Sie rauben, erpressen und morden, ohne mit der Wimper zu zucken: kriminelle Familien in Israel. »Mischpachot Pescha«, wie sie im Hebräischen genannt werden. Die organisierte Kriminalität von Netanja über Tel Aviv bis nach Aschkelon und Eilat ist heute genauso brutal wie die der italienischen Mafia, der russischen oder chinesischen Verbrechersyndikate.
Es sollen in Israel insgesamt 16 kriminelle Organisationen existieren, fünf davon sind demnach im ganzen Land aktiv, der Rest wickelt seine schmutzigen Geschäfte eher lokal ab. Die bedeutendsten sind die Familien Abergil, Abutbul, Alperon, Domrani, Shirazi und die Syndikate um Zeev Rosenstein und Amir Molnar. In erster Linie dealen sie mit Drogen, sind in illegale Glücksspiele verwickelt, in Prostitution und Menschenhandel, Autodiebstahl, Kreditgeschäfte sowie Schutzgelderpressungen und Auftragsmorde.
Prozess Unter dem Codenamen Fall Nummer 512 haben Polizei und Staatsanwaltschaft Kronzeugen rekrutiert, deren Aussagen die mächtigsten kriminellen Organisationen des Landes zu Fall bringen könnten. Die Abergils gelten als das größte und gefürchtetste unter diesen Syndikaten. Der Prozess um das Oberhaupt Yitzhak Abergil, der bis Ende des vergangenen Jahres in Tel Aviv stattfand, bot den Israelis einen schockierenden Einblick in die Ausbreitung der israelischen Organisierten Kriminalität auf den Rest der Welt.
In erster Linie dealen sie mit Drogen, sind in illegale Glücksspiele verwickelt, in Prostitution und Menschenhandel, Autodiebstahl, Kreditgeschäfte sowie Schutzgelderpressungen und Auftragsmorde.
Der ehemalige Polizeipräsident David Cohen sagt, dass die verbrecherischen Organisationen heutzutage bis in den regulären Sektor der Wirtschaft und in lokale Regierungen eingedrungen sind und sich »mit riesigen Mengen Sprengstoff und Waffen ausgerüstet haben«. In dem Mob-Krieg, der Anfang der 2000er-Jahre zwischen den kriminellen Familien begann, wurden mehrere Gangsterbosse getötet. Viele Köpfe und Mitglieder der »crime families« sind mittlerweile entweder tot oder sitzen im Gefängnis. Doch die Auseinandersetzungen kosteten auch unbeteiligte Passanten das Leben.
Autobombe Vor wenigen Tagen knallte es in der Hafenstadt Aschkelon im Süden des Landes. Eine am frühen Abend gezündete Autobombe beendete das Leben von Avi Bitton, »hochrangiges« Mitglied der lokalen Familie Schalom Domrani. Selbst wenn sie keine Blutsverwandten sind, gehören die Eingeschworenen doch, ganz im Stil der Mafia, zur »Familie«. Der Polizei war der 42-Jährige als »Moneyman« bekannt.
Acht Jahre zuvor war Bitton schon einmal in ein präpariertes Auto gestiegen, das nach dem Zünden in die Luft flog. Er überlebte knapp, verlor bei dem Anschlag allerdings beide Beine. Seine Beifahrerin Jackie Benita, eine kriminelle Bekannte, wurde damals getötet. Bitton aber erholte sich und mischte schon kurz darauf wieder kräftig mit bei den Deals der Verbrecherbanden.
Bei einem Mordanschlag auf einen Mafiaboss kam eine zweifache Mutter im Kugelhagel um.
Der Chef der Mischpacha, Domrani selbst, wurde im vergangenen Oktober aus dem Gefängnis entlassen, nachdem er sechs Jahre wegen versuchten Mordes verbüßt hatte. Angeblich habe er daran gearbeitet, seine Organisation zu stärken und finanziell zu rehabilitieren. Die rivalisierende Familie von Benny Shlomo aber wollte das offenbar nicht zulassen. Auch Shlomo war erst vor einigen Monaten freigekommen.
attentäter Die Polizei hatte daher bereits erwartet, dass sich die Spannungen zwischen den beiden in Anschlägen Bahn brechen würden. Sie habe einsatzbereite Bomben entdeckt und beschlagnahmt. Nach Angaben der Ermittlungsbehörden sei sich Bitton durchaus bewusst gewesen, dass er im Visier der Rivalen stand. »Eine Persönlichkeit seines Ranges steigt nicht in ein Fahrzeug, ohne es gründlich zu überprüfen.« Die Attentäter hätten ihn aber wohl überlistet. Bittons Tod sei ein »schwerer Schlag« für Domranis Organisation.
Die Ermittler nannten es »ein Wunder«, dass bei dieser Explosion in Aschkelon keine Passanten verletzt wurden. Bei anderen Vorfällen ging es nicht so glimpflich für unschuldige Menschen aus. Im Jahr 2008 wurde bei einem verpfuschten Mordanschlag auf einen Mafiaboss in Bat Yam die zweifache Mutter Marguerita Lautin im Kugelhagel tödlich verletzt, als sie mit ihrem Mann und zwei Kindern am Strand spielte.
Fünf Jahre zuvor starben im Zentrum von Tel Aviv drei Passanten, als versucht wurde, den Boss Zeev Rosenstein durch eine Explosion in einer Wechselstube zu töten. Rosenstein blieb unversehrt. Yitzhak Abergil, der als »König der ›crime families‹« gilt, wurde erst Ende des vergangenen Jahres für diese Tat verurteilt. Die Richter beschrieben Abergil als den »unangefochtenen Anführer der Organisation« und den »lebendigen Geist« hinter dem Attentat auf Rosenstein. Abergil war sich der Tat »bewusst und in alle Details involviert«, resümierten die Richter. Das Bezirksgericht von Tel Aviv befand Abergil auch für schuldig, eine kriminelle Vereinigung angeführt zu haben.
rachefeldzug Nur Stunden nach dem Bombenanschlag, der Bitton in Aschkelon tötete, wurde in Ramle ein Mann bei einem weiteren mutmaßlichen Akt von Bandengewalt erschossen. Ob die Vorfälle zusammenhängen, ist bislang noch unklar.
Einige Tage darauf ereignete sich ein weiterer Autobombenanschlag im Zusammenhang mit der Organisierten Kriminalität. In der Innenstadt von Ramle flog am helllichten Tag plötzlich ein Auto in die Luft. Die Explosion tötete zwei Männer und verletzte einen weiteren schwer. Die Polizei ist sicher: Der Rachefeldzug der israelischen Unterwelt-Mischpachot geht in eine neue Runde.