie der USA, dass sich Israel zu einem dauerhaften Ende der Kämpfe und einem vollständigen Abzug aus dem Gazastreifen verpflichte, sagte der Vertreter der Terrororganisation, die den Krieg am 7. Oktober 2023 begann und Israel erklärtermaßen vernichten will und nach dem ersten Geisel-Deal Ende 2023 jedes weitere Abkommen verneinte.
Während im Gaza-Krieg noch um eine Waffenruhe gerungen wird, trat im Konflikt zwischen Israel und der mit der Hamas verbündeten Hisbollah-Miliz schon vor sechs Wochen eine Kampfpause in Kraft - die nun möglicherweise verlängert werden könnte. Damit solle verhindert werden, dass das Kriegsgeschehen unmittelbar nach Ablauf der Frist am 26. Januar wieder voll entbrennt oder die Waffenruhe gar vorzeitig beendet wird, berichtet die «Jerusalem Post».
Hochstein im Libanon
Am Montag wird der US-Vermittler Amos Hochstein zu Gesprächen im Libanon erwartet. Einer seiner Berater sagte der «Jerusalem Post», Hochstein werde die erste reguläre Sitzung des Gremiums leiten, das überprüfen soll, ob die seit November geltende Abmachung zwischen Israel und der Hisbollah auch tatsächlich eingehalten wird.
Trotz vereinzelter Verstöße hat die Waffenruhe bislang im Großen und Ganzen gehalten. Allerdings verweist Israels Verteidigungsminister Katz darauf, dass mehrere Punkte der zugrundeliegenden Abmachung bislang nicht umgesetzt seien. So habe die Hisbollah ihre Kämpfer nicht aus dem Südlibanon zurückgezogen, außerdem sei die Demontage aller Waffen und terroristischer Infrastruktur im Grenzgebiet durch die libanesische Armee noch nicht erfolgt.
Der am 27. November in Kraft getretene und zunächst auf zwei Monate angelegte Deal zur Waffenruhe enthält mehrere Vereinbarungen. Unter anderem sollen sich die Hisbollah-Kämpfer hinter den Litani-Fluss rund 30 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze zurückziehen und die israelischen Streitkräfte das Nachbarland verlassen. Parallel soll die libanesische Armee ihre Präsenz im Grenzgebiet verstärken, um das entstehende Vakuum zu füllen.
Kein Interesse an Scheitern
«Sofern es keine große Überraschung mehr gibt», werde die libanesische Armee diese Aufgabe innerhalb der 60-tägigen Waffenruhe nicht vollständig erfüllen, sagte der von der «Jerusalem Post» zitierte israelische Regierungsvertreter. Das heiße wiederum, dass Israels Armee noch länger dort stationiert bleiben müsse, um eine Rückkehr der Hisbollah zu verhindern. Der US-Regierung habe man das bereits mitgeteilt.
An einem Scheitern der Waffenruhe könne Israel kein Interesse haben, schreibt die «Jerusalem Post». Zwar habe sich die Hisbollah seit Ende November auf libanesischer Seite der Grenze vereinzelte Verstöße gegen die Abmachung geleistet. Israelisches Gebiet, auf das vor der Waffenruhe teils Dutzende oder gar Hunderte Raketen pro Tag einprasselten, sei seither aber nicht mehr beschossen worden. dpa/ja