Schnell schrumpfen die Stapel. Doch Soldatin Noah hat sich noch ein Exemplar ergattert. »Wir haben sie«, steht auf dem handgemalten Schild an der Kasse, wo die junge Frau zum Bezahlen ansteht, »die 50 Shades of Grey«. In der Buchhandlung der Kette Steimatzky im Azrieli-Einkaufszentrum liegen die Taschenbücher mit dem silbergrauen Schlips auf dem Titel in der Mitte des Verkaufsraums.
Das Buch der britischen Schriftstellerin E.L. James, das seit Monaten die Bestsellerlisten zahlreicher Länder anführt, hat Israel erreicht. Band eins wurde soeben druckfrisch in die Läden geliefert. Mit stoischer Miene ordnet die Verkäuferin, was ihre Kunden durcheinandergebracht haben. Sollten die Exemplare nicht besser unter der Ladentheke verkauft werden? »Ach was«, winkt sie ab und erklärt, dass heute in jedem Video von Lady Gaga mehr zu sehen sei, als auf diesen Seiten zu lesen.
Noah will endlich wissen, worüber alle Mädchen in ihrer Kaserne reden. Schließlich avancierten die 50 Shades zum schnellstverkauften Paperback aller Zeiten – noch vor Harry Potter. Mehr als 40 Millionen in aller Welt wollten von den außergewöhnlichen Liebeserfahrungen der Studentin Anastassia Steele lesen.
Kellerverlies Ein bisschen unsicher wippt Noah von einem Fuß auf den anderen. »Ganz ehrlich«, raunt sie und schaut sich um, »ich hätte nie gedacht, dass ich mal ein Buch über Sado-Maso lesen würde. Ich hab’ damit nichts am Hut. Aber meine Freundin, die es auf Englisch gelesen hat, meinte, es sei eine richtig kitschig-romantische Liebesgeschichte. Nur mit einem etwas anderen Dreh.«
Obwohl das erotische Werk für jeden zugänglich auf den Ladentischen liegt, müssen sich Liebhaber von Lack und Leder im Heiligen Land eher hinter verschlossenen Privattüren ihren Gelüsten hingeben. Bis vor einigen Jahren trafen sich Gleichgesinnte im »Dungeon« (Kellerverlies) in Jaffa. Zweimal pro Woche fanden in dem jahrhundertealten Gebäude SM-Partys statt. Seit drei Jahren aber ist der »Dungeon« geschlossen, von einem anderen öffentlichen Club ist nichts bekannt.
Bleiben die geschriebenen Grauschattierungen, die in den kommenden Monaten sicher Lesern im ganzen Land 50 Töne Schamesröte bescheren werden.