Erst gab es Bedenken und Einwände – wegen der Sicherheit. Nun aber steht fest: Demnächst werden detaillierte Bilder von Häusern an der Herzlstraße in Tel Aviv oder an der Jabotinskystraße in Jerusalem im Netz abrufbar sein. Israels Städte wandern in Form von Panoramadarstellungen in die virtuelle Welt. Als erstes Land im Nahen Osten werden die Straßenansichten in 360 Grad via Mausklick abrufbar sein.
Bevor Ende August Google die Bewilligung zur Digitalisierung der israelischen Realität erhielt, musste die Firma mehrere Zugeständnisse machen. »Auf Verlangen der Bewohner muss Google Gesichter und Nummernschilder unkenntlich machen«, heißt es bei der für Datenschutz zuständigen Law, Information and Technology Authority (ILITA), die dem Justizministerium unterstellt ist. ILITA-Chef Yoram Hacohen ist stolz, dass er Google mehr Zugeständnisse abgerungen hat als seine Kollegen in anderen Ländern.
In den drei Städten Jerusalem, Haifa und Tel Aviv dürfen die Personenwagen, die mit den Kameras auf dem Dach zirkulieren, nicht flächendeckend abbilden, was ihnen vor die Linse kommt. In Jerusalem bleiben die Residenzen des Regierungschefs und des Staatspräsidenten tabu, ebenso das Regierungsviertel. In Tel Aviv dürfen weder Aufnahmen vor ausländischen Botschaften gemacht werden noch von der Militärzentrale in der Kirya. Und in Haifa ist es den Kameraleuten verboten, Fotos der Hafenanlagen ins Netz zu stellen.
Privatsphäre Google ist mit seinem Street-View-Projekt, das es bereits in mehr als zwei Dutzend Ländern realisiert hat, anfänglich stets auf Widerstand gestoßen. Die Privatsphäre werde verletzt, hieß es. Doch in Israel geht es um andere Befürchtungen. Eine Kommission unter dem Vorsitz von Geheimdienstminister Dan Meridor hatte sechs Monate lang nach Wegen gesucht, damit sich Terrororganisationen mithilfe von Street View keine Informationen über Anschlagsziele beschaffen können.
Google ist auf die Bedingungen eingegangen und will Transparenz schaffen, indem Wegstrecken und Zeitpunkt publiziert werden, bevor die Kameras auf den Straßen unterwegs sind. Bei den Verhandlungen wurde unter anderem damit argumentiert, dass wesentliche Informationen schon jetzt via Internet abrufbar seien. Google Earth liefere bereits Fotos frei Haus, so Google. Street View würde Terroristen keine wesentlichen Zusatzinformationen übermitteln.
Street View soll auch zusichern, dass die Privatsphäre der Bürger respektiert werde. Daten würden verpixelt und die Rohdaten unwiderruflich gelöscht, sagt der Suchmaschinenbetreiber in Ländern, wo Street View bereits verfügbar ist. Der israelische Ableger von Google war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
verpflichtung In rund anderthalb Monaten wird Google mit den Aufnahmen in Jerusalem beginnen. Die orthodoxe Gemeinschaft dürfte dem Eindringen der Kameras mit Protest begegnen. Wegen der Verpflichtung, im Voraus die Fahrtstrecke zu veröffentlichen, wird es den Gegnern leichtfallen, gegen die Kameras zu demonstrieren.
»Wir wollen uns nicht ablichten lassen«, protestiert ein Bewohner von Mea Shearim. Auf Internetseiten zirkulieren bereits Ratschläge, wie das Street-View-Projekt vereitelt werden könnte. Den Kritikern wird empfohlen, entlang der Strecken Protestschilder aufzustellen oder den Kameras nicht das Gesicht, sondern den Allerwertesten zu zeigen.
Wem das zu plump ist, der könne mit Taucheranzügen seine Identität unkenntlich machen. Zudem könnten die Privathäuser von Google-Managern mithilfe von Street View besonders markiert werden.
Street View könnte in Israel allerdings auch zu politischen Zwecken eingesetzt werden. Über Facebook rufen Aktivisten dazu auf, entlang der Straßenzüge, die von den Google-Fahrzeugen aufgenommen werden, gegen die israelische Besatzungspolitik zu protestieren. Damit würde die Kritik in die Welt getragen, hoffen die linken Aktivisten.
Ironie Dass Google erst jetzt eine israelische Version von Street View ins Netz stellen darf, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Der Gigant unterhält in Israel seit Langem ein Forschungszentrum, das innerhalb der Konzernstrategie einen wichtigen Platz einnimmt.
Im September 2010 hat Google sein Engagement in Israel zudem verstärkt. Die Firma übernahm das israelische Jungunternehmen Quiksee. Damit schloss Google eine wichtige Lücke in der Weiterentwicklung des Street-View-Angebotes. Denn mithilfe von Quiksee können Gebäude nicht nur von außen gefilmt, sondern auch von innen gescannt werden.