Der Sommer in Israel ist heiß. Und lang. Besonders für gestresste israelische Eltern. Die müssen weiter arbeiten gehen, während der Nachwuchs frei hat. Am 1. Juli beginnen die Ferien, am 1. September sind sie zu Ende. Das war schon immer so. »Zu lang«, meint Bildungsminister Gideon Saar und kündigte in der vergangenen Woche plötzlich an, die Schule beginne ab sofort sechs Tage früher. Eine unerwartete Nachricht für Millionen von Schülern, Eltern und Lehrer kurz vor Ferienbeginn.
Die Unterstützer jubelten, viele Mütter und Väter aber maulten ob der kurzfristigen Bekanntgabe. Sie hätten bereits Urlaubs- und Unterbringungspläne gemacht, die sie nun nicht bereit seien zu verschieben. Damit hatte Saar offenbar nicht gerechnet und gab jetzt bekannt, es werde nun doch beim ursprünglichen Datum bleiben, kürzere Sommerferien sollen erst im kommenden Jahr Realität werden.
Feiertage Über ein Jahr lang hatte ein Komitee beraten, wie die Verkürzung am besten umzusetzen sei. Die sechs Tage wären an die Ferien zum jüdischen Neujahr, Chanukka und Pessach gehängt worden, wodurch sich die Anzahl der freien Tage im Jahr nicht verändert hätte.
Hauptgrund für die Initiative sei die meist sehr kurze Zeitspannne zwischen dem Ende der großen Ferien und dem Beginn von Rosch Haschana. In diesem Jahr fällt das Fest auf Ende September. Es folgen in kurzem Abstand Jom Kippur und Sukkot. Mit der Anpassung sei genug Zeit, die Kinder schulisch auf die Hohen Feiertage vorzubereiten, so Saar. Die Lehrervereinigung des Landes hatte die Neuregelung akzeptiert.
Grundschullehrerin Idit Cohen etwa hielt die Änderung für durchaus sinnvoll. »Manchmal fiel Rosch Haschana auf Mitte September. Dann kamen die Kinder aus dem Urlaub, spielten ein wenig herum und waren schon wieder weg. Richtiges Lernen war kaum möglich. So aber sind einige zusammenhängende Wochen Unterricht garantiert. Das ist besser für die Lehrer und selbstverständlich für die Schüler.«
Etti Binjamin von der nationalen Eltern-Lehrer-Vereinigung indes war entsetzt: »Ich glaube, das Bildungsministerium ist verrückt geworden«, sagte sie nach der ersten Ankündigung. »Dies ist weder eine professionelle noch eine verantwortungsvolle Entscheidung.« Die Vereinigung setzt sich dafür ein, die Sommerferien um zwei volle Wochen zu kürzen und die freien Tage zu Chanukka ganz zu streichen. »Es ist Zeit, dass das gesamte System reorganisiert wird.«
Eltern Das wünscht sich Yael schon lange. Die alleinerziehende Mutter einer Tochter im Teenageralter lebt in Tel Aviv und fürchtet sich jedes Jahr mehr vor den großen Ferien. »Finanziell ist es in den normalen Monaten schon schwer«, gesteht sie. »Im Sommer aber ist alles teurer. Meine Tochter braucht ständig Geld, um mit ihren Freundinnen ins Schwimmbad oder shoppen zu gehen.
Ist sie zu Hause, sitzt sie vor dem Fernseher oder hängt am Telefon, die Klimaanlage bis zum Anschlag aufgedreht.« Neben der finanziellen hat Yael eine weitere Sorge: »Ich sehe viele Kinder, die nächtelang auf den Straßen herumziehen, rauchen und Alkohol trinken, weil sich die Eltern nicht kümmern.« Auch Yael muss oft abends arbeiten und sorgt sich um ihre Tochter. »Wenn es nach mir ginge, wären die Sommerferien nur noch vier Wochen lang. Das reicht völlig.«
Andere würden gern gänzlich auf Saars Aktion verzichten. Nachdem bei den Tourismuseinrichtungen des Landes zahlreiche Umbuchungen für die letzte Augustwoche eingegangen waren, klingeln jetzt erneut die Telefone, um die ursprünglichen Buchungen wiederherzustellen. Israelis verreisen gern noch einmal kurz vor Ferienende, um den Kindern ein Schmankerl mit ins neue Schuljahr zu geben.
Auch manche Eltern sind wütend. Esther Rosen aus Jerusalem findet, dass die Zeit für die hart arbeitenden israelischen Mütter und Väter mit ihren Kindern ohnehin sehr begrenzt sei und nun noch mehr eingeschränkt wird. »Ich kann nicht verstehen, wie Eltern ihren Nachwuchs praktisch wegorganisieren wollen. Ich möchte so viel Zeit, wie es nur geht mit meinen Töchtern verbringen.«
Betreuung Die Mehrheit aber sehnt eine Verkürzung der Ferien herbei. Wie Michal Biton. »Schon nach drei Wochen wissen wir nicht mehr, wohin mit ihnen. Es ist ja nicht so, dass wir keine Zeit mit unseren Kindern verbringen wollen, aber es geht nicht volle zwei Monate lang. Wir haben unsere zwei Wochen Urlaub im Sommer und müssen den Rest der Zeit ins Büro.« In Israel sind sowohl Männer wie der Großteil der Frauen vollzeitbeschäftigt. So werde nach einer Weile jeder Ferientag zur reinsten Jonglage. Mal hüten die Großeltern die Kleinen, mal sind es Freunde, die einspringen. »Doch oft sitzen sie allein zu Hause vor dem Fernseher oder Computer. Ich weiß, das ist nicht gut, aber manchmal habe ich keine Wahl.«
Zwar gibt es in Israel ein riesiges Angebot an Sommerlagern, die sogenannten Keitanot, doch für die muss man jede Menge Bares auf den Tisch legen. Für die kompletten Ferien ist man schnell einige tausend Euro los. Nur eine Minderheit kann sich wochenlange Reit-, Schwimm- oder Wissenschaftskurse leisten. »Bei uns sind finanziell zwei Wochen Keitanot drin, mehr geht partout nicht«, so die Mutter von zwei Söhnen im Grundschulalter. Sie hatte sich nach den langen Beratungen mehr erhofft. »Zwei Wochen weniger wären eine wirkliche Veränderung. Außerdem finde ich es ziemlich unsinnig, dass die freien Tage an andere Ferien gehängt werden sollen, Chanukka haben wir dasselbe Problem. Das Schlimmste aber ist, dass nun alles wieder rückgängig gemacht wird. Eine Blamage für das System.«