»Gott ist glorreich«, steht in arabischen Buchstaben am Eingang zum Bahai-Schrein in Haifa. Es ist der Schrein des Bab, zu deutsch: das Tor. Gemeint ist Sayyid Ali Muhammad, einer der beiden Gründer der Bahai-Religion. Eingerahmt sind die arabischen Buchstaben in einen neunzackigen Stern, dem Symbol der Bahai. Nach über zweijährigen Instandsetzungsarbeiten glänzt die Kuppel mit den vergoldeten Ziegeln in neuer Pracht auf dem Carmelberg.
Um den Schrein betreten zu dürfen, müssen Besucher die Schuhe ausziehen. Diskret, aber streng bewacht eine schlanke Frau mittleren Alters den Eingang. Der Anblick im Schrein enttäuscht zunächst, denn außer ein paar Teppichen, einem Blumenarrangement, Schrifttafeln und Hunderten Kerzen gibt es dort nichts zu sehen. Dafür entschädigen die reich gestalteten Gärten rings um den Schrein. »Sie werden von freiwilligen Bahai instand gehalten«, sagt Kendra Boothe, die für gut zwei Jahre aus New York gekommen ist, um im Weltzentrum der Bahai für Kost und Logis ihren freiwilligen Dienst abzuleisten.
Freiwillige So blieb auch die mühsame Handarbeit während der zweijährigen Restaurierung am Schrein vor allem Angelegenheit der freiwilligen Helfer aus dem Ausland. Juden und Araber, Amerikaner, Chinesen und Inder legten mit Hand an bei der Arbeit, über der »der Geist der Liebe und Kooperation lag«, wie Projektleiter Saeid Samadi resümiert. Er errechnete nicht weniger als ingesamt 150.000 Arbeitsstunden. Umgerechnet fünf Millionen Euro kostete sein Projekt, das ausschließlich aus Spenden getragen wurde.
Die 24-jährige Sprachstudentin Kendra Boothe ließ sich von einem Studienfreund für die Religion gewinnen. »Die Worte berührten mein Herz«, sagt sie und bezieht sich dabei vor allem auf die zahlreichen Schriften des Baha’ullah, dem als Mirza Husayn Ali Nuri geborenen zweiten Gründer, der als der wichtigere der beiden aus Persien stammenden Religionsstifter gilt.
Religion »Der Tod ist ein Bote der Freude», zitiert Boothe einen der Grundsätze der Religion, der sie sich vor gut fünf Jahren anschloss. Sie spricht von »Liebe als Ziel», von »Religion, die die Menschen verbinden soll, nicht trennen« und von dem wichtigsten, dass »es nur einen Gott gibt für alle Religionen, auch wenn er unterschiedliche Namen trägt«.
Die Religion entstand im 19. Jahrhundert in Persien als Reformbewegung im Islam. Und schien schon damals ihrer Zeit weit voraus. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau und strikte Ablehnung von Hierarchien brachte den Gründern und ihren Anhängern große Schwierigkeiten ein. Tausende wurden verfolgt, eingekerkert und getötet. Im Iran, aber auch in Ägypten werden Bahai-Anhänger immer wieder verfolgt. »Mein Partner aus unserem Architekturbüro in Teheran ist exekutiert worden«, berichtet Projektleiter Samadi. »Nur, weil er Bahai war.«
Die Gemeinde des Religionsstifters sagte sich vom Islam los und vertritt eine Lehre, die alle Weltreligionen beerben will. Die Bahai sehen in Mohammed eine Stimme der Offenbarung unter vielen. Keine Religion sei »falsch«, alle müssten aus ihrer Zeit heraus begriffen werden. Die Bahai-Anhänger treten ein für ein Ideal des religiösen Weltfriedens.
In Israel sind die Bahai mehr als nur gern gesehene Gäste. Allerdings hält sich die religiöse Minderheit auch strikt an die
ungeschriebenen Regeln und verzichtet auf jegliche Mission. Zur Bahai-Gemeinschaft in Israel gehören fast nur Ausländer, die jeweils für zwei bis drei Jahre nach Haifa kommen. Im Moment sind es rund 600 Bahai. Sie leben in Kommunen, arbeiten am Schrein, in den Gärten oder in der Verwaltung, treffen sich zum gemeinsamen Essen, zum Gebet und zum Studium der Schriften des Baha’ullah.
Auch die Instandsetzung sei vom Bahai-Prinzip inspiriert worden, das alles auf höchster Stufe der Perfektion erschaffen werden sollte, betont Samadi. So müsse in den nächsten 300 Jahren die Kuppel nicht mehr abgedeckt werden, versichert der Architekt. Die vergoldeten Ziegel sind die einzigen Teile, die komplett ersetzt wurden.