Sie ist heute wichtiger denn je: die Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem. »Denn dies sind bedenkliche Zeiten«, ist Museumsführerin Liz Elsby überzeugt. »Wird Antisemitismus nicht eingedämmt, folgen schreckliche Dinge. Deshalb hat Yad Vashem noch immer eine herausragende Bedeutung.« Am Donnerstag treffen sich an diesem Ort Dutzende Staatsoberhäupter und -minister aus aller Welt, um beim fünften World Holocaust Forum über das Thema Antisemitismus zu diskutieren.
»Jerusalem wird während des Forums praktisch abgeriegelt«, erläutert der Auslandssprecher der israelischen Polizei, Micky Rosenfeld, die extremen Sicherheitsvorkehrungen für den Mammutgipfel. »Es ist eine unglaublich komplizierte Koordination nötig, wenn die Konvois vom Ben Gurion Flughafen nach Jerusalem und später durch die Stadt fahren. Wir wollen schließlich sicherstellen, dass alle rechtzeitig zu den Zeremonien kommen.« Außerdem müsse man für die Sicherheit der offiziellen Delegationen sorgen, die schon vor Donnerstag angereist sind.
überwachung 6300 Beamte sind im Einsatz, von Verkehrspolizisten bis zu speziellen Einsatztruppen wie Terrorbekämpfern sowie verdeckten Ermittlern. Man habe im Vorfeld keine konkreten Warnungen erhalten, betont Rosenfeld. »Doch selbst wenn etwas geschehen sollte, haben wir in jedem Viertel Jerusalems unsere Kräfte, die sofort einschreiten können.« Die Sicherheitsbehörden werden pausenlos für eine »360-Grad-Überwachung« sorgen. »Unsere Einheiten sind auf sämtliche Szenarien vorbereitet: von Demonstrationen über kriminelle Taten bis zu Terror-Bedrohungen.«
»Jerusalem wird während des Forums praktisch abgeriegelt«, erläutert der Auslandssprecher der israelischen Polizei,
Eingeladen zum World Holocaust Forum hat Israels Präsident Reuven Rivlin. Er sagte im Vorfeld, dass man zusammenkomme, »um zu überlegen, wie das Gedenken an die kommenden Generationen weitergegeben werden kann, wenn wir in einer Welt ohne Schoa-Überlebende leben. Und welche Schritte wir unternehmen müssen, damit die Sicherheit von Juden gewährleistet ist – in der ganzen Welt«.
Das Forum wird wenige Tage vor dem 75. Jahrestag der Befreiung des Nazi-Todeslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 veranstaltet. Unter den Gästen sind US-Vizepräsident Mike Pence, der Präsident des Europäischen Parlaments, David Sassoli, aus Frankreich Emmanuel Macron, Wladimir Putin aus Russland, Wolodymyr Selenskyj aus der Ukraine und der britische Thronfolger Prinz Charles. Das Programm befasst sich vor allem mit Bekämpfung von Antisemitismus und dem zukünftigen Gedenken an die Opfer des Holocaust. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird als erstes deutsches Staatsoberhaupt in Yad Vashem sprechen.
Absagen Doch bereits im Vorfeld gab es Streit über die Veranstaltung. Polens Präsident Andrzej Duda sagte Anfang Januar seine Reise ab, nachdem er vergeblich verlangt hatte, wie Steinmeier und die vier Vertreter der alliierten Siegermächte, explizit Putin, ebenfalls eine Rede halten zu dürfen. Auch Litauens Präsident Gitanas Nauseda sagte seine Teilnahme ab. Stattdessen will Nauseda am 27. Januar der Gedenkveranstaltung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau beiwohnen. Zwischen Warschau und Moskau war in den vergangenen Wochen ein Streit über die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs entbrannt.
Am Mittwochmorgen schaltete sich der Direktor des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Piotr Cywinski, ein. In einem Interview mit der »Times of Israel«, sagte er, das Hauptevent zur Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers vor 75 Jahren solle in Polen stattfinden. Der World Holocaust Forum Foundation warf er vor, sie versuche, die jährliche Gedenkfeier zum 27. Januar in Auschwitz zu ersetzen. Der Gründer der World Holocaust Forum Foundation Moshe Kantor, der auch Präsident des European Jewish Congress (EJC) ist, habe seit Jahren versucht, sein Forum als eine alternative Gedenkfeier zu der Veranstaltung am 27. Januar in Auschwitz zu installieren. »Vor fünf Jahren hat er versucht, Staatschefs zum gleichen Zeitpunkt nach Theresienstadt einzuladen«, beschwerte sich Cywinski.
Der Direktor der Gedenkstätte Auschwitz, Piotr Cywinski, warf der World Holocaust Forum Foundation vor, sie versuche, die jährliche Gedenkfeier zum 27. Januar in Auschwitz zu ersetzen.
Dies sei, so der Direktor der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, »einfach so provokativ und unreif, dass ich keine Worte finde, es zu kommentieren«. Eine Sprecherin des World Holocaust Forums sagte der »Times of Israel«, es sei nötig, eine »globale Allianz« gegen den wachsenden Antisemitismus zu schaffen. »Wir glauben, dass es einfach nicht genug Events geben kann, um an den Holocaust zu erinnern, und wir begrüßen alle, die dieses wichtige Anliegen unterstützen«, sagte eine Sprecherin.
Die Veranstaltung in Jerusalem wird mit einem Erinnerungsakt enden, bei dem die Schoa-Überlebenden Rose Moskowitz aus den USA und Colette Avital aus Israel Fackeln entzünden. »Wenn es diese Überlebenden nicht mehr gibt, wird es schwerer, das Gedenken weiterzugeben«, sagt Museumsführerin Elsby. Dies sei aber die Aufgabe der Einrichtung: »Denn hier lehren wir nicht nur über die Geschichte, sondern über Humanität und die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens.« Das mache Yad Vashem so außerordentlich. Denn es ist nicht ausschließlich Gedenkstätte und Museum, sondern zudem ein Ort der Dokumentation und Bildung, an dessen internationaler Schule für Holocaust-Studien jährlich Hunderte von Lehrern aus der ganzen Welt ausgebildet und Tausende von israelischen Schülern unterrichtet werden.
schoa-Bildung Das Museum zeigt zudem, wie sich Gedenken weiterentwickelt hat. Als Yad Vashem durch Parlamentsbeschluss im Jahr 1953 eingerichtet wurde, sei Erinnerung meist noch anonym gewesen. »Schoa-Überlebenden wurde damals selten Verständnis entgegengebracht, sie wurden tatsächlich vorwurfsvoll gefragt: ›Warum seid ihr nicht früher ausgewandert, warum habt ihr euch nicht gewehrt?‹ Zum Glück hat sich das Blatt völlig gewendet. Heute werden sie in Schulen oft wie Rockstars begrüßt und wirklich angehört.«
Heute setzt das Museum vor allem auf die persönliche Darstellung. Mehr als 200 Stunden Videoaufnahmen sind verfügbar. »Viele der Menschen, die ihre Geschichten erzählt haben, leben nicht mehr. Doch dass wir sie hier und heute – und sogar noch in 20 oder mehr Jahren – sehen und hören können, das ist unglaublich wichtig.« Mehr als eine Million Menschen aus aller Welt kommen jedes Jahr in die Gedenkstätte. »Sie sollte immer wieder besucht werden«, ist Elsby überzeugt. »Denn wenn wir alle gemeinsam die Lehren aus dem Holocaust ziehen und eine Verpflichtung eingehen, dann wird Yad Vashem zu einem hoffnungsvollen Ort.«